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Schloss Brüningslinden.

© Imago

Berlin-Spandau: Die Geschichte der Kladower Ausflugslokale

Lust auf eine Zeitreise? Einst stand in Kladow Schloss Brüningslinden, das Schweizerhaus, der Jäger-Pavillon. Aus dem Tagesspiegel-Archiv.

Lust auf ein bisschen Ferienlektüre? Wir haben mal wieder im Tagesspiegel-Archiv nach alten Spandauer Geschichten gesucht für die Leserinnen und Leser des Spandau-Newsletters vom Tagesspiegel (Leseprobe hier; Bestellung: www.tagesspiegel.de/leute).

Neulich waren wir auf den Spuren der Tour de France 1987, die von Siemensstadt einmal quer durch Spandau führte; heute haben wir ein bisschen Lektüre zur Vergangenheit der Kladower Ausflugslokale.

Der Ortsteil war schon immer abgeschieden, vor allem zu Mauerzeiten. Im Süden: DDR-Grenze. Im Westen: DDR-Grenze. Im Osten: die Havel. Im Norden: die Rieselfelder.

Berühmt war vor allem Schloss Brüningslinden, hinten an der Kaserne Hottengrund, wo heute der X34 (Bahnhof Zoo-Kladow) endet.

Hier endet heute wieder der X34 zum Bahnhof Zoo

Schloss Brüningslinden an der Sakrower Landstraße war ein 1912 entstandener Herrensitz des Rathenower Husarenmajors Rüdiger von Brüning. Der Kaiser hielt Empfänge dort ab. 1931 fand die deutsch-französische Regierungskonferenz im Hause statt. Seit 1935 war das "Schloß", wie es später hieß, Ausflugslokal, bis zum Schluss im Eigentum der Weinhandlung Gruban & Souchay. 1972 wurde es trotz zahlreicher Proteste abgerissen. Daneben gab es den so genannten Märchenwald.

Unsere Slideshow: Hier erkennen Sie die Gegend im Vorher-Nachher-Vergleich

Im Juli 1972 schrieben wir im Tagesspiegel: "Schloss vom Abriss bedroht" - "Das Schloss Brüningslinden, äußerstes südwestliches Ausflugsziel der Berliner an der Sakrower Landstraße in Kladow, soll verkauft und möglicherweise im nächsten Jahr abgerissen werden."

Steinwand am Havelufer wurde verhindert

Es gebe mehrere Interessenten, von denen nicht jeder bauen durften. So hatte laut Tagesspiegel ein Interessent den Plan, "an der Havelböschung einen Terrassenbau zu errichten und dabei das Schloß und den Märchenwald einzubeziehen. Dies sei von Senatsbaudirektor Müller abgelehnt worden, weil in diesem Landschaftsstreifen nicht eine solche Steinwand entstehen solle."

Das Schloss war berühmt, aber nicht gut besucht. "Der Märchenwald mit rund 100.000 Besuchern 1967, und 40 000 im vergangenen Jahr, wurde ohne Defizit unterhalten", hieß es im Sommer 1972 im Tagesspiegel. "Doch die Restauration, jetzt wieder als Cafe in eigener Regie betrieben, habe sich bei nur rund 2000 Besuchern pro Jahr nicht rentiert, betont der alleinige Gesellschafter der Märchenwald GmbH. Auch diese Saison habe im Märchenwald gut begonnen, in der Restauration dagegen seien Rückgänge zu verzeichnen, auch wenn sich das Cafe endlich "selbst ernähre". Bei rund 100.000 Mark Einnahmen für den Märchenwald beliefen sich die Personalkosten auf rund 60.000 Mark."

"Als Wandergebiet ist Kladow ungeeignet wegen der DDR-Grenze"

Interessant auch die Beschreibung der Örtlichkeiten: Havel, DDR-Mauer und gegenüber das gewaltige britische Kasernengelände. "Als Wandergebiet sei die Gegend wegen der Grenznähe nicht sehr beliebt, denn mangels ausreichenden Fahrgastaufkommens hat auch die BVG jetzt ihre Sonderlinie ab Zoo eingestellt."

Der Protest vieler Bürger war vergeblich - im Oktober 1972 hieß es: "Das Schloß Brüningslinden wird nun abgerissen." Die Gagfah will auf dem von ihr erworbenen Gelände Eigentumswohnungen und Eigenheime bauen. "Der Märchenwald im Garten des Schlosses wird den Berlinern noch bis zum Ablauf des jetzigen Pachtvertrages nach der Saison 1974 erhalten bleiben."

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Noch ein Lokal verschwindet: Schweizerhaus

Das alte Gartenlokal "Schweizerhaus" war noch so eine kleine Berühmthei im Süden. Im April 1980 sollte es 20 Eigenheimbauten weichen - damals berichteten wir wieder im Tagesspiegel.

"Kein Anschluß unter dieser Nummer : Das Ausflüglerlokal Schweizerhaus in Kladow, Ritterfelddamm 91 bis 99, steht seit Monaten leer. Hier gilt, was in Kladow, j.w.d., jenseits der Havel (von Berlin aus gesehen) seit langem gilt: Abriß zugunsten von Eigenheimen im Grünen." So beginnt Tagesspiegel-Autor Ekkehard Schwerk (Kürzel -erk) seinen Text aus Kladow im April 1980.

Café Seeblick am Breitehorn. Die Postkarte soll aus den 30ern stammen. Hier steht immer noch ein Lokal.
Café Seeblick am Breitehorn. Die Postkarte soll aus den 30ern stammen. Hier steht immer noch ein Lokal.

© Imago

Auch hier, wie schon in Brüningslinden kaufte die Gagfah (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten) Gartenlokal und Garten und wird Häuschen mit' Gärtchen bauen: 20 Einfamilienhäuser, öffentlich gefördert, steuerbegünstigt, Baubeginn im Spätherbst. Die Gagfah hat das Schweizerhaus im Februar gekauft, da stand das in Kladow sehr beliebte Haus mit gutem Mittagstisch, mit gutem Kuchen und Verkauf auch "übern Damm" ein paar Monate leer.

"Guter Kuchen im Schweizerhof"

Es sei, sagt der Käufer, "runtergewirtschaftet" gewesen, nicht mehr rentabel. Fragt man aber die Kladower Nachbarn, so ist ohne Unterschied zu hören: wäre immer proppenvoll gewesen, immer gut besucht. Der Verlust des beliebten Gartenlokals wird allenthalben sehr beklagt. Aber das sei wohl in Kladow der Lauf der Dinge. Das stimmt. Schloß Brüningslinden war der spektakulärste Beginn dieser "Tradition".

In Gatow wurde Haus Carow abgerissen

Das Haus Carow in Gatow wich ebenfalls teuren Eigenheimen - es befand sich in der Straße Alt-Gatow 57/59; 1955 übernahm laut Bezirksamt der Komiker Erich Carow mit seinem Kabarett “Carows Lachbühne” das Lokal, baute eine neue Gartenhalle und nannte es nun “Haus Carow am See”.

Postkarte aus den 20ern. Blick auf den Kladower Hafen. Das markante Haus oben am Hang steht noch.
Postkarte aus den 20ern. Blick auf den Kladower Hafen. Das markante Haus oben am Hang steht noch.

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Schwerk schrieb im Tagesspiegel weiter: "Abgerissen wurde auch der Jäger-Pavillon in der Ortsteilmitte, ein Gartenrestaurant gegenüber dem alten Gutshof Glienicke' am Ende des Ritterfelddammes musste Eigenheim-Bauten weichen und nun auch das Schweizerhaus. Kladow verliert gastronomische Stützpunkte nach und nach, Verabredungspunkte für Ausflügler, verliert damit berlinisch-ländliche Merkmale. Im Rathaus Spandau wird dergleichen bedauert, doch kann man verwaltungsmäßig gegen diese Entwicklung nichts unternehmen. Was das Schweizerhaus betrifft, so liegen im Amte Bauanträge noch nicht vor, auch ein Abrißantrag nicht. Aber selbst wenn diese Anträge eingereicht werden, was in Kürze zu erwarten ist, muß die Behörde sie positiv bescheiden. So ist die Lage. Ein Kladower stellt mit Bitterkeit fest: "Was wollen Sie, wir haben doch ein erstklassiges Etablissement mit allen Schikanen - nur eben nicht für jedermann, nur für einen exklusiven Kreis, die Stadtreinigung." Sie siedelt bekanntlich an schönstem Havelstrand mit einem .Freizeitzentrum".

Im April 1988 berichteten wir im Tagesspiegel, dass auch das Seglerheim unten am Hafen Kladow abgerissen werden sollte - es steht noch immer.

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