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Das muss auf die Seite 1. Ein kurioser Abend in Spandau - Putin mit Holzschwert in der Zitadelle Spandau.

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Berlin-Spandau: "Putin rief 'Prost' und wurde zum Ritter geschlagen"

Ein Abend fürs Leben: Als Wladimir Putin in der Zitadelle speiste, tanzte - und unser Reporter daneben saß. Lesen Sie hier den Bericht von damals (aber nicht lachen!)

Ein herrliches Fundstück aus dem Tagesspiegel-Altarchiv ist uns da in die Hände gefallen, gerade noch rechtzeitig zum Jahrestag. Denn jener 14. Juni 2000 war ein ganz besonderer für Spandau - und für Wladimir Putin.

Der war als russischer Präsident beruflich in Berlin, wohnte gemeinsam mit seiner Frau Ludmila im "Palace Hotel". Putin sprach mit Präsident Rau, besuchte das Ehrenmal in Treptow, hielt einen Vortrag vor Firmenchefs im Haus der Wirtschaft und aß abends im Dahlemer Haus bei der Familie Schröder.

Vier Berliner saßen im Restaurant

Am Abend zuvor war Putin zu Gast in der Zitadelle in Spandau, wo gerade vier (!) Berliner - darunter Tagesspiegel-Reporter Rainer W. During - ihr Abendessen in "Zitadellen-Schänke" zu sich nahmen und einigermaßen verblüfft guckten, als Putin ins Lokal kam. Aber lesen Sie selbst den Tagesspiegel-Bericht vom 16. Juni 2000 von Rainer W. During in Auszügen von damals.

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Die Tagesspiegel-Titelseite am 16. Juni 2000. Reporter Rainer W. During war mit der Kamera in der Zitadelle dabei, als Putin mit Halbnackten tanzte und sich zum Ritter schlagen ließ.
Die Tagesspiegel-Titelseite am 16. Juni 2000. Reporter Rainer W. During war mit der Kamera in der Zitadelle dabei, als Putin mit Halbnackten tanzte und sich zum Ritter schlagen ließ.

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"Der Berlin-Besuch hatte romantisch begonnen - unter den Augen eines Tagesspiegel-Mitarbeiters. Vermutlich hätte in der Zitadellen-Schänke kaum jemand den Gästen besondere Beachtung geschenkt, die gegen 22 Uhr eintrafen, wären da nicht die zahlreichen betont unauffälligen Herren und Damen mit dem auffälligen Knopf im Ohr gewesen.

Der Präsident trug schwarze Jeans, graues Polohemd

Wladimir Putin in schwarzen Jeans und grauem Polohemd, Ehefrau Ludmila in ärmelloser, beigefarbener Bluse und passender Hose. Das russische Präsidentenpaar nahm ganz allein an einer Tafel in der hintersten Ecke des Kaminzimmers Platz, während die rund zwei Dutzend Begleiter und Sicherheitsbeamten an vier Nachbartischen platziert wurden. Wie es heißt, wollten die Putins trotz des Begleittrosses einen Abend zu zweit verbringen.

Zitadellenwirt Werner Niklefski hatte erst wenige Stunden zuvor erfahren, welch prominenter Besuch ihm ins Haus steht. BKA-Beamte inspizierten in kurzen Abständen die Räume, schon Stunden vorher war die Zitadellen-Zufahrt von Polizisten bewacht. Nur wer die Schänke als Ziel nannte, durfte passieren.

Das Restaurant sollte offen bleiben

Das Restaurant sollte auf ausdrücklichem Wunsch der Russen für das normale Publikum geöffnet bleiben. Doch nur vier Gäste hielten sich zu fortgerückter Stunde in dem historischen Gewölbe auf, in dem Dutzende von Kerzen brennen und eine Hexe unter der Decke schwebt.

Zitadellenbarde Michael Thilo stimmte zur Begrüßung ein russisches Lied an, bevor er zum klassischen Repertoire wie dem "Heideröslein" zurückkehrte.

Die Hexe kam dem Staatsgast zu nah

Serviert wurde das reguläre, "Liebesmahl aus der Küche der Alchemisten" genannte Abendmenü mit orientalischer Vorspeise, Suppe und Rosmarien gebeizter Kalbskeule. Putin trank dazu ein Bier und rief "Prost" in den Raum. Später probierte der Präsident auch Met aus dem Horn, dazu gab es Dudelsackmusik und den Auftritt einer Fackeltänzerin. Wladimir Putin ließ das Spektakel mit dezentem Lächeln über sich ergehen. Nur als sich eine dreiste Hexe zu nah an die Staatsgäste wagte, verscheuchte sie ein eilig hinzuspringender Sicherheitsbeamter.

Nach dem Essen leerte Putin brav den gereichten Bierkrug. Die übliche Prüfung für den anschließenden Ritterschlag, zu dem der erste Mann Russlands artig in die Knie ging. Keiner der Bodyguards zuckte, als sich das riesige Holzschwert auf die Schulter des Präsidenten senkte.

Putin gab dem Personal 100 US-Dollar

Anschließend tanzten Wladimir, der sich jetzt "Ritter von Spandau" nennen darf, und seine Ludmila mit den Tänzerinnen. Zum Abschied drückte der perfekt Deutsch sprechende Gast dem stellvertretenden Oberkellner Hubert 100 Dollar für das Personal in die Hand.

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Einige Jahre später erinnerte sich Rainer W. During daran, wie es zu dem absurden Abend gekommen ist. Der Zufall hatte ihm geholfen ("Ich sah vormittags einen Polizeitaucher im Festungsgraben"). Und auch an die Stunden danach kann er sich erinnern: "Als am nächsten Abend der Tagesspiegel mit den Exklusivbildern des Ritterschlags ausgeliefert wird, beginnen die Telefone zu schrillen. In den Redaktionen der Boulevardpresse herrscht Ausnahmezustand." Mehr lesen Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.

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