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Abbiegen vom Teltower Damm in die Kirchstraße ist vielleicht bald nicht mehr möglich. Kann der Autoverkehr im ohnehin überfüllten Zehlendorf Mitte auch ohne diese Strecke auskommen?

© Thilo Rückeis

Update

Debatte um Stadtplatz und Wochenmarkt: Verkehrsgutachten entscheidet über Zehlendorfs Mitte

Bald ist es soweit: Ein Verkehrsgutachten entscheidet über die Zukunft der Zehlendorfer Mitte am Rathaus. Der Bürgermeister sagt: Ein neuer Stadtplatz ist nur realistisch, wenn die Kirchstraße gesperrt werden darf. Dann ist auch die Chance für einen Wochenmarkt am größten.

Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) hat kurz vor dem ersten Juni-Wochenende das Geld für ein wichtiges Gutachten bewilligt. Mit Spannung wird im Bezirk nun darauf gewartet, wie das Verkehrsgutachten ausfallen wird, das Norbert Schmidt (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung, jetzt in Auftrag gegeben hat. Dieses Gutachten soll prüfen, ob die Kirchstraße am Rathaus für den Verkehr gesperrt werden kann oder ob das Verkehrsaufkommen zu groß ist. An dieser Frage hängen nach Ansicht von Kopp große Träume nicht nur der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), sondern auch von den Händlern am Teltower Damm, die sich im Verein "Zehlendorf-Mitte-Marketing" versammelt haben. Seit Jahren wird über zwei Themen gleichzeitig diskutiert, ohne das der Bezirk eine endgültige Haltung oder Linie zur Durchsetzung von Plänen hat erkennen lassen: über einen Wochenmarkt und über die Gesamtgestaltung des Ortskerns von Zehlendorf, also der historischen Mitte, die bis zur Dorfkirche und dem heutigen Heimatmuseum reicht, einst der Ort der ersten Zehlendorfer Schule.

Dem Zehlendorf Blog des Tagesspiegels sagte Bezirksbürgermeister Norbert Kopp nun deutlich: "Wenn das Verkehrsgutachten ergibt, dass die Straße nicht gesperrt werden kann, dann sind alle Träume geplatzt."

Der ehemalige SPD-Stadtrat Klaus-Peter Laschinsky, Vorsitzender des Heimatvereins Zehlendorf, hat eine andere Auffassung. Er sagt: "Der Bezirk kann sich jetzt prima hinter dem Verkehrsgutachten verstecken, statt eine eigene Haltung zu zeigen." Laschinsky sagt, es gebe die Diskussion seit Jahren, und seit Jahren gebe es auch viele gute Pläne. "Aber bisher hat der Bezirk nie Geld in die Hand genommen, um diese Pläne umzusetzen."

Der Dorfanger war einst der Mittelpunkt des Lebens

Um die Dimension der Diskussion zu verstehen, muss man sich die historischen Gegebenheiten dieses Ortskerns vor Augen führen, das Heimatmuseum Zehlendorf hat dem Thema bis vor kurzem eine ganze Ausstellung gewidmet. Laschinsyki wiederum hat im "Zehlendorfer Heimatbrief" in einem Artikel wunderbar beschrieben, warum der Ort so zerrissen ist zwischen dem Rathaus, dem alten Dorfanger und der alten Dorfkirche. Teltower Damm und die Potsdamer Straße sind dicht befahrene Hauptverkehrsstraßen, keine Spur mehr von Dörflichkeit, und da die Kirchstraße das Rathaus auch noch von der alten Dorfaue trennt, stellt sich nirgendwo ein Gefühl von "Platzatmosphäre" ein - denn es gibt keinen Platz!

In seinem Artikel schreibt Laschinsky darüber, wie der Dorfanger einst im Mittelalter konzipiert war: "Der Dorfanger ist nicht nur der räumliche Mittelpunkt des Dorfes, er ist auch Lebensmittelpunkt. Hier spielen die Kinder..., hier verbringen die Erwachsenen den Feierabend, hier finden...die Dorfversammlungen, die Dingetage statt." Heutzutage werden die "Dinge" im Rathaus besprochen, aber offensichtlich dauert es, bis Entscheidungen gefällt werden.

Blick in Richtung Teltower Damm, links ist die Paulus-Kirche und rechts das Rathaus.
Blick in Richtung Teltower Damm, links ist die Paulus-Kirche und rechts das Rathaus.

© Thilo Rückeis

Das gilt auch für die Frage des Wochenmarktes. Denn auch ein guter Wochenmarkt könnte dem Stadtkern eine neue Qualität verleihen. Auch in dieser Angelegenheit diskutieren und streiten die Beteiligten seit spätestens 2007, als die FDP damals auch auf Initiative der Händlergemeinschaft einen Antrag in die BVV einbrachte, der das Bezirksamt aufforderte zu prüfen, ob vor dem Rathaus und in der Kirchstraße "an einem Werktag und am Sonnabend ein Wochenmarkt etabliert werden kann". Tatsächlich hat die BVV diesen Antrag auch am 19. September 2007 beschlossen. Allerdings gibt es bis heute dazu keine Stellungnahme des Bezirksamtes, die als Vorlage existiert. Einige Händler sprechen deshalb von einer "Verschleppungstaktik" und beklagen, dass nunmehr seit sechs Jahren bei diesem Thema nichts vorangegangen sei.

Grüner: Private können es besser

Bezirksbürgermeister Kopp sieht in dieser Angelegenheit allerdings "zu viele private Interessen" am Werk. Denn die Händlergemeinschaft und auch der Grünen-Bezirksverordnete Bernhard Steinhoff und seine Fraktion wollen den Markt "privat" betreiben, Kopp dagegen sieht gar keinen Anlass dafür und will lieber selbst als Bezirk damit Geld verdienen, er sagt: "Der Staat soll immer für alle Dinge aufkommen und Geld ausgeben, aber wenn er die Chance hat, selbst Geld zu verdienen, soll er das nicht."

Steinhoff dagegen sagt: "Ich bin davon überzeugt, dass ein privater Betreiber netto mehr verdienen kann als der Bezirk." Der Grünen-Mann betont, dass er sich auskenne mit Märkten, weil er gemeinsam mit einem Freund vor Jahren auch den Markt am Hackeschen Markt betrieben habe. Er glaubt, nur ein privater Betreiber könne den Markt ordentlich und gut entwickeln. In Mitte habe man beispielsweise einen Kunstmarkt integriert, "auf jeden Fall haben wir keinen Ramsch, sondern Qualität angeboten", sagt Steinhoff.

Die Grünen haben in Steglitz-Zehlendorf eine Zählgemeinschaft mit der CDU und kommen auch gut mit den "Schwarzen" aus, deshalb bemüht sich Steinhoff auch um Sachlichkeit und lobt den Bürgermeister, weil er sich "gekümmert" habe und "Kopp mich persönlich aufgefordert hat, einen Antrag in die BVV einzubringen". Steinhoff sagt etwas umständlich: "Mit dem Bürgermeister ist verabredet, dass wir das Gespräch darüber suchen, um die entsprechende Entwicklung zu beschleunigen."

Blick auf den Zehlendorfer Dorfanger in den 50er Jahren.
Blick auf den Zehlendorfer Dorfanger in den 50er Jahren.

© Heimatmuseum Zehlendorf/Armin Lehmann

Die entsprechende Entwicklung ist das Verkehrsgutachten und das Vorhaben, den Wochenmarkt in das viel größere Projekt "Stadtplatzentwicklung" einzubinden. Tatsächlich hat die BVV mit Zustimmung von CDU,Grünen und SPD im März 2012 beschlossen, dass das Bezirksamt die "planungsrechtlichen Voraussetzungen" schaffen möge, "damit in der Kirchstraße ein Stadtplatz entsteht sowie der Teltower Damm im Bereich zwischen Zehlendorf Eiche und Einmündung Machnower Straße neu gestaltet werden kann". Weiter heißt es: "Dabei sollen auch die verkehrlichen Auswirkungen untersucht werden."

Norbert Schmidt, dem Politiker aus anderen Parteien, aber auch Händler gerne hinter vorgehaltener Hand "Langsamkeit" vorwerfen, hat eine entspannte Haltung zum Thema. Er sagt: Es gibt auch Bürger, die sich schon beschwert haben, dass wir überhaupt daran denken können, die Straße zu sperren." Es sei nun einmal so, dass es sehr viele Meinungen gebe, deshalb "ist das Verkehrsgutachten eine gute Grundlage, um Fakten zu schaffen". Schmidt will sich dem Ziel von Kopp, einen Stadtplatz zu gestalten, auch gar nicht verschließen. Fände er auch gut, sagt Schmidt. Und er sagt auch, dass das Verkehrsgutachten selbstverständlich völlig ergebnisoffen sei. Dennoch habe er nicht die allergößten Hoffnungen, dass es im Sinne einer Sperrung ausgeht.

Thomas Herrmann, Vorsitzender des Vereins Zehlendorf-Mitte-Marketing und selbst CDU-Mitglied, wünscht sich vor allem eine "Verbesserung der Attraktivität Zehlendorfs", und "ein gut gemachter Wochenmarkt mit hoher ökologischer und regionaler Qualität der Produkte" sei eine Chance, sich auch im Konkurrenzkampf mit anderen Einkaufsstraßen besser zu positionieren. Auch Herrmann ist davon überzeugt, dass der "Staat nicht der bessere Unternehmer" sei und findet, der Bürgermeister dürfe aus diesem Grund gerne einmal in die Grundsätze der eigenen Partei schauen.

Ein Leser schreibt: Außer Gerede ist nichts passiert

Aber Kopp rechnet anders und sagt: "Wir betreiben unsere Wochenmärkte im Bezirk mit Gewinn, mit unseren eigenen Leuten, 2011 mit einem Überschuss von 90000 Euro und 2010 mit 125000 Euro. Das zeigt doch, wir können es." Die Händler wiederum befürchten, dass ein vom Bezirk betriebener Markt nicht die Qualität habe, die man für die Klientel am Ort brauche.

Nun hängt also alles an einem Gutachten. Danach wird man sehen, welche Pläne tatsächlich umgesetzt werden. Viele Leser des Zehlendorf Blog beschäftigt das Thema sehr, so schrieb uns zum Beispiel Jochen Stöhr in einer E-Mail:

"Was in Zehlendorf am meisten nervt, ist die nölige Bezirksverwaltung: Seit Jahren brütet sie über eine Aufwertung von Zehlendorf-Mitte , das durch Leerstand, Nagelstudios, Handyläden und einen vergammelten Bahnhof, der in der Ukraine liegen könnte, bedroht wird. Man will einen attraktiven Marktplatz vor dem Rathaus schaffen. Statt des gruseligen Ratskellers hinter dem Rathaus, hätte man, mit dem Geld, das man im gescheiterten Projekt 'Rathausfassade' verbrannt hat, den Ratskeller vorne in Betrieb nehmen können und mit dem Marktplatz verbinden können und gleichzeitig den Schleichverkehr Teltow-Wannsee durch die Wohnviertel an der Königstraße stoppen können, indem die Schnalle der Kirchstraße durch den Markt geschlossen würde. Aber außer Gerede ist nichts passiert!"

Etwas anders hat es Klaus-Peter Laschinsky in seinem Text im Zehlendorfer Heimatbrief ausgedrückt, er zitiert Berthold Brecht: "Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan, geh'n tun sie beide nicht."

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel, der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.

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