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Wo früher die Piraten saßen, hat jetzt die AfD ihren Platz.

© Ulrike Scheffer

Pankow nach der Wahl: Ein neuer Bürgermeister und nur zwei Stadträte

Streit, Intrigen und die AfD. Die konstituierende Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung in Pankow verlief am Donnerstag turbulent.

In Pankow sind am Donnerstagabend beide Kandidaten der AfD für Ämter im Bezirk durchgefallen. Die Partei scheiterte sowohl mit ihrem Vorschlag für einen Beisitzer im Vorstand der Bezirksverordnetenvsammlung (BVV) als auch mit ihrem Stadtratskandidaten. Für den Posten im Bezirksamt hatte die AfD den Unternehmensberater Nicolas Seifert vorgeschlagen, der erst kürzlich der Partei beigetreten ist. Weil er erst am Mittwoch aus dem Urlaub zurückgekehrt war, hatte er sich nicht mehr in den BVV-Fraktionen vorstellen können. Doch auch die CDU wird zunächst nicht im neuen Bezirksamt vertreten sein. Sie beantragte überraschenderweise, die Wahl ihres Stadtrates zu verschieben.

Pankows neuer Bürgermeister Sören Benn
Pankows neuer Bürgermeister Sören Benn

© promo

Zum neuen Bezirksbürgermeister wurde erwartungsgemäß Sören Benn von der Linkspartei gewählt. Er folgt auf Matthias Köhne (SPD), der nicht mehr zur Wahl angetreten war. Die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft zeigte in der konstituierenden Sitzung der BVV allerdings schon erste Risse. Der neue BVV-Vorsteher, Michael van der Meer, ebenfalls Linkspartei, erhielt offenbar kaum Stimmen aus der SPD. Bei den Sozialdemokraten hatte es Widerstand gegen ihn gegeben, weil er während seines Wehrdienstes in der DDR eine Verpflichtungserklärung zur Mitarbeit bei der Staatssicherheit unterschrieben hatte. Allerdings haben mehrere BVV-Kommissionen in der Vergangenheit seine Verstrickung als unerheblich eingestuft. Als Stadträte gewählt wurden Jens-Holger Kirchner (Grüne) und Rona Tietje (SPD). Kirchner bleibt für die Stadtentwicklung zuständig und übernimmt außerdem die Bürgerdienste. Tietje wird sich um Soziales, Jugend und Wirtschaft kümmern

Für die Wahl der Stadträte von AfD und CDU wird es einen neuen Anlauf in der nächsten BVV geben. Bis dahin müssen die bereits gewählten Bezirksamtsmitglieder deren Ämter mitübernehmen. Der künftige AfD-Stadtrat soll das Umwelt- und das Ordnungsamt verwalten. Die CDU, die bisher den Verbraucherschutz, Umwelt, Kultur und Bürgerdienste betreute, soll künftig für Schulen, Sport und Gesundheit zuständig sein. Als Stadtrat der Partei galt der Torsten Kühne als gesetzt. Er gehörte dem Bezirksamt schon in den vergangenen Jahren an und war Spitzenkandidat seiner Partei auf Bezirksebene. Hinter den Kulissen rumort es aber offenbar bei der CDU. Erst kurz vor der Sitzung am Donnerstagabend reichte sie ihren Wahlvorschlag für das Bezirksamt ein - Torsten Kühne -, um ihn dann während der Sitzung wieder zurückzuziehen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Johannes Kraft, hatte zuvor Gerüchte zurückgewiesen, er wolle selbst Stadtrat werden. "Ich habe immer klar gemacht, dass ich derzeit keine Ambitionen habe, ins Bezirksamt zu gehen", sagte er dem Tagesspiegel. Der Grund für das Hickhack bleibt so zunächst unklar. Für Kühne ist das Vorgehen seiner Parteikollegen bitter. Er wird am Freitag als Stadtrat entlassen und ist damit faktisch wohl erst einmal arbeitslos.

AfD-Kandidat entschuldigt sich

Der Stadtratskandidat der AfD, Nicolas Seifert, hatte wohl ohnehin nicht damit gerechnet, aus dem Stand gewählt zu werden. Anders als die Kandidaten der anderen Parteien hatte er sich nicht vorab in den Fraktionen der BVV vorgestellt, weil er erst am Mittwoch aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Einen Unbekannten, noch dazu von der AfD, wollten die Verordneten aber nicht wählen. Seifert entschuldigte sich am Donnerstag für die "missliche Situation".

Nikolas Seifert soll für die AfD ins Bezirksamt.
Nikolas Seifert soll für die AfD ins Bezirksamt.

© Ulrike Scheffer

Der 42-jährige Unternehmensberater und Wirtschaftsingenieur für Bauwesen warb aber auch für sich. Er sein ein erfahrener Projektplaner und traue sich zu, sich innerhalb von sechs bis acht Wochen in ein neues Aufgabengebiet einzuarbeiten. Außerdem bekannte er sich dazu, als Stadtrat Beschlüsse der BVV umzusetzen. Überraschendes Detail aus seiner Biografie: Seifert war früher einmal kurzzeitig in der CDU. AfD-Sprecher Ronald Gläser, der im Zuschauerraum saß, räumte ein, dass die späte Nominierung Seiferts und die verpasste Vorstellungsrunde "unglücklich" waren. Seine Partei setze weiter auf eine konstruktive Zusammenarbeit in der BVV und im Bezirksamt, sagte er dem Tagesspiegel.

Erste inhaltliche Differenzen mit den anderen Parteien wurden am Donnerstag aber auch schon deutlich. Eine Resolution, in der sich die Verordneten für Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Toleranz aussprechen und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, wollte die AfD nicht mittragen. Ihre Begründung: Der Text, der auch Bezug auf Verbrechen der Nationalsozialisten nimmt, sei “Ausdruck einer geschichtspolitisch aufgeladenen Ideologie”. Die AfD wolle sich “einer solch aufgeladenen Tonlage nicht bedienen”. Alle anderen Fraktionen stimmten für die Resolution.

Erste Krise der Zählgemeinschaft

Die Zählgemeinschaft aus Linkspartei, SPD und Grünen hatte aber auch bereits ihren ersten Krach. In der vergangenen Woche hatten sich die drei Parteien auf Michael von der Meer (Linke) als Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung geeinigt. Doch wegen seiner DDR-Vergangenheit wollte die SPD van der Meer dann doch nicht unterstützen - er hatte während seines Wehrdienstes eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Van der Meer wunderte sich: „Meine Vergangenheit ist seit Langem bekannt. Ich bin nicht stolz darauf, habe meine Biografie aber auch nie verschleiert.“ Er habe sich nie auf jemanden ansetzen lassen und nach dem Wehrdienst nie wieder etwas mit der Stasi zu tun gehabt. „Ich war Anfang 20 und naiv, kann das aber leider nicht rückgängig machen." Bei den Grünen gab es keine Vorbehalte. Gewählt wurde van der Meer am Ende knapp mit 29 von 54 Stimmen - offenbar vor allem mit den Stimmen von der Linkspartei und den Grünen. Dort ärgert man sich nun über die SPD – und zweifelt an ihrer Verlässlichkeit, wie es aus beiden Parteien hieß.

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