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Nils Rogal ist Geschäftsführer der Firma Südwest Winterdienst, er kennt Zehlendorfs Gehwege und Straßen seit 30 Jahren.

© Anett Kirchner

Berlin-Zehlendorf: Frostige Stimmung bei den Gehwegreinigern

Mitten im Hochsommer wächst der Ärger über den Winterdienst bei Eis und Schnee. Denn immer mehr Zehlendorfer Gehwege werden für Reinigungsmaschinen gesperrt – und die Handreinigung ist deutlich teurer.

Zum Glück sieht es im Moment nicht nach Schnee und Eis aus. Nils Rogal macht sich trotzdem schon seine „kalten“ Gedanken. Denn er ist Geschäftsführer der Firma Südwest Winterdienst. „Überall entwickelt sich die Welt vorwärts, nur in Zehlendorf nicht“, ärgert er sich und nimmt Bezug auf die aktualisierte Liste der Gehwege, die für eine maschinelle Reinigung im Winter nicht geeignet sind. Die Liste wird vom Tiefbauamt Steglitz-Zehlendorf erstellt und regelmäßig aktualisiert. Für die kommende Wintersaison gilt nun, dass ganze Wohngebiete nicht mehr mit den Reinigungsfahrzeugen befahren werden dürfen.

Rogal sieht nicht ein, warum Gehwege, die jahrzehntelang begutachtet und für geeignet eingestuft worden seien, jetzt plötzlich nicht mehr geeignet sein sollen. Er vermutet dahinter politisches Kalkül: „Das Bezirksamt spart und der Bürger zahlt.“

Betroffen sind in Zehlendorf unter anderem der Bereich zwischen Potsdamer Chaussee und Lindenthaler Allee mit dem Urselweg, Wolzogenstraße und Niklasstraße sowie das Gebiet zwischen Clayallee, Potsdamer Straße, Onkel-Tom-Straße und Argentinischer Allee. Hier dürfen künftig fast nur noch die Gehwege der Hauptstraßen maschinell gereinigt werden.

Will das Bezirksamt nur Reparaturkosten sparen?

Eigentlich müsste der Bezirk die schlechten Gehwege ausbessern lassen, damit diese wieder befahrbar seien, sagt Unternehmer Rogal. Doch stattdessen werde die Gehwegreinigung im Winter einfach den Anwohnern überlassen, die es entweder selbst übernehmen oder Firmen beauftragen müssten, die den Schnee per Hand beseitigen. „Und das ist sehr teuer beziehungsweise bieten das viele Firmen gar nicht an“, sagt er. Die Qualität der Schneebeseitigung sinke, die Unfallgefahr steige.

Stadträtin Markl-Vieto widerspricht

Das Tiefbauamt sieht das anders und teilt mit, dass sich die Qualität der winterlichen Gehwegreinigung sogar erhöhen werde. „Weil dann nicht nur mit einem Fahrzeug durchgefahren wird, sondern bei einer Schneebeseitigung per Hand das Ergebnis gleich überprüft werden kann“, erläutert die zuständige Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne).

Solche Schäden an den Gehwegen sollen verhindert werden.
Solche Schäden an den Gehwegen sollen verhindert werden.

© Anett Kirchner

Ferner könne eine Handreinigung auf die Flächen begrenzt werden, die sich dafür eigneten. Fahrzeuge hingegen räumten häufig auch den unbefestigten Seitenstreifen und beschädigten ihn. Den Vorwurf, dass der Bezirk sparen wolle, weist Markl-Vieto zurück. Es gehe darum, Schäden zu verhindern.

Die Kriterien für die Aufnahme eines Gehweges in die besagte Liste seien von den zwölf Berliner Tiefbauämtern festgelegt und jetzt erweitert worden. In den vorigen strengen Wintern seien vermehrt Schäden an Gehwegen aufgetreten. Durch die Erweiterung habe man mehr Bürgersteige in die Liste aufnehmen können. „Es kann nicht hingenommen werden, dass solche Schäden auf Kosten der Allgemeinheit beseitigt werden müssen, nur weil Anlieger an dem Gehweg die etwas höheren Kosten für eine geeignete Handreinigung einsparen wollen“, sagt Markl-Vieto.

„Erhebliche Schäden“ durch die Fahrzeuge

Vor allem bei den Gehwegen in den genannten Bereichen in Zehlendorf seien erhebliche Beschädigungen durch Winterdienstfahrzeuge festgestellt worden, sagt die Stadträtin. „Und dass ein Unternehmen dies von sich aus anzeigt, wie es das Berliner Straßengesetz vorschreibt, ist noch nie vorgekommen.“

Nils Rogal findet diese Argumentation ungerecht. Seit 30 Jahren ist der gebürtige Zehlendorfer hier in Sachen Winterdienst unterwegs und kennt die Straßen und Gehwege genau. Natürlich gebe es gute und weniger gute Firmen. Grundsätzlich könne man die Kunststoffbürsten der modernen Fahrzeuge aber in Höhe und Umdrehungszahl so einstellen, dass diese keine Gehwege beschädigten. „Es soll schließlich der Schnee beseitigt werden, deshalb kratzen die Bürsten auch lediglich an der Oberfläche“, erklärt er. Somit sei es unwahrscheinlich, dass Fahrzeuge die Fugen der Gehwegplatten ausfegen.

Nicht nachvollziehen kann der Unternehmer, warum die Reinigungsfahrzeuge der BSR alle Gehwege das ganze Jahr über befahren dürfen. „Denn diese Fahrzeuge richten wesentlich höhere Schäden an, weil die Gehwege bei nicht gefrorenem Boden wesentlich labiler sind.“ Ferner nutze die BSR Kehrsaugmaschinen, die den Sand aus den Fugen saugten und damit die Platten lockerten.

Laut Christa Markl-Vieto gibt es jedoch auch Bereiche, die für die BSR gesperrt seien. Außerdem mache die Stadtreinigung keinen Winterdienst, befahre die Gehwege also nicht in den sogenannten Frost-Tau-Wechsel-Wetterlagen im Winter. „Im Sommer ist das weniger problematisch“, sagt sie. Grundsätzlich gelte für alle der Paragraf 35, Absatz 6 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Danach dürfen Fahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 Tonnen und bei einem Reifeninnendruck bis zu 3 bar auch Fahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen eingesetzt werden. Daran halte sich die BSR.

Der Unternehmer verlor schon 250 Aufträge

Für Nils Rogal geht es auch um seine berufliche Existenz. In den vorigen drei Jahren habe er durch die gestrichenen Gehwege etwa 250 Aufträge verloren, rechnet er vor.

Seine Firma beschäftigt sieben Mitarbeiter, sie sind von November bis April im Einsatz. Auf Handreinigung umzustellen, sei unrealistisch. „Dazu bräuchte ich mehr Personal, vielleicht 20 Mitarbeiter, und die Anwohner müssten das Zwei- bis Vierfache bezahlen.“ Für 20 Meter mit einem Fahrzeug brauche er 15 Sekunden, für dieselbe Strecke per Hand aber etwa zwei Minuten.

- Die aktuelle Liste der Gehwege, die für die maschinelle Reinigung im Winter ungeeignet sind, steht im Amtsblatt für Berlin, Nummer 22, ab Seite 11 (pdf-Datei).

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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