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Madame Nou hat sich fein gemacht zum Geburtstag. Im Hintergrund Gloria Riènzner.

© Katharina Fischer

Ältestes Pony Deutschlands gestorben: Madame Nou und die Ponyflüsterin

Gloria Riènzners Aufgabe war ehrenvoll: Sie betreute Madame Nou, ältestes Pony Deutschlands, seit vielen Jahren. Jetzt ist das Pferd mit über 50 Jahren gestorben. Als Nachruf bringt der Zehlendorf Blog an dieser Stelle ein Porträt aus dem Frühjahr 2013

Die Beziehung beruhte auf Respekt, Zuverlässigkeit und großer Zuneigung. Aber irgendwann kam eine ungeheure Vertrautheit hinzu. Und wenn Gloria Riènzner von diesem Moment erzählt, voller Enthusiasmus und Einfühlsamkeit, so als könne sie mit ihren 70 Jahren noch immer die Welt verändern, fühlt man sich in einen romantischen Hollywood-Film versetzt. Neben ihr spielt Madame Nou die zweite Hauptrolle, 50 Jahre alt, ein Pferd, das älteste Pony Deutschlands.

Der Moment, der alles noch intensiver machte in ihrer Partnerschaft, ist aber keine Fiktion. Gloria Riènzner betreut Madame Nou seit zehn Jahren für den Kinder-, Jugend-, Reit- und Fahrverein Zehlendorf (KJRF) auf dem Gelände an der Robert-von-Ostertag-Straße 1 in Düppel. Vor einigen Jahren liegt ein guter Freund von Madame Nou im Sterben. Als die Tierärztin kommt und sich gemeinsam mit Riènzner das todkranke Pferd anschaut, drängelt sich plötzlich Madame Nou hinzu. Erst scharrt sie mit den Hufen, dann, erzählt Gloria Riènzner, „fängt Madame Nou plötzlich an zu sprechen“. Sie habe gesagt, „ich bin auch ein altes Pferd, aber in meinen Herzen habe ich eine Blumenwiese, sonst wäre ich nicht mehr hier“. Es war der Augenblick, in dem Riènzner wusste, dass „dieses Pferd ganz besonders ist“.

Gloria Riènzner und das Pony Madame Nou
Gloria Riènzner und das Pony Madame Nou

© KJRFV e.V./Wolfgang Schmidt

Für jemanden, der sich nicht gut mit Pferden auskennt, ist es schwer, solche Geschichten zu begreifen. Für Gloria Riènzner ist es nicht schwer, deshalb hat sie auch kein Problem mit dem etwas abgedroschen klingenden und von Hollywood aufbereiteten Begriff des „Pferdeflüsterers“ (Robert Redford). Sie sagt, man müsse das trainieren, die Pferde zu verstehen, „Schwingungen, die sie aussenden, aber wenn man sich auf diese sensiblen Lebewesen einlässt, kann man es schaffen. Und wird glücklich“.

Madame Nou, von der niemand mehr sagen kann, warum sie so heißt und an welchem Tag es vor 50 Jahren geboren wurde, hat ihr zum Beispiel erzählt, dass sie gerne Musik mag. Und so singt Riènzner manchmal einfach drauf los und beide, Pony und Mensch, sind dann sehr zufrieden mit sich und der Welt. Dass Madame Nou überhaupt 50 Jahre alt werden durfte, ist auch ein kleines Wunder, und hat viel zu tun mit dem Zehlendorfer Reitverein von Glinda Spreen und ihrer Mutter Ilse. Ilse Spreen war es, die Madame Nou einst vor der Schlachtbank rettete. Ihrem früheren Reitstall fehlte das Geld, um das Pony und ihren Freund Minimax zu unterhalten. Es seien diese „ausdrucksstarken Augen von Madame Nou gewesen, mit Tränen gefüllt“, hat Ilse Spreen einmal erzählt, die sie überzeugten, die Ponys zu nehmen.

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Auch aus dieser Erfahrung heraus, gründete sich später der Verein für tierischen Ruhestand, in dem Gloria Riènzner die ehrvolle Aufgabe bekam, Madame Nou täglich zu betreuen. "Manchmal denke ich, dass das Pony eher mich begleitet als umgekehrt“, sagt Riènzner und lacht. Aufgabe des Fördervereins ist es, die Pferde aus dem Reitstall zu pflegen und zu betreuen, wenn sie zu alt für den Schulbetrieb oder dauerhaft krank geworden sind.
Gloria Riènzner passt ganz wunderbar zu Madame Nou, weil sie gelernt hat, sich sensibel und mutig zu verhalten. Geboren 1942 in Wien, siedelte sie mit der Mutter zunächst nach Ostdeutschland, doch das bürgerliche Zuhause passte dem Arbeiter- und Bauernstaat nicht. Die Familie hatte es schwer, trotzdem ermöglichte es die Mutter ihrer Tochter zu reiten.<NO1>Gemeinsam mit dem Stiefvater förderten sie Glorias Talent. Dennoch flüchteten sie gemeinsam mit dem Stiefvater nach West-Berlin, als Gloria 17 Jahre alt war. Am letzten Tag vor ihrer Flucht sind sie mit ihren Pferden noch einmal ausgeritten. Die Pferde blieben in der DDR.

Madame Nou mag Musik, es muss aber melodisch klingen.
Madame Nou mag Musik, es muss aber melodisch klingen.

© KJRFV/Verein für tierischen Ruhestand

Am morgigen Sonntag, wenn der Reitverein 25. Geburtstag feiert, wird Madame Nou wieder im Mittelpunkt stehen. Gloria Riènzner aber wird wie immer nahe an ihrer Seite stehen und hören, was das Pony zu sagen hat. Manchmal spielen die Gäste dem Pferd zu rockige Musik vor, Madame Nou rümpft dann die Nüstern. Sie mag es lieber melodischer.

NACHTRAG

Madame Nou hat sich leider von einer Schlundverstopfung, die sie sich vor einigen Wochen zugezogen hatte, nicht mehr erholt. Sie wollte bzw. konnte nicht mehr fressen, magerte ab und wurde immer schwächer. Auf ihrer Koppel wurde sie von einem Tierarzt der Klinik für Pferde an der FU Berlin eingeschläfert und so mit einem schmerzfreien Tod erlöst. Auf Wunsch der Klinik hat der KJRFV den Tierärzten Madame Nous Körper für wissenschaftliche Untersuchungen überlassen.

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