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Aylin Kurt wechselte die Partei.

© privat

Erneuter Parteiwechsel in der BVV Spandau: Von der CDU zur SPD

Die Bezirksverordnete Aylin Kurt wechselte die Seiten, um ihre Vorstellungen von Integrationspolitik zu verwirklichen.

Erneut ist ein Mitglied der CDU-Fraktion der Bezirksverordnetensammlung in Spandau zur SPD gewechselt. Aylin Kurt (23) hatte ihr Mandat erst vor zwei Monaten als Nachrückerin erhalten. Durch den Fraktionswechsel ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Spandauer Rathaus. SPD, Grüne und Linkspartei verfügen hier jetzt mit 28 Sitzen über eine knappe Mehrheit von einer Stimme. Die SPD erhält somit in jedem Ausschuss einen zusätzlichen Sitz, den die AfD abgeben muss, so Fraktionschef Christian Haß.

Einst "Prototyp" für den neuen Kurs der CDU

Aylin Kurt, deren Großeltern als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen, war vor fünf Jahren in die CDU eingetreten. 2014 war sie von Generalsekretär Peter Tauber in CDU-TV noch als Musterbeispiel für die Verjüngung der Partei präsentiert worden. Sie stehe für das was die Christdemokraten auch und weiterhin ausmachen müsse, hieß es damals. Die Partei wolle künftig verstärkt junge Leute, Frauen und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte erreichen, für diese Zielgruppe sei sie ein „Prototyp“. Es gelte auch, von den älteren Parteimitgliedern zu lernen, hatte Kurt damals erklärt. „Hand in Hand schafft man gemeinsam alles“. Mit 95 Prozent der Stimmen war sie da gerade als Besitzerin in den Spandauer Parteivorstand gewählt worden.

"Bildung ist der Schlüssel zur Integration"

Aylin Kurt hat kürzlich ihre Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement beendet und engagiert sich im deutsch-arabischen Freundschaftsverein. In Spandau gehörte die Hakenfelderin dem von Baustadtrat Frank Bewig geleiteten Ortsverband Klosterfelde an. Bei den Christdemokraten habe sie ihre integrationspolitischen Vorstellungen nicht durchsetzen können, sagt sie heute. „Die CDU Spandau ist sehr konservativ, eine Verschiebung nach links war nicht möglich. Die integrationspolitische Ausrichtung der SPD entspricht eher meinen politischen Ansichten.“ Künftig will sie sich aber auch in der Jugend- und Bildungspolitik engagieren. „Bildung ist der Schlüssel zur Integration." Fotografieren lassen wollte sich Aylin Kurt am Freitag, als sie den Übertritt gemeinsam mit Christian Haß und dem SPD-Kreisvorsitzenden Raed Saleh bekanntgab, nicht. Der Parteiwechsel solle keine Inszenierung darstellen, lautete ihre Begründung. Sie werde eine wichtige Rolle in der Fraktion spielen und Maßstäbe bei der Integration setzen, so Haß.

CDU: rot-rot-grüne Mehrheit durch Abwerbung verschafft

Kurt habe weder Gründe für ihren Austritt genannt noch in der Vergangenheit Unzufriedenheit mit der politischen Ausrichtung der Partei geäußert, sagte der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Heiko Melzer. „Der Start in die inhaltliche BVV-Arbeit wäre notwendiger gewesen als gleich Gespräche über Partei- und Fraktionswechsel aufzunehmen.“ Die fehlende rot-rot-grüne Mehrheit durch abwerben von Bezirksverordneten anderer Fraktionen nach der Wahl zusammenzubasteln zeige, auf welch tönernen Füßen Rot-Rot-Grün in Spandau stehe.

Nicht der erste Parteiwechsel im Rathaus Spandau

Bereits im Dezember 2014 waren die CDU-Bezirksverordneten Jochen Anders und Andreas Hehn überraschend zur SPD gewechselt. Zuvor hatten sie mit der AfD über die Bildung einer eigenen Fraktion verhandelt, die der Partei schon in der vergangenen Legislaturperiode zum ersten Einzug in eine Berliner Bezirksverordnetenversammlung verholfen hätte. SPD-Kreischef Raed Saleh, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, hatte den Parteiwechsel der beiden Polizeibeamten damals auf die Integrationspolitik der SPD zurückgeführt und die beiden Bezirksverordneten als Bereicherung für die BVV-Fraktion bezeichnet.

Ende 2015 war dann der den ehemalige Grünen-Verordnete Holger Gorski zur CDU gewechselt, wodurch die rot-grüne Zählgemeinschaft im Spandauer Rathaus ihre Mehrheit verlor. Gorski war zuvor von der Grünen-Fraktion gefeuert worden die ihm vorwarf, bei Posts bei Facebook „mit ganz rechten Seiten verlinkt“ zu haben. Der Bezirksverordnete hatte dagegen erklärt, er habe lediglich ein Interview des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer „zur Abschreckung“ gepostet und seine Meinung kundgetan, dass kriminelle Ausländer kein Asyl erhalten dürfen und strafrechtlich verfolgt werden müssten. In der aktuellen BVV ist Gorski nicht mehr vertreten. Ebenfalls 2015 hatte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Kessling erst die Fraktion und dann auch die Partei verlassen. Als Grund nannte er seine Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Sozialdemokraten. Er gehörte dann zu den Initiatoren der Wählerinitiative soziales Spandau (WIsS), die bei den jüngsten Wahlen vergeblich versuchte, in die BVV einzuziehen.

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