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Ort der Menschlichkeit? Unsere Autorin hat, nach einigen Umwegen, im Bürgeramt von Berlin-Zehlendorf sehr nette Menschen getroffen. Die das Beste aus ihrer Lage machen.

© Thilo Rückeis

Brief ans Bürgeramt in Berlin-Zehlendorf: Das Geheimnis vom plötzlichen Termin

Unsere Autorin hat es getan! Sie hat versucht, spontan ins Bürgeramt Zehlendorf zu gehen, um einen Termin zu bekommen. Dann geschah - ein kleines Wunder. Ihr Baby lachte die Dame an, und sie erhielt... Aber lesen Sie selbst diesen Offenen Brief einer Leserin.

Das Bürgeramt in Zehlendorf Mitte: Als ich klein war, erinnere ich mich, war das Bürgeramt Zehlendorf in der Königsstraße. Dort, neben der Polizeistation. Gegenüber ist jetzt die Kita meines jüngsten Sohnes. Das Bürgeramt war in meiner Erinnerung ein großer, unübersichtlicher Bau mit vielen Treppen und Türen. Irgendwo gab es immer ein Wartezimmer, voll mit Menschen. Ja, es war immer voll mit wartenden Menschen. Diese Erinnerungen sind zwanzig Jahre alt.

Das Bürgeramt ist jetzt so schön zentral

Heute, diese zwanzig Jahre später, wohne ich wieder in Zehlendorf. Das Bürgeramt ist jetzt direkt in Zehlendorf Mitte in der Kirchstraße. Wenn man durch den Ortskern bummelt und seine Besorgungen erledigt, steht man direkt vor der Tür. Das Bürgeramt ist so zentral, dass es heute jeder findet. Man muss nicht erst suchen, wo die Königsstraße ist oder mühsam in dieser kleinen hübschen Holpersteinstraße nach einem Parkplatz suchen. Nein, der Bus hält vor der Tür des Bürgeramtes, die S-Bahn ist wenige Meter entfernt und ich, die mit Baby Stammkunde in der Drogerie bin, kann mit meinen Windeln und dem Kinderwagen schnell mal vorbei gehen.

Dachte ich mir.

Gesagt getan: Das Internet erklärt mir freundlich, dass das Bürgeramt in Zehlendorf ein Terminamt sei. Nur mit Terminen können man sein Anliegen vortragen. Der früheste Termin, der mir angeboten wird, ist am 24. August. Also in fast zwei Monaten. Mein Anliegen ist aber dringender denke ich und nehme mir vor, am Mittwoch, dem 1. Juli, nach dem ich das erste Kind in der Schule und das zweite Kind in der Kita abgeben habe, mit dem dritten Kind (Baby) beim Bürgeramt vorbeizugehen.

Das Internet erklärt mir wiederum freundlich, dass das Bürgeramt am 1. Juli ab acht Uhr geöffnet sei. Nur empfängt mich nicht die aus meiner Kindheit gewohnte Menschenmenge, sondern ein Schild, auf dem steht, dass heute eine ganztägige Personalentwicklungsmaßnahme sei und deswegen das Bürgeramt geschlossen. Gut, denke ich, schließlich bin ich auch vom Personalfachbereich und freue mich für die Mitarbeiter. Komme ich morgen wieder. Leider habe ich vergessen das Internet zu befragen, wann morgen das Bürgeramt geöffnet hat, und so fahre ich nach dem üblichen Kind in der Schule abliefern, Kind in der Kita abliefern mit dem Baby im Fahrradanhänger zum Bürgeramt.

Es erwartet mich vollkommene Stille

Heute muss ich leider den Eingang für Behinderte suchen, weil der Fahrradanhänger nicht die Treppenstufen hochzukriegen ist. Der Weg ist weit und der Eingang für Behinderte gut versteckt in der Kirchstraße beim Neubau. Heute empfängt mich auch nicht die aus der Kindheit gewohnte Menschenmenge, sondern eine vollkommene Stille im Bürgeramt. Der Pförtner und das Internet im Smartphone sind nett: geöffnet wird ab elf Uhr. Ich bin zwei Stunden zu früh. Holen Sie sich doch einen Kaffee und warten bei der Anmeldung rät mir der Pförtner. Zwei Stunden warten? Ist das denn sinnvoll, frage ich den Pförtner. Gestern war geschlossen, da wird es heute wohl eine lange Schlage geben, meint dieser. Mein Baby weint, das passiert leider ab und an bei Babys, und so gehe ich zwischendurch nach Hause.

Warten auf die richtige Nummer... Dieses Bild stammt allerdings nicht aus dem Rathaus Zehlendorf, sondern dem Rathaus Charlottenburg.
Warten auf die richtige Nummer... Dieses Bild stammt allerdings nicht aus dem Rathaus Zehlendorf, sondern dem Rathaus Charlottenburg.

© Thilo Rückeis

Mit dem Fahrradanhänger zurück den Behindertenausgang nehmend. Um 11.30 Uhr kommen wir wieder. Jetzt sehe ich die Schlange: Sie ist ca. 60 Meter lang. Eine Frau in der Mitte der Schlange sagt, sie warte jetzt vierzig Minuten. Das dauert mir zu lange, ich gehe wieder. Morgen ist auch noch ein Tag. Am kommenden Tag bin ich gut ausgestattet. Nach der üblichen Runde der Abgabe der Kinder nehme ich das heute morgen glücklicherweise müde Baby (die schlafen nämlich manchmal nachts nicht diese Babys) mit in die Schlange. Öffnungszeit war acht Uhr morgens. Heute früh ist die Schlange nur 50 Meter, und ich freue mich. Meine Theorie "Es ist so heiß heute, da kommt hier bestimmt keiner" muss ich leider verwerfen. Um mich herum stehen viele unglückliche Menschen, die sich über die Schlange aufregen. Ein Herr ärgert sich über die Terminvergabe im Internet, die Monate voraus ausgebucht sind.

Nein, einen Termin gibt es hier nicht

Während er eigentlich in der Schlage stehen sollte, ruft er die bekannten Berliner Zeitungen an und tut seinen Unmut kund. Mein Baby isst Brezel und trinkt Wasser. Wir warten eine halbe Stunde. Ich erfahre von einer jungen Studentin, dass sie als Au-Pair nach Sydney geht und einen internationalen Führerschein benötigt. Ihr Flug ist schon in 15 Tagen. Mein Baby schläft ein. Ich lese etwas Zeitung in der Schlange, mein Baby wacht auf. Nach über einer Stunde bin ich bei der Anmeldung dran.

Nein, einen Termin gibt es hier nicht. Die frühesten Termine gibt es erst wieder ab Ende August. Das wusste ich ja schon. Ich erkläre mein Anliegen. Es ist klein und geht schnell und ist dringend. Mein Baby lacht die Dame an. Wir erhalten einen geheimen Termin aus dem Backoffice für Montag. Glücklich gehen wir nach Hause.

Sie machen aus der Situation das Beste

Liebes Bürgeramt, sie haben Personalknappheit, das glaube ich heute. Aber Sie sind ein freundliches Bürgeramt und machen aus der Situation das Beste. Sie verbinden Menschen, die sich in der Schlange kennenlernen, und wenn man gut ausgerüstet ist mit Essen, Trinken und nach einer schlaflosen Nacht mit müdem Baby, kann man es gut und gerne wartend bei Ihnen aushalten. Am Montag sehen wir uns wieder, darauf freue ich mich. Ich hoffe, dass die Studentin auch ihren Führerschein erhalten hat - aber ohne Termin, wie soll das gehen?

Die Autorin wohnt mit ihrer Familie in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Tagesspiegel-Zehlendorf, dem digitalen Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten.

Franziska Heger

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