zum Hauptinhalt
Kaffee für den Kiez. Thomas Schwarz und Lisa Meilen in ihrer neuen Rösterei.

© Cay Dobberke

Berlin-Zehlendorf: Neue Kiez-Kultur in der Ladenstraße

Die Geschäftswelt im Zehlendorfer U-Bahnhof Onkel Toms Hütte ist im Wandel, bei einem Fest am Sonnabend öffnen fünf Geschäfte und eine temporäre Designer-Ausstellung in der traditionsreichen Ladenzeile. Es geht um „Lebenskultur im Kiez“.

Thomas Schwarz war Polizist und später Chauffeur bei einem Limousinenservice, bis er auf die Idee kam, sich als Kaffeeverkäufer selbstständig zu machen. Mit „Tom's Coffee Bike“, einem Verkaufsstand auf Rädern, gastierte Schwarz in Zehlendorf unter anderem am U-Bahnhof Onkel Toms Hütte, als die Geschäfte in der dortigen Ladenstraße ihren Kunden die Bauarbeiten der BVG durch einen „Baustellensommer“ versüßen wollten. Und nun ist er ganz angekommen in der denkmalgeschützten Ladenstraße, die im 82. Jahr ihres Bestehens neu durchstarten will.

Beim Frühlingsfest am Sonnabend, 10. Mai, ab 10 Uhr machen fünf Geschäfte auf, darunter die „Kaffeerösterei Ridder bei Tom“. Schwarz und seine Geschäftspartnerin Lisa Meilen rösten an einer großen Maschine im Retro-Look Hochlandkaffee, der vom Fachhändler Gerhard Ridder in Friedenau stammt. Sie lassen damit eine alte Tradition aufleben, denn im selben Laden residierte einst die traditionsreiche Rösterei und Feinkosthandlung „Kaffee Otto“.

Quereinsteiger beleben die Einkaufszeile

Nicht nur Schwarz, sondern auch fast alle anderen neuen Händler seien „Quereinsteiger“, sagt Heide Wohlers. Im Auftrag des Bezirksamts und mit EU-Fördermitteln leitet sie seit mehr als zwei Jahren das Projekt „Zukunftskiez Onkel Toms Hütte“.

In einer ehemaligen Bäckerei öffnet das Fahrradgeschäft „Velostil“. Wolfgang Kriegs, einer der beiden Gründer, ist Architekt und Designer – und Fahrrad-Fan. Mitbetreiber Florian Demmel hat Kunstgeschichte studiert, ist aber trotzdem vom Fach: Er führt seit dreieinhalb Jahren einen Fahrradladen in Schöneberg, sein Vater Jakob war Radsportler und Amateur-Weltmeister. In der Ladenstraße soll es „keine Massenware“ geben, Kunden können sich Räder nach ihren Wünschen zusammenbauen lassen. Geplant ist außerdem ein Sondermodell „in den typischen Farben des Architekten Bruno Taut“; dieser hatte ein Großteil der Siedlung rundum gestaltet.

Wolfgang Kriegs beteiligt sich außerdem an einem weiteren Projekt: Unter dem Titel „Gartenarbeiten“ nutzen sechs Designer und Landschaftsarchitekten den früheren Schlecker-Drogeriemarkt vorübergehend als Showroom. Sie beteiligen sich damit am Frühlingsfest und an der „Berlin Design Week“ vom 26. Mai bis 1. Juni. Ausgestellt werden Gartenmöbel und -objekte, darunter serienreife Produkte, Prototypen und Kunstwerke. Jens Gehrke vom Büro „Strauchpoeten“ bietet Beratungen zur Balkon- und Innenraumbegrünung an. Im Vorjahr hatten junge Neuköllner Produktdesigner an gleicher Stelle ihre „Berliner Stücke“ präsentiert.

Die Räder kommen noch. In einer früheren Bäckerei eröffnen Florian Demmel (li.) und Wolfgang Kriegs den Fahrradladen Velostil. Das Foto stammt vom Dienstag, bis Sonnabend soll alles eingerichtet sein .
Die Räder kommen noch. In einer früheren Bäckerei eröffnen Florian Demmel (li.) und Wolfgang Kriegs den Fahrradladen Velostil. Das Foto stammt vom Dienstag, bis Sonnabend soll alles eingerichtet sein .

© Cay Dobberke

Die Volkshochschule plant Kurse

Weitere Neuzugänge in der Ladenstraße sind „Faden 35“, wo es handgefertigte Strick- und Bettenwaren gibt, sowie ein Crêpe- und Eisgeschäft. Auch ein Bauhandwerksbetrieb zieht in einen Laden. Ein Café mit Außengastronomie soll später folgen. Bisher werden manche Pläne allerdings ausgebremst durch die Bauarbeiten der BVG. Der behindertengerechte zweite Zugang zum U-Bahnhof ist zwar mittlerweile eröffnet, aber noch nicht ganz fertig. Die Verschönerung des westlichen Vorplatzes kann deshalb erst nach den Sommerferien beginnen.

Ab dem Wintersemester 2014 will die Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf in der Ladenstraße Kurse anbieten. Laut Dieter Aßhauer, der die Passage für den Vermieter Ansorge Immobilien betreut, mangelt es derzeit noch an einem geeigneten Raum. Eventuell komme der frühere Drogeriemarkt nach dem Auszug der Designer infrage.

Frischer Wind. Nach den Sommerferien soll auch der westliche Bahnhofsvorplatz schöner werden.
Frischer Wind. Nach den Sommerferien soll auch der westliche Bahnhofsvorplatz schöner werden.

© Cay Dobberke

Äußerlich wirke die alte Ladenstraße noch immer etwas „verstaubt“, gibt Projektleiterin Wohlers zu. Aber kein Shoppingcenter biete so viel Individualität. Der neue Slogan lautet „Lebenskultur im Kiez“. Damit will man sich auch von den im Vorjahr eröffneten Läden auf der früheren Truman Plaza an der Clayallee unterscheiden, die den Wettbewerb für manche Ladenstraßenhändler wie das Reformhaus Demski verschärft haben.

- Informationen unter www.onkel-tom-kiez.de.

Der Autor ist Reporter des Tagesspiegels. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false