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Auf der Stammbahn von Zehlendorf nach Potsdam: Nächster Halt: S-Bahnhof Gestrüpp

Vor 175 Jahren wurde die Bahnstrecke Berlin–Potsdam eröffnet. Und was ist heute noch von der „Stammbahn“ übrig? Einige Bahnfreude und der Zehlendorf Blog sind gerade die alte Trasse entlang gewandert und haben vor allem Ruinen gesehen.

Eine Feier gab’s nicht. Nur einige Bahnfreunde wanderten am Sonntag die Trasse der alten Bahnstrecke zwischen Zehlendorf in Berlin und Griebnitzsee entlang – und erinnerten so daran, dass dieser Abschnitt als erste Bahnstrecke in Preußen exakt vor 175 Jahren eröffnet worden war. Wenig später, am 29. Oktober 1838, fuhren die Züge dann von Zehlendorf weiter zum Potsdamer Bahnhof in Berlin. Die Strecke wurde zur „Stammbahn“ der Eisenbahn in Preußen.

Geblieben ist nicht viel von ihr. Der Potsdamer Bahnhof wurde nach dem Krieg gesprengt, die Gleise Richtung Zehlendorf sind abgebaut oder weitgehend nicht mehr befahrbar, zwischen Zehlendorf und Kleinmachnow liegen teilweise noch Schienen im Gestrüpp, der einstige Haltepunkt Zehlendorf Süd ist nur noch eine Ruine. Zu feiern gibt es da nichts.

Denn die Stammbahn scheint auch keine Zukunft zu haben. Pläne, die Gleise für den Regionalverkehr wiederaufzubauen, haben sich zerschlagen. Zu teuer, urteilten Berlin und Brandenburg. Billiger wäre ein Ausbau für die S-Bahn von Zehlendorf bis zum Europarc in Dreilinden. Doch auch diese Pläne kommen nicht voran. Zum fehlenden Geld und fehlenden politischen Willen gesellen sich Anwohnerproteste vor allem in Kleinmachnow, wo man keinen Bahnverkehr direkt vor den Gärten der Häuser haben will.

Widerstand gegen den Bahnbau gab es übrigens von Anfang an. Zweifel hatte man am wirtschaftlichen Nutzen und an der vorgesehenen Finanzierung über die Ausgabe von Aktien. Dazu kam die Furcht vor Waldbränden durch den Funkenflug der Dampflokomotiven. Und dann war da noch die Ungewissheit, wie die Fahrgäste das für die damalige Zeit hohe Tempo der Züge vertragen würden. Die erste Eisenbahn in Deutschland fuhr – bei ähnlichen Bedenken – bereits 1835 in Bayern zwischen Nürnberg und Fürth.

Zu den preußischen Skeptikern gehörte König Friedrich Wilhelm III. „Kann mir keine große Seligkeit davon versprechen, ein paar Stunden früher von Berlin in Potsdam zu sein“, befand er – und verzichtete auf die Teilnahme an der Eröffnungsfahrt. Kronprinz Friedrich Wilhelm soll allerdings gejubelt haben: „Diesen Karren, der durch die Welt rollt, hält kein Menschenarm auf.“ Er behielt recht.

Bis doch das Ende kam: 1945 wurde die Brücke über den Teltowkanal zerstört, den anderen Kriegsschäden folgte die Demontage der Anlagen durch die Sowjetunion. Nur ein Gleis blieb zwischen Zehlendorf und Düppel-Kleinmachnow liegen. Die DDR-Reichsbahn baute 1948 eine Stromschiene an, so dass S-Bahnen auf dem Reststück fahren konnten. Was fehlte, waren die Fahrgäste.

Viele Kleinmachnower durften schon vor dem Mauerbau nicht mehr nach West-Berlin. Und für den spärlichen Verkehr zwischen Zehlendorf und Düppel reichte ein Zweiwagenzug. Ein Streik der Reichsbahner in West-Berlin führte zum Aus. Nach dem Ende des Streiks nahm die Reichsbahn den Verkehr auf der Stammbahn – wie auf rund der Hälfte des Netzes im Westteil – nicht mehr auf.

- Bis 20. Oktober erinnert im Rathaus Zehlendorf eine Ausstellung an die Strecke. Mo, Mi, Fr von 6 - 18 Uhr; Di und Do von 6-19 Uhr. Mehr Details unter diesem Link.

Der Autor ist Redakteur im Tagesspiegel-Ressort Berlin-Brandenburg. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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