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Luftbrücken-Pilot Gail S. Halvorsen vor seiner alten Maschine mit Aufschrift "Rosinenbomber" im Jahr 2008.

© Kai-Uwe Heinrich

"Candy-Bomber" kommt zum Festakt für Zehlendorfer Schule: Gail S. Halvorsen enthüllt Namensschild

Innerhalb kürzester Zeit haben es die Eltern geschafft, der 9. Integrierten Sekundarschule in Zehlendorf einen neuen Namen zu geben: Gail S. Halvorsen. Die Umwidmung ist ein Kunstwerk, nun soll der Aufbruch folgen. Am Samstag wird gefeiert, und der "Candy-Bomber" kommt persönlich.

Manchmal kommen Ereignisse über einen, und man kann nichts dagegen tun. Statt Aufbruch herrschen dann Lähmung und Ohnmacht, niemand weiß, wie es weitergehen soll. Für viele Schulen, die im Rahmen der Berliner Schulreform zu Sekundarschulen zusammengelegt worden sind, trifft das zu. Und nicht alle haben es geschafft, einen wirklichen Neuanfang hinzubekommen, einen positiven Aufbruch.

Das zu schaffen, ist auch eine Kunst. In Zehlendorf haben es jetzt die beiden ehemaligen Realschulen Beucke-Oberschule und Alfred-Wegener-Oberschule geschafft, dieses Kunststück hinzubekommen und damit sogar berlinweit bekannt zu werden. Vor allem dank des Einsatzes der Eltern hat es die bisherige 9. Integrierte Sekundarschule in kürzester Zeit hinbekommen, sich einen neuen Namen zu geben. Und dieser Name ist gleichzeitig das Symbol für einen Neuanfang.

Der Pädagoge Carl Beucke (1860–1915) und der Polar- und Geowissenschaftler Alfred Wegener (1880-1930) werden endgültig als Namensgeber zumindest für Schulen in Zehlendorf verschwinden, dafür wird die Sekundarschule künftig Gail S. Halvorsen heißen. Am kommenden Samstag, 15. Juni, ab 9 Uhr wird die Schule die Namensumwidmung mit einem großen Festakt feiern, zudem der "Candy-Bomber" natürlich persönlich anreisen und sprechen wird.

Schüler der künftigen Halvorsen-Schule mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei der jährlichen Gedenkfeier zu Ehren der Luftbrücke in Tempelhof.
Schüler der künftigen Halvorsen-Schule mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bei der jährlichen Gedenkfeier zu Ehren der Luftbrücke in Tempelhof.

© privat

Allerdings stehen die Eltern des Fördervereins schon lange mit ihm in Kontakt. Vor allem Michael G. Notbohm ist es zu verdanken, dass quasi innerhalb eines Dreivierteljahres alle wichtigen Gremien in und außerhalb der Schule von diesem Namen überzeugt werden konnten. Notbohm hat Halvorsen persönlich kontaktiert und kann davon erzählen, wie gerührt der alte Herr reagiert habe.

Im Interview mit dem Förderverein hat Notbohm unter anderem noch auf eine verblüffend logische Begründung für die Halvorsen-Idee hingewiesen, jenseits der allgemeinen Berühmtheit und Bedeutung Halvorsens. Er sagte: "Hinzu kommt, dass Gail Halvorsen während seiner Zeit als Kommandant des Flughafens Tempelhof ganz um die Ecke in der Straße ‚Auf dem Grat’ wohnte und es damit auch einen Bezug zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf gibt."

Notbohm und sein Kollege aus dem Förderverein Carsten Rogge-Strang haben Halvorsen auch persönlich interviewt, das Interview ist ebenfalls auf dem Zehlendorf Blog zu lesen, Halvorsen sagt da unter anderem über Dahlem und Zehlendorf: "Diese Stadtteile sind fest in meiner Seele verankert. Meine geliebte Familie und ich haben dort vier Jahre verbracht, die zu den angenehmsten unseres Lebens zählen."

Sie sprach für die Schule im Mai beim Gedenktag für die Luftbrücke in Tempelhof: Yasmina Hamid aus der 10d.
Sie sprach für die Schule im Mai beim Gedenktag für die Luftbrücke in Tempelhof: Yasmina Hamid aus der 10d.

© privat

Halvorsen, heute 92 Jahre alt, war Pilot der amerikanischen Luftwaffe während der Berliner Luftbrücke 1948/1949. Vielen Berlinern ist er bis heute in Erinnerung. Denn kurz vor jeder Landung mit seinem Flugzeug auf dem Flughafen Tempelhof warf er für Kinder an kleinen Fallschirmen befestigte Süßigkeiten ab. Durch diese "süße Hilfsaktion", die auch andere Flugzeugbesatzungen aufgriffen, erhielten die an der Luftbrücke beteiligten Piloten und Flugzeuge schließlich den Namen "Rosinenbomber".

Seinen Spitznamen "Onkel Wackelflügel" hat Halvorsen bekommen, wie er selbst einmal erzählte, weil er beim Anflug auf Tempelhof mit den Tragflächen "wackelte". So war er schon von weitem von den am Rand des Flugfelds wartenden Kindern in der Kette der hintereinander landenden Maschinen schnell auszumachen.

Für die Schule bedeutete die Bekanntmachung der Namensgebung schon sehr früh hohe Aufmerksamkeit. Auch damit muss man erst einmal umgehen. Als der Senat beispielsweise am 12. Mai, wie jedes Jahr um diese Jahreszeit, in Tempelhof am Luftbrückendenkmal der Ereignisse während der Luftzbrücke gedachte, war die Schule vertreten. Im Anschluss an die Rede des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) durfte auch Yasmina Hamid aus der zehnten Klasse reden und begründen, warum die Schule sich den Namen Halvorsen ausgedacht hat.

Aus Sicht der Eltern sind nun aber auch die Schule und die Verantwortlichen im Bezirk und im Senat gefordert, ihre Hausarbeiten zu machen und die Schule zu entwickeln. Zur Wahrheit gehört auch, dass es immer noch zwei Schulstandorte gibt, und das einige Eltern skeptisch sind, dass die versprochene Vereinigung auf einem Gelände wirklich ab dem Schuljahr 2014/15 vollzogen wird. Dann wird der Standort Beuckestraße endgültig geschlossen sein. "Allerdings haben wir das noch nicht schriftlich", sagt etwa Carsten Rogge-Strang.

Die neue Halvorsen-Schule am Standort Im Gehege. Es ist der Wunsch von Eltern und Schulen, dass spätestens ab dem Schuljahr 2014/15 der Standort Beuckestraße geschlossen wird.
Die neue Halvorsen-Schule am Standort Im Gehege. Es ist der Wunsch von Eltern und Schulen, dass spätestens ab dem Schuljahr 2014/15 der Standort Beuckestraße geschlossen wird.

© privat

Im Alltag sind die Probleme weiterhin groß, so hat laut Förderverein das Jugendamt die für die Schule bereits zugesagte Dreiviertel-Stelle für die schulbezogene Sozialarbeit gestrichen, das Geld soll anders verteilt werden. In einem offenen Brief der Elternschaft heißt es: "Beschneiden Sie nicht diese für uns unverzichtbare Unterstützung, die für ein geregeltes und friedliches Schulleben und für die Förderung von emotional-sozial schwachen Kindern und Jugendlichen an unserer Schule essenziell ist… Wir brauchen keine Feuerwehr, die erst kommt, wenn der Dachstuhl bereits in Flammen steht…"

Die Elternschaft möchte den symbolischen Aufbruch in den Alltag integriert sehen, und sieht sich selbst als Anschubgeber. Notbohm sagt zwar einerseits: "Es ist ein richtig tolles Gefühl, dass unsere Schule diesen Namen bekommt." Andererseits betont er: „Das ist aber nur der Anfang. Es war immer klar, dass wir nicht nur ein neues Schild ans Schultor hängen. Es geht um viel mehr – und zwar für Eltern, Lehrer, Schüler, den Bezirk und auch den Senat von Berlin. Diese Schule hat das Potenzial, ein Aushängeschild dieser Stadt zu werden. Das wäre gut für alle, denn es würde bedeuten, dass sich viel verbessert. Dabei muss klar sein: Wir können nur das Flugzeug hinstellen und voll tanken. Einsteigen und fliegen müssen diejenigen, die jeden Tag in diesem Gebäude zu tun haben. Jeder auf seine Weise."

Rogge-Strang weist auf das Motto der Schule hin, das sie künftig mit Leben füllen will, "Freiheit, Verantwortung, Freundschaft". Es sind schon einige Kooperationen entstanden, mit dem Alliierten-Museum oder der John-F-Kennedy-Schule, aber auch Rogge-Strang sagt: "Wir sind nur die Eltern, es gibt auch andere, die nun ihre Arbeit zu tun haben."

Insgesamt haben künftig übrigens drei Schulen in Zehlendorf einen US-merikanischen Namensgeber oder eine Namensgeberin: Neben Gail S. Halvorsen findet man auch den 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy und die Leichtathletin und Olympiasiegerin Wilma Rudolph, die 1994 an einem Hirntumor verstarb, im örtlichen Schulverzeichnis.

Die Autoren Lothar Beckmann und Benjamin Leonhardt leben mit ihren Familien in Zehlendorf und gehören zum Team der Leser-Reporter. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Lothar Beckmann, Benjamin Leonhardt

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