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Vattenfall-Vorstand Gunther Müller (l.) und Bauleiter Rigo Seiche vor dem Blockheizkraftwerk in der Stubnitzstraße 27.

© Ulrike Scheffer

Kiezspaziergang mit Vattenfall-Vorstand Müller: Energielabor Pankow

Nirgendwo sonst leben so viele umweltbewusste Bürger, die sich ihre Haltung auch etwas kosten lassen. Deshalb könnte Pankow Vorreiter für eine lokale Energiewende werden.

Im Florakiez lässt es sich herrlich flanieren. Erst recht bei spätsommerlichem Sonnenschein. Da kommt auch der Vattenfall-Vorstand des Geschäftsbereichs Wärme, Gunther Müller, gern mal persönlich vorbei, um neue Energieprojekte seines Konzerns vorzustellen. Bei einem Spaziergang zwischen Stubnitz- und Görschstraße will er zeigen, dass der Energieriese Vattenfall auch lokal denkt und die Energiewende durchaus bis auf diese Ebene „herunterzoomt“, wie Müller sagt. Dass solche Projekte und Aktionen das nicht eben sympathische Image des Konzerns verbessern können, ist sicher auch ein Grund für den Ausflug Müllers nach Pankow. Ausgerüstet mit einem gelben Helm, auf dem sein Name steht, lässt er sich vor einem Neubau in der Stubnitzstraße 27 absetzen. Den dunklen Büroanzug mit der leuchtend blauen Krawatte er angelassen.

Die Stubnitzstraße 27 ist ein typisches Bauprojekt in Pankow: Eigentumswohnungen für die gehobene Mittelschicht.
Die Stubnitzstraße 27 ist ein typisches Bauprojekt in Pankow: Eigentumswohnungen für die gehobene Mittelschicht.

© Ulrike Scheffer

Bauleiter Rigo Seiche erwartet Müller schon. Das Haus, in dem 25 Eigentumswohnungen entstehen, schließt eine Lücke zwischen zwei Altbauten. Ende September sollen die ersten Wohnungen bezogen werden. Das Gebäude wirkt hochwertig, die Ausstattung auch. Ein typisches Neubauprojekt in Pankow eben. Wer hierher zieht, gehört meist zur gehobenen Mittelschicht, Familien und Paare mit gutem Einkommen und gewissen Ansprüchen - auch beim Thema Energie. „Das sind Menschen, die ökologisch denken und bereit sind, dafür auch finanziell etwas zu investieren“, sagt Gunther Müller. Und genau deshalb ist Pankow für Vattenfall ein ideales Labor für die lokale Energiewende, wie der Manager bestätigt. Berlin hat sich immerhin zum Ziel gesetzt, bis 2050 zu einer klimaneutralen Stadt zu werden. "Das ist auch für uns eine große Herausforderung. Bis 2020 wollen wir unsere CO2-Emissionen halbieren."

Ein eigenes Kraftwerk

Für Müller ist die Energiewende vor allem eine Wärmewende, wie er sagt. "Hier liegt das größte Potenzial, denn Wärmeenergie macht den größten Teil der in Deutschland verbrauchten Energie aus." Kraft-Wärme-Kopplung spielt dabei eine große Rolle, im Großen wie im Kleinen. Vor allem auf lokaler Ebene. Auch der private Bauherr in der Stubnitzstraße setzt auf diese Technologie. Im Keller des Hauses steht ein kleines Blockheizkraftwerk, das Strom produziert und die dabei entstehende Wärme ans Heizungssystem abgibt. Der Block, der im Innern wie ein Verbrennungsmotor aussieht, was er im Grunde auch ist, ist kaum größer als eine Gefriertruhe und verbraucht vergleichsweise wenig Energie - Erdgas in diesem Fall. Die Ökobilanz ist entsprechend gut: Eine Gastherme hängt zwar auch an der Wand, doch sie wird nur aktiviert, wenn das kleine Kraftwerk mal nicht ausreichen sollte. Den Strom, der hier im Keller gewonnen wird, wird die Hausgemeinschaft allerdings nicht selbst nutzen, sondern ins Netz einspeisen. „Der planerische Aufwand wäre hoch und mit höheren Kosten verbunden, deshalb hat man sich hier wohl für diesen Weg entschieden“, erklärt der Vattenfall-Vorstand. Die ökologische Investitionsbereitschaft zumindest dieser Hausgemeinschaft von Neupankowern hat also auch Grenzen.

Früher Heizhaus, heute Blockheizkraftwerk für 50 Gebäude im Florakiez.
Früher Heizhaus, heute Blockheizkraftwerk für 50 Gebäude im Florakiez.

© Ulrike Scheffer

Generell sind kleine Blockheizkraftwerke wie das in der Stubnitzstraße im Zuge der Energiewende stark im Kommen. Auch als Alternative zu Solaranlagen. Deshalb hat wohl auch Vattenfall hier einen Markt für sich entdeckt. „Dezentrale Lösungen boomen in Berlin“, sagt Müller. Die Konkurrenz sei allerdings groß, allein in Berlin gebe es rund 20 Anbieter, erläutert er auf dem Weg von der Stubnitz- zur Görschstraße. Dort, an der Ecke zur Florastraße, steht ein weiteres Vorzeigeprojekt seines Konzerns - ein 110 Jahre altes Heizhaus. In dem denkmalgeschützten Gebäude mit dem weithin sichtbaren Schornstein waren früher Dampfkessel untergebracht. Sie wurden ursprünglich mit Braunkohle, nach der Wende dann mit Gas befeuert. Beides verursachte relativ hohe Co2-Emissionen. Heute stehen hier zwei gasbetriebene Blockheizkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 5,1 Megawatt. Eines wurde gerade erst für 700.000 Euro erneuert und geht Anfang September in Betrieb. Insgesamt können dann rund 1500 sogenannte Wohneinheiten versorgt werden, von denen jede etwa der Fläche einer 75-Quadratmeter-Wohnung entspricht. Der im Kraft-Wärme-Kopplungsprozess erzeugte Strom wird auch hier in das Stromnetz eingespeist.

Die Floragärten gehören zu den Gebäuden, die über die Anlage in der Görschstraße versorgt werden.
Die Floragärten gehören zu den Gebäuden, die über die Anlage in der Görschstraße versorgt werden.

© Ulrike Scheffer

Noch wird das Potenzial allerdings nicht ausgeschöpft. "Es gibt noch Luft nach oben", sagt Gunther Müller. 50 Gebäude werden bisher über die Anlage in der Görschstraße geheizt, darunter das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium gleich hinter dem alten Heizhaus und auch das Pankower Rathaus. Auch das Neubau-Areal in den Floragärten ist angeschlossen. Die Häuser haben im Keller eine sogenannte Übergabestation, die relativ wenig Platz in Anspruch nimmt, wie sich bei einem Abstecher dorthin zeigt. Weil keine Verbrennung im Haus selbst stattfindet, benötigen die Gebäude auch keinen Schornstein. "Außerdem ist die Anlage fernüberwacht, bei einer Störung können wir sofort eingreifen", wirbt der Vattenfall-Vorstand zum Ende des Rundgangs. Er sucht schließlich noch Kunden. Zurück ins Büro will er nun noch nicht. Er werde den Florakiez noch ein wenig erkunden und vielleicht in einem der Straßencafés zu Mittag essen, sagt er zum Abschied. Offenbar hat sich auch bei Vattenfall herumgesprochen, dass die Gegend hier sehr angesagt ist.

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