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Barbara Basch vor ihrem Laden: Seit 30 Jahren verkauft sie Kinderkleidung aus zweiter Hand, seit 10 Jahren hier im Bimbö an der Clayallee

© Raack

30 Jahre Secondhand in Zehlendorf: Kleines Kind - große Idee

Sie war die erste ihrer Art: Barbara Basch verkauft seit 30 Jahren Markenkleidung aus zweiter Hand für Kinder in Zehlendorf. Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht - vielleicht auch deshalb, weil sie in gewisser Weise einer der letzten ihrer Art ist.

Fast kann einem schwindelig werden: Es ist bunt, sehr bunt - und alles dicht an dicht. Pralle Kleiderständer, Dreiräder, Autositze auf den Regalen und auf dem Boden. Ja, es ist voll hier, aber ordentlich. Und sauber. Kein Staubkorn, kein Geruch nach Mottenkugeln wie sonst oft in Secondhandläden. Fast möchte man selbst auf dem kleinen „Silberpfeil“-Tretauto ein paar Runden drehen oder sich hinter den Kaufmannsladen klemmen.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Barbara Basch kommt lächelnd auf eine Kundin zu. Ein festliches Sommerkleid sucht diese für ihre kleine Tochter. „Lassen Sie mal sehen, was wir da haben.“ Fachkundig fährt Barbara Baschs Hand zwischen die bunten Kleidchen in Größe 104. Und mit einem schnellen Seitenblick: „Ich sehe ja, worauf sie steht.“

Im Keller ihres Hauses fing alles an

Seit 30 Jahren verkauft sie Secondhandkleidung für Kinder. „Wir achten auf Sauberkeit und vor allem gute Qualität. Und klar, die Marke ist wichtig. Sonst kann man ja auch zu H&M gehen und gleich was Neues kaufen“, sagt Barbara Basch, und es klingt kein bisschen wertend. Aber schon stolz: „Wir haben eben nicht das, was man sonst kriegt. Aber man muss schon auch wirklich hinsehen. Wenn man Sachen ankauft, bekommt man ja oft nur Mist. Was da zum Teil dabei ist, das ist der letzte Rest vom Flohmarkt.“

Es fing damals ganz klein an, im Keller ihres Hauses an der Krummen Lanke. Frau Basch kam mit ihrem Mann und zwei Kindern Mitte der achtziger Jahre von einem längeren Italien-Aufenthalt zurück nach Deutschland. Und Frau Basch, studierte Gymnasiallehrerin, wollte wieder arbeiten, "wieder eine Beschäftigung haben." Da kam ihr über eine Bekannte in München die Idee für den Secondhandladen. "Die machte das in Grünwald, das ist ja ähnlich wie Zehlendorf ein sehr wohlhabender Randbezirk, und erklärte mir, wie es geht“, lächelt Frau Basch und zeigt einer schwangeren Kundin, wo der Stapel mit den Kurzarmbodies ist.

„Die Idee hat mich gleich begeistert, auch weil ich schon immer gern gehandelt habe: Schon als Kind habe ich ab und zu auf dem Markt für eine Tüte Kirschen ausgeholfen.“ Anscheinend die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt: "Damals gab es in Zehendorf ja nur Boutiquen. Man bekam schöne Sachen, aber alles unglaublich teuer. Ich erinnere mich zum Beispiel an Skianzüge für 800 DM. Günstiges in guter Qualität gab es eigentlich kaum“, erinnert sich Barbara Basch. „In Wannsee und am Kranoldplatz gab es zwar noch Flohmärkte, aber die Qualität war natürlich nicht sehr gut."

Die Kundin zeigt Markenschuhe ihres Sohnes - stille Zeugen im Hintergrund: die Teddysammlung von Frau Basch
Die Kundin zeigt Markenschuhe ihres Sohnes - stille Zeugen im Hintergrund: die Teddysammlung von Frau Basch

© Raack

Der berufliche Neuanfang war allerdings enttäuschend. „Alles war vorbereitet, ich hatte an Schulen und auf der Straße Visitenkarten ausgeteilt. Aber bei der Einweihung im Frühjahr 1985 saß ich ganz alleine zwischen all den vollen Kleiderständern und Kuchenblechen in meinem Keller.“ Sie vermutet, dass es auch an der etwas abgeschiedenen Lage ihres Hauses gelegen haben mag. „Man musste klingeln und außen herumlaufen, da musste mancher sicher eine gewisse Hemmschwelle überwinden.“ Und schließlich sei es gerade für Zehlendorf und für die damalige Zeit nichts Selbstverständliches gewesen, Sachen aus zweiter Hand zu kaufen.

Es gab viele Kunden, die nichts Teures kaufen wollten

„Man traute sich damals ja nicht mal mit einer Alditüte über die Straße. Doch allmählich lief es an, es gab so viele Kunden, die einfach nichts Teures kaufen wollten.“ Ihre Ware kaufte sie aus Angeboten in der Zweiten Hand. Aber dann kamen immer mehr Kunden mit ihrer Ware zu ihr. „Wir hatten die Marken, die jeder haben wollte. Das waren vor allem Oilily und Oshkosh, auch Benetton, das hieß ja damals noch O12. Und da lag dann zum Teil ein Warenwert von drei- bis viertausend Euro auf dem Tisch.“

Schnell wurde der Keller zu klein. Und so zog Barbara Basch in ihren ersten richtigen Laden in der Charlottenburger Straße. „Doch vor zehn Jahren wurde auch der zu klein, und ich habe durch Zufall hier die Räume entdeckt, die waren gerade zu vermieten. In der Charlottenburger befindet sich heute noch mein Damen-Secondhand. Dort habe ich auch schöne Sachen, aber mein Lieblingskind ist doch der Bimbo.“

Voll und bunt, aber ordentlich und sauber ist es bei Bimbö.
Voll und bunt, aber ordentlich und sauber ist es bei Bimbö.

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„Bimbo“ heißt auf italienisch "kleines Kind". Seit etwa einem Jahr haben Frau Basch und ihre Mitarbeiter zwei Umlautpunkte auf dem „o“ angebracht, Bimbö steht nun auf dem Ladenschild. „Mir war überhaupt nicht bewusst, dass manche Menschen uns wegen des Namens Bimbo einen rassistischen Hintergrund vorwerfen könnten. Aber das ist dann doch ab und zu passiert. Deshalb nun das „ö“. Obwohl unsere farbige Kunden der Name überhaupt nicht interessiert.“

Sogar aus dem Ausland kommen die Kunden ins Bimbo. Gerade ist eine schwangere Kundin mit Kleinkind an der Hand hereingekommen. Sie ist Schweizerin und kommt bei jedem Besuch immer extra zu Barbara Basch. „Meine Tochter zieht nämlich keine neuen Sachen an. Sie sagt, die stinken oder sind einfach zu steif und nicht kuschelig genug.“ Aber nicht nur wegen der Tochter kommt sie ins Bimbo: „Außerdem stöbere ich gerne und habe hier schon schöne Raritäten gefunden. Und ich mag den Gedanken des Nachhaltigen bei gebrauchter Kleidung. In der Schweiz gibt es so etwas nicht, schon eher in Süddeutschland, aber da findet man in den Secondhandläden auch fast nur H&M und C&A.“

Die Kunden sind dem Bimbo oft über Generationen treu, manche von ihnen wurden schon von ihren Eltern bei Barbara Basch eingekleidet, und nun kommen sie mit ihren eigenen Kindern vorbei. „Oder Jugendliche kommen her, die mich schon von Kindesbeinen an kennen und decken sich dann ein mit Hollister oder Abercrombie-Pullis. Auch Anzüge für die Konfirmation oder den Abiball gehen gut.“

Die angelieferte Ware nehmen Frau Basch und ihre Mitarbeiterin genau unter die Lupe
Die angelieferte Ware nehmen Frau Basch und ihre Mitarbeiterin genau unter die Lupe

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Geschäftssinn und karitativer Einsatz liegen im Bimbo ganz nah beisammen: „Was nicht verkauft wurde und von den Kunden nicht abgeholt wird, spenden wir. Zum Beispiel nach Syrien oder spontan, wenn eine Familie hier in Berlin was braucht. Oder eben an unsere Kinder in Vietnam.“ Barbara Basch weist auf ein Foto an der Pinwand hinter der Kasse. „Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Und ich denke, man muss einfach hinter dem stehen, was man macht“, erklärt sie.

„Die meisten Teile gefallen mir ja auch selbst. Es gibt manchmal auch Sachen, die ich selber gerne behalten würde, da tue ich mich schwer, die zu verkaufen“, lächelt Frau Basch. „Ich habe es nie bedauert, dass ich nicht mehr unterrichte. Es ist wirklich schön, die Kinder von Babygröße 56 zu begleiten über die Jugendzeit bis hin zur Größe 34 oder 36, wenn sie dann das erste Mal im Damen-Secondhand drüben in der Charlottenburger vorbeischauen.“ Und dann klingt sie doch ein wenig wehmütig: „Es gibt nicht mehr viele Läden hier, die von den Inhabern geführt werden. Dabei ist doch genau das, was Zehlendorf ausmacht.“

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter.

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