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Leerstand: Die Traglufthalle in der Spandauer Kaserne.

© Frank Bachner

Flüchtlingsunterkunft in Berlin: Das leere Zwei-Millionen-Euro-Raumschiff von Spandau

1600 Flüchtlinge leben in der Spandauer Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne. Mittendrin die neue Traglufthalle. Kosten: 2,2 Millionen. Unterhalt: 2000 Euro pro Monat. Darin lebende Leute: Null.

Wenn Bernd Albrecht aus seiner Halle schaut, sieht er Autos mit eingedrückter Motorhaube, kaputten Scheinwerfer und eingedellten Türen. Nicht schön, aber okay für ihn. Schließlich hat er in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau eine Autowerkstatt, er repariert oder schlachtet aus. Direkt hinter den Autos stehen aber wuchtige, milchig-weiße Gebilde, die im Sonnenlicht glänzen und aussehen wie riesige Raumschiffe. Und die sind nicht okay für den Mechaniker Albrecht, der eigentlich anders heißt. „Da wohnt kein Mensch drin, das ist Geldverschwendung“, sagt er verächtlich.

Drei Traglufthallen stehen in der Kaserne, zwischen den Werkstätten und den roten Backsteingebäuden, in denen ein großer Teil der fast 1600 Flüchtlinge wohnen, die in der Kaserne untergebracht sind. Wenn zusätzlich, irgendwann mal, 500 Flüchtlinge in den Komplex kommen sollten, werden sie in zwei der Hallen untergebracht. Die dritte dient als Versorgungshalle. Nur: Es kommen derzeit keine weiteren Flüchtlinge, vielleicht monatelang nicht. Und bis dahin stehen die riesigen mobilen Gebäude leer. Ihre Anschaffung und ihr Bau kosteten 2,2 Millionen Euro – die Kosten für Brennstoff, Wartung und anderes belaufen sich auf monatlich 2000 Euro.

Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge noch kommen

Der Bau der Hallen begann Anfang des Jahres, aber erst vor kurzem wurden sie der Prisod übergeben. Die Prisod ist Betreiber der Notunterkunft Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne. „Allerdings sind wir quasi nur kommissarischer Betreiber der Hallen“, sagt Susan Hermenau, die Sprecherin der Prisod. Ein offizieller Betreiber wird noch gesucht, über eine offizielle Ausschreibung.

„Wir bewachen sie und kümmern uns um sie soweit das möglich ist.“ Verantwortlich für die Hallen aber ist das Landesamt für Flüchtlingsfragen (LAF). Zuständig für Reparaturen ist wiederum die Berliner Immobilienmanagement GmbH, die die im Auftrag des LAF technische Unterstützung gewährleistet.

Die Hallen sind Teil einer Gesamtstrategie, und ihre Existenz macht grundsätzlich durchaus Sinn. Als ihr Bau Anfang 2016 beschlossen wurde, kamen täglich Hunderte Flüchtlinge nach Berlin. Niemand wusste, wie viele noch kommen würden, Notunterkünfte wurden dringend benötigt. Doch dann sanken im Sommer die Zahlen dramatisch, so dass jetzt genügend Alternativ-Unterkünfte zur Verfügung stehen.

Da aber niemand weiß, ob die Zahl der Flüchtlinge wieder steigt, vor allem im Winter, dienen die Hallen als Reserve. Dass sie monatelang leer stehen, wird in Kauf genommen. Es gibt noch weitere Traglufthallen in Berlin, zum Beispiel am Poststadion; diese wird von der Stadtmission betrieben. Auch sie wurde für Flüchtlinge errichtet.

Diversen Ärger haben die Hallen in Spandauer Kaserne bereits bereitet. Eigentlich sollten sie zu Beginn des Frühjahrs betriebsbereit sein. Aber dann verzögert sich der Bau. Nach Angaben von Regina Kneiding, die Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, weil „der Verbindungstakt von den Schlafräumen zur Versorgungshalle nachträglich eingebaut wurde“.

Chaos und Lärm

Seit Mai seien die Hallen „einsatzbereit“. Seit Mai? Susan Hermenau sagt: „Betriebsbereit ist eine Frage der Definition. Aus unserer Sicht ist sie seit einigen Tagen einsatzbereit. So jedenfalls, dass sie aus unserer Sicht menschenwürdig sind.“ Prisod habe dafür sorgt, dass die Einrichtung und Ausrüstung so gestaltet wurde, dass genügend Privatsphäre vorhanden sei.

Ein viel größeres Problem hatte dagegen Jessica Burnicki mit den Hallen, besser gesagt, mit einerMaschine direkt neben einer Halle. Jessica Burnicki betreibt mit ihrem Mann ein Autohaus direkt gegenüber der Kaserne, und an einem Samstag im August begann in der Kaserne um plötzlich ein höllischer Lärm. „Der begann um 11 Uhr. Da haben die ganzen Wände gebebt“, sagt Jessica Burnicki.

„Und zwar in der ganzen Nachbarschaft.“ Ein Kompressor hatte mit voller Lautstärke gearbeitet. Und verursacht hatte diesen Lärm, sagt Susan Hermenau, „menschliches Versagen“. Die Hallen müssten ständig aufgeblasen sein, damit sie stehen bleiben. „Bei einem Druckabfall beginnt deshalb der Kompressor zu arbeiten.“ Irgendjemand müsse die verschlossene Tür geöffnet haben.“ Und Schlüssel haben nur Wachschützer.

Der Kompressor dröhnte Stunde um Stunde, in der Nacht zum Sonntag war Jessica Burnicki so genervt, dass sie die Polizei rief. Doch die konnte auch nicht viel ausrichten. „Das Chaos wurde noch vergrößert, da kein Verantwortlicher am Wochenende in der Kaserne zu finden war“, sagt sie. Doch Prisod-Sprecherin Hermenau weist das zurück.

Alle in diesem Fall Zuständigen seien informiert gewesen und hätten sich um den dröhnenden Kompressor gekümmert. Nur, man habe die Fehlerquelle lange nicht finden und abstellen können. „Die Tücke lag im Detail.“ In der Erinnerung von Jessica Burnicki stoppte der Lärm erst am frühen Montagvormittag. Susan Hermenau konnte dazu keine detaillierten Angaben machen.Die genervte Geschäftsfrau Burnicki jedenfalls zog ihre eigenen Konsequenzen. Sie verklagte die Prisod wegen Körperverletzung.

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