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Von und für Studenten. Die Kneipe ist selbstverwaltet von den Bewohnern des Studentendorfs. Daher kennen die Mitarbeiter viele Gäste.

© Cay Dobberke

Club A18 im Studentendorf Schlachtensee: Asche auf Pizza: Die Dorf-Kneipe der Studenten

Bald wird das Lokal Club A18 im Studentendorf Schlachtensee 40 Jahre alt. Es dient nicht nur der Campus-Siedlung, sondern ist einer der wenigen öffentlichen Treffpunkte für junge Leute in Zehlendorf. Diese zieht es allerdings immer mehr in die Innenstadt.Im Interview erzählt der ehemalige Geschäftsführer aus der Geschichte.

Ein großer, ziemlich dunkler Raum mit alten und neueren Sofas, Sesseln, Stühlen und Tischen; ein paar Gäste essen und trinken, zwei Barkeeper langweilen sich ein bisschen. Alle sind Studenten, die im Studentendorf Schlachtensee wohnen. Seit 1974 gibt es dort den Club. Er heißt A18 – wegen der damaligen Buslinie A18 an der Potsdamer Chaussee. Das Lokal ist die größte Einrichtung der studentischen Selbstverwaltung und steht auch Gästen offen, die nicht im Campus wohnen. Dieser war in den 1950er Jahren mit Geldern der US-Regierung gegründet woerden und zuletzt nur knapp dem Abriss zugunsten einer Luxuswohnsiedlung entgangen.

Der Kenner. Jens-Uwe Köhler war Barkeeper und Geschäftsführer im Club A18. Heute arbeitet er als Finanzvorstand für die Genossenschaft, die Träger des ganzen Studentendorfs ist.
Der Kenner. Jens-Uwe Köhler war Barkeeper und Geschäftsführer im Club A18. Heute arbeitet er als Finanzvorstand für die Genossenschaft, die Träger des ganzen Studentendorfs ist.

© Indira Valeeva

Studenten können jeden Abend günstig essen und trinken, Fußballspiele und Fernsehshows schauen, Poker, Billard, Flipper, Kicker und Darts spielen. Am Wochenende gibt es Partys und Konzerte.

Doch es ist selten voll. Vielleicht wegen der Sommerferien, aber viele sagen, dass die große Zeit des Lokals vorbei ist. Wir haben mit dem ehemaligem Geschäftsführer des Clubs und heutigen Finanzvorstand der Genossenschaft Studentendorf Schlachtensee, Jens-Uwe Köhler, gesprochen.

Wie wurde A18 gegründet?
Das Haus stand hier am Anfang gar nicht. Ursprünglich war der Erstbezug des Studentendorfes 1959. Im Grundkonzept sollte es ein riesiges Gemeinschaftshaus mit Theater und so weiter geben. Das Haus ist erst in den 70er gebaut worden mit einer Mensa darin Aber die Leute sind nicht gerne hingegangen, es war tot und leer. Unten war eine Kneipe, in der sich die Studenten getroffen haben, aber sie war zu klein.

Dann gab es ein paar Leute, die gesagt haben: „Lasst uns oben eine Kneipe reinmachen." Da war die Küche, man konnte da kochen und das Grundkonzept war: Jeden Tag kocht jemand aus dem Dorf, dessen Bewohner aus den verschiedensten Ländern stammen, ein Gericht aus seiner Heimat. Nebenan konnte man Bier trinken und quatschen.

Die spannendste am Club ist, das er sich über die Zeit nicht nur als Studentendorfkneipe bewährt hat, sondern dass auch junge Leute aus dem Umfeld gekommen sind: die Zehlendorfer Schüler. Und dieser Riesenraum ist damals immer voll gewesen. Es war eine sehr lebendige Kneipe, wo man Nächte durchmachen konnte mit Quatschen, Flirten und Saufen. Es war eigentlich ziemlich klasse.

Wie hat der Club damals ausgesehen?
Ganz am Anfang noch ganz anders. Er war dunkler, die Decke war niedriger, es war eine Höhle. Und die Leute, die dort gearbeitet haben, waren Typen, die man sogar nicht mehr erleben möchte. Ein Koch hat immer sein Kippe im Mund gehabt, ich möchte wissen, wie oft er seine Asche in den Pizzateig hat fallen lassen. Aber die Pizza war lecker! Ein Barkeeper hat immer in seinem Unterhemd gearbeitet.

Anfang der 90er gab es eine große Krise. Das Finanzamt verlangte eine Steuernachzahlung von 500 000 Mark, und dann hat man das ganze System geändert. Früher wurde ein Geschäftsführer für ein Jahr gewählt. Der Vorstand des Vereins hat dann festgestellt, dass für das Geschäft der Vorstand verantwortlich ist und nicht der Geschäftsführer. Deswegen muss der Geschäftsführer des Clubs A18 jetzt auch Ratsvorstand sein.

In den 90er Jahren hat man den Club renoviert und im Prinzip sah er danch wie jetzt aus.

Wann haben Sie selbst angefangen, im Club zu arbeiten?
Als ich 1991 hier eingezogen bin, habe ich sofort den Laden entdeckt. Und es war sehr schön: Wer den ganzen Tag viel gelernt und studiert und keine Lust zu kochen mehr hatte, ging in den Club, wo das Essen ziemlich preisgünstig war. Man hat dort immer wieder dieselben Leute getroffen und sie so kennengelernt.

Ich habe 1994 angefangen, im Club als Keeper zu arbeiten. Viele Leute waren da, aus dem Dorf, aus der ganzen Welt. Ich habe diese Leute kennengelernt, weil ich Bier verkauft habe. Mein Freundeskreis hat damals fast komplett dort gearbeitet. Ich bin 1995 Ratsvorstand geworden und 1997 Geschäftsführer. Damals war ich 28 Jahre alt.

Was war das Besondere?
Der Club war immer Vorreiter bei gewissen Partykonzepten. Zum Beispiel feiern mittlerweile viele Kneipen ein Oktoberfest. Der Club macht es seit 1994, wir waren einer der ersten Läden, die sich getraut haben, diesen blau-weißen Irrsinn zu veranstalten. Wir haben alles blau-weiß mit Tischdecken abgehängt und dann diese fürchterliche bayrische Musik gespielt! Das erste Mal war es ein bisschen komisch, aber beim zweiten Mal sind alle gekommen, der DJ hat Schlager gespielt, die Leute haben auf dem Tisch getanzt und die Frauen ihre Oberkleider ausgezogen - es war klasse. Seitdem machen wir das regelmäßig.

Wir haben auch Halloween gefeiert: alles mit Netzen abgespannt und düster. Es gibt den Laden „Deko Behrendt“ in Schöneberg, wo man alles finden kann, um ein Fest zu dekorieren.

Und es war immer so: „Wer fährt zu „Deko Behrendt“?“, „Ich, ich, ich, ich!“

Auch St.-Patricks-Day haben wir gefeiert. Ich besitze bis heute eine Sammlung von Guiness-T-Shirts, weil wir uns von Guiness haben sponsern lassen.

Ich hab dann noch als Partykonzept ein Mittelalterfest eingeführt. Auch das war eine spannende Sache. Wir haben Papierbanner mit Kopfsteinen bemalt und damit den ganzen Laden abgehängt. Und es sah aus wie eine mittelalterliche Burg! Es gab eine Feuershow, Ritterkämpfe, und wir haben draußen ein Schwein über Feuer gebraten.

Bei einigen Festen mussten wir draufzahlen, es ging nicht ums Geldverdienen, sondern darum, neue Leute anzulocken. Aber bei einigen Veranstaltungen haben wir Geld verdient und es in Projekte für die hier wohnenden Studenten gesteckt. Wir haben so in den 90er Jahren den Computerraum gebaut, einen Fitnessraum, einen Musikübungsraum und einen Partysaal.

Was haben Sie geändert?
Man musste nicht so viel ändern, es war schon toll. Ich habe angefangen, die Stammgäste im unsere Festkonzepte einzubinden. Am Anfang sollte alles das Personal machen. Also musste man schmücken, dann arbeiten und danach wieder alles abbauen. Ich habe begonnen, die Stammgäste einzubinden und wir schafften ein gemeinsames Design. Diese Leute waren sowieso immer im Club. Sie haben freies Essen gekriegt und waren sehr froh, mitmachen zu können. Und ich war froh, dass ich die Mitarbeiter entlasten konnte. So ist es ist bis heute.

Warum haben Sie ihren Arbeitsplatz gewechselt?
Das spannende an einer Selbstverwaltung ist, das man als junger Student mit viel Naivität - und manchmal Dummheit - viele Sachen machen kann. Man darf etwas ausprobieren und falsch machen, das ist eine Spielwiese. In der Selbstverwaltung übt man sich auch in Demokratie und demokratischen Spielregeln. Man kann wirtschaftliches Leben kennenlernen.

Es war geil, Geschäftsführer zu sein! Dann aber war es Zeit zu gehen. Es war ein studentischer Verein - von Studenten für Studenten. Irgendwann wird man zu alt für den Quatsch.

Ich habe es zu lange gemacht, eigentlich ist das nicht das Konzept der Selbstverwaltung. Aber das Dorf war in einer besonderen Situation, es sollte abgerissen werden und deswegen haben wir gekämpft. Nach und nach haben wir das Konzept entwickelt, und es hat viel Zeit gebraucht. Es gab mal die Frage: „Wer will es machen?“. Ich wurde gefragt und habe gesagt: „Ja, ich kann mir das vorstellen.“ In gewisser Weise habe ich die Seite gewechselt. Ich war nicht mehr ein Student in der Selbstverwaltung, sondern ein Vermieter in der Verwaltung. 

Wie hat der Club sich seit den 90er Jahren geändert?
Ich vermag das eigentlich gar nicht einzuschätzen, ich bin nur noch selten da. Ich habe immer noch Clubschlüssel am Bund, aber nur, weil ich alle generell haben kann. Und aus Sentimentalität. Es ist immer noch „mein Laden“, sozusagen. Es war nie mein Laden, es war eine Selbstverwaltung, aber wenn man Geschäftsführer ist, dann fühlt es sich wie ein eigener Laden an.

Der Kreis von Leuten, die sich um verschiedene Aufgaben kümmern, ist größer geworden. Das finde ich gut, weil früher die Aufgaben für den Geschäftsführer zu groß waren. Das ist ein Job, der man neben seinem Studium machen soll. Aber der Geschäftsführer vor mir, ich und mein Nachfolger, wir haben alle drei unser Studium nicht beendet - vielleicht wegen mangelnder Disziplin, aber auch wegen des Ladens.

Warum kommen nicht mehr so viele Leute?
Ich weiß es nicht. Wie gehen die Leute heute aus, gehen sie nicht mehr in die Kneipe? Es gibt gar nicht mehr Läden, wo man hingeht und einfach säuft. Es muss immer etwas Cooles und Hippes dabei sein. Unser Laden ist nicht hip, war es nie und muss es nicht sein. Aber für mich war es immer spannend.

Der Club im Netz: www.club-a18.de

Die Autorin des Interviews ist Praktikantin beim Tagesspiegel und stammt aus Russland. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Indira Valeeva

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