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Eltern und Schüler demonstrieren vor der Lietzensee-Schule in Charlottenburg.

© Davids/Sven Darmer

Lietzensee-Grundschule: Charlottenburger Eltern demonstrieren für mehr Lehrer

Unter dem Motto "Wir basteln uns Lehrer" protestieren Eltern und Schüler der Lietzensee-Schule, weil sie zu wenig Lehrer haben. Die Bildungsverwaltung wirbt derweil um Pädagogen aus anderen Bundesländern.

Herr Gubich wäre ein guter Lehrer. Inmitten kreischender Kinder steht er da und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er kündigt nicht, und er wird auch nicht krank. Schade nur, dass Herr Gubich aus Papprollen und Bauschaum besteht und also gar kein Mensch ist. Ira Richter hat ihn gebastelt, gemeinsam mit ihren zwei Töchtern, die auf die Lietzensee-Schule in Charlottenburg gehen. Richter ist dort Elternsprecherin, und sie will mit der Figur auf den akuten Lehrermangel an der Grundschule aufmerksam machen. „Herr Gubich“, so hat sie die Figur getauft: Das stehe für „Gute Bildung und Chancengleichheit“, erklärt Richter. Schon seit längerer Zeit gebe es an der Schule nicht genügend Lehrer, deshalb sei der Stundenplan vieler Klassen gekürzt worden – und jetzt stehe eine dritte Klasse mitten im Schuljahr ganz ohne Klassenlehrerin da. Eine Vertretung sei nicht zu finden.

Deshalb muss jetzt also Herr Gubich ran. Zusammen mit etwa fünfzig Kindern, vielen Eltern und auch ein paar Lehrern steht er vor der Schule. „Wir wollen Lehrer“, skandieren die Kinder so laut sie können und haben sichtlich Spaß dabei. Ein Mädchen, das gerade noch begeistert in eine Trillerpfeife gepustet hat, erklärt, was sie stört: „Unsere Lehrerin ist vor ein paar Wochen an eine andere Schule gegangen. Und das war schon die zweite Klassenlehrerin, die wir in diesem Schuljahr hatten“, sagt die Drittklässlerin. Die Lehrerin sei keine Grundschulpädagogin, sondern Studienrätin gewesen und habe dann eine Stelle an einem Gymnasium bekommen, sagen die Eltern. Dass sie mitten im Schuljahr wechseln kann, stößt bei den Eltern auf Unverständnis. Ira Richter will aber lieber nach vorne schauen: „Mit der Aktion wollen wir Lehrer auf unsere Schule aufmerksam machen, sodass sie sich hier bewerben.“

In Berlin fehlen knapp 1000 Lehrer

Nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung fehlen der Schule aktuell 1,5 Lehrerstellen, aber Abhilfe sei in Sicht. In den kommenden Tagen würden sich zwei Lehrerinnen aus anderen Schulen in der Lietzensee-Schule vorstellen, insgesamt seien demnächst drei Neueinstellungen vorgesehen.

Die Situation an der Lietzensee-Grundschule ist dennoch typisch für die Lage, in der sich viele Schulen in Berlin – und besonders viele Grundschulen – befinden. Zum neuen Schuljahr im August müssen nach Angaben der Bildungsverwaltung noch rund 1400 Lehrer eingestellt werden. Allerdings werden bis zum August nur 470 Referendare fertig, und davon sind nach GEW-Angaben nur 40 Grundschullehrer. Gerade in den Grundschulen ist der Bedarf aber am höchsten, es fehlen rund 500 Pädagogen. Insgesamt müssen also knapp 1000 Lehrkräfte anderweitig gefunden werden – über Quereinstiege oder aus anderen Bundesländern. Und es wird wohl auch wieder häufig vorkommen, dass Studienräte, die für die Arbeit mit älteren Kindern ausgebildet sind, an Grundschulen eingestellt werden. Im vergangenen Jahr waren von 880 neuen Grundschullehrern 260 Studienräte.
Um Lehrer aus anderen Bundesländern zu werben, veranstaltet die Bildungsverwaltung an diesem Sonnabend wieder einen sogenannten „Berlin-Tag". Rund 300 Lehrer hätten sich angekündigt, teilte eine Sprecherin der Bildungsverwaltung mit. Die Pädagogen können sich über das hiesige Bildungssystem und Bewerbungsverfahren informieren, außerdem solle ihnen ein Eindruck vom „vielfältigen Leben unserer Stadt" vermittelt werden.

Und wenn das alles nicht hilft, muss vielleicht doch Herr Gubich wieder zum Einsatz kommen. "Wir können ihn auch an andere Schulen ausleihen", sagen die Eltern aus der Lietzensee-Schule.

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