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Mit den Wessis kamen die Impfgegner nach Pankow.

© dpa

Masern in Pankow: Bist du geimpft oder wohnst du in Prenzlauer Berg?

Der Masern-Ausbruch zeigt: Die Front zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern verläuft in Pankow entlang der alten politischen Sozialisierungen.

Auch in Pankow herrscht derzeit Masern-Alarm. Nach Angaben der zuständigen Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) gab es im Bezirk Pankow seit Oktober 2014 insgesamt 75 Masern-Fälle, 73 davon seit Januar. In ganz Berlin wurden seit Jahresbeginn 558 Masern-Erkrankungen gemeldet. Damit liegt Pankow stadtweit an dritter Stelle, was natürlich nicht weiter verwunderlich ist, schließlich ist Pankow der bevölkerungsreichste Berliner Bezirk. Die Stadträtin sagt aber auch: "Einen Ausbruch mit so vielen Fällen bereits im März habe ich noch nicht erlebt." Sie rät vor allem Eltern mit Säuglingen zur Vorsicht. "Man sollte schon aufpassen, wo man hingeht und Menschenansammlungen möglichst meiden", riet Zürn-Kasztantowicz im Gespräch mit dem Pankow-Blog.

Schulschließungen nur im Notfall

Schulen oder Kitas mussten in Pankow bisher nicht geschlossen werden. Dabei soll es auch bleiben. Zürn-Kasztantowicz: "Das würden wir nur im äußersten Notfall anordnen. Wir haben die Lage aber im Griff." Bisher sind in zwölf Schulen und acht Kitas im Bezirk Masern-Fälle aufgetreten. Interessant ist dabei die geografische Verteilung der Fälle innerhalb des Bezirks, denn von den zwölf betroffenen Schulen liegen sieben in Prenzlauer Berg. Ein Zufall?

Die Impfmuffel wohnen in Prenzlauer Berg

Ein Blick in die Statistik zeigt: In Prenzlauer Berg sind die Impfraten deutlich niedriger als in anderen Ortsteilen des Bezirks. Laut dem letzten verfügbaren Einschulungsbericht waren 2013 im westlichen Prenzlauer Berg rund 79 Prozent der Kinder gegen Masern geimpft, in Niederschönhausen waren es 89 Prozent, in Buch sogar 93 Prozent. "Je weiter man nach Norden geht, desto höher sind die Impfraten", sagt die Gesundheitsstadträtin. Anders gesagt: Pankower Ortsteile, in die seit der Wende viele Westdeutsche zugezogen sind, haben deutlich schlechtere Impfraten als der Rest des Bezirks. Dies betrifft in erster Linie Prenzlauer Berg und zum Teil offenbar auch schon Niederschönhausen.

In der DDR wurde durchgeimpft

Dass Eltern in anderen Ortsteilen Impfungen nicht so sehr hinterfragen, könnte geschichtliche Gründe haben. Vor der Wende herrschte in der DDR, Impfzwang. Bis zu ihrem 18. Geburtstag erhielten Kinder 17 Pflichtimpfungen, darunter auch eine gegen Masern. Impfteams kamen sogar in die Schulen und Krippen. Heutige "Ost-Eltern" sind also selbst umfassend geimpft, und sie halten es ganz offensichtlich für selbstverständlich, auch ihre Kinder impfen zu lassen. Von so genannten Masernpartys, bei denen Kinder absichtlich mit infizierten Kindern zusammengebracht werden, hat man im Osten auch noch nichts gehört. In westlichen Bundesländern ist die Zahl der Impfgegner in den vergangenen Jahren dagegen deutlich gestiegen. Und von denen sind inzwischen offenbar auch viele nach Prenzlauer Berg gezogen.

Ein Erfahrungsbericht

Dazu noch ein kurzer eigener Erfahrungsbericht: Das Erste, was mir meine Hebamme in Prenzlauer Berg vor Jahren bei ihrem ersten Hausbesuch in die Hand drückte, war ein Zettel mit der Aufschrift: „Impfen ist Körperverletzung“. Ich fand das eigenartig, hatte angesichts der Tatsache, gleich mit zwei Babys gesegnet zu sein, allerdings zunächst gar keine Zeit, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Unsere Kinderärztin, die sich -  natürlich - der alternativen Medizin verschrieben hatte, war ebenfalls „Impfkritikerin“. Als die ersten wichtigen Impfungen dann tatsächlich anstanden, waren wir aber bereits nach Niederschönhausen umgezogen, und die Ärztin dort vertrat eher die klassische Schulmedizin. „Sie wollen doch nicht mit zwei schwer kranken Kleinkindern zu Hause sitzen, oder?“ sagte sie knapp und riet zum „Durchimpfen“. Angesichts unserer ersten Brechdurchfall-Erfahrungen zögerten wir nicht lange. Unsere Freunde im Prenzlauer Berg mussten es ja nicht erfahren.

Der Trend zieht nach Norden

Inzwischen hat sich die Schulmedizinerin in Niederschönhausen allerdings Verstärkung gesucht und sich eine "alternative" Partnerin in die Praxis geholt Angesichts der Wanderungsbewegungen im Bezirk ist das wohl keine Überraschung.

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