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Am Schlachtensee nicht mehr erlaubt. Bierkastenrennen gibt es vielerorts in Deutschland, wie hier am Hannoveraner Maschsee.

© dpa

Update

Ernüchternd: Bezirk verbietet Spaßrennen: Polizei statt Spaß zum Vatertag am Schlachtensee?

Der Bierkastenlauf zum Vatertag am Schlachtensee hat Tradition. Es ist ein Spaßlauf - der Bezirk hat ihn jetzt verboten. Ein ehemaliger Teilnehmer macht sich für den Zehlendorf Blog Gedanken, ob es nicht eine Lösung gibt.

Zugegeben, beim letzten Mal war ich nicht dabei. Leider. Aber es hört sich schon gewaltig an, was da letztes Jahr zu Christi Himmelfahrt am Schlachtensee stattgefunden haben muss, zumindest für Zehlendorfer Verhältnisse: Mehrere Tausend Menschen mit Bierkästen und anderen - nun ja: ähnlichen Utensilien - mussten damals von der Polizei am Betreten des Paul-Ernst-Parks gehindert werden, was das Bezirksamt Steglitz-Zehelendorf, Abteilung Jugend, Gesundheit, Umwelt und Tiefbau, genauer der Fachbereich Grünflächen, in diesem Jahr dazu bewog, per Pressemitteilung vor der Durchführung des so genannten Bierkastenrennens rund um den Schlachtensee am Vatertag zu warnen. Die Bürokraten sagen: verboten! Und ich frage mich: Ist das auch gut so?

Wer jetzt bei Bierkastenrennen an eine verschärfte Form des Seifenkistenrennens denkt, liegt falsch. Ein Bierkastenrennen (auch Kastenlauf, Bierathlon, Biermarathon, Biergrätle-Race oder Harassenlauf genannt) ist ein Wettbewerb, bei dem es darum geht, einen Kasten Bier zu trinken, während man eine festgesetzte Strecke zurücklegt. Üblicherweise wird ein Lauf in Zweier-Teams absolviert. Die Teilnehmerschaft dieses Trinkspiels rekrutiert sich vor allem aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sagt zumindest Wikipedia ganz nüchtern.

„Um Enttäuschungen vorzubeugen, geben wir vorsorglich schon jetzt bekannt, dass diese Veranstaltung nicht genehmigt ist und Betretungsverbote und Platzverweise durch die Polizei ausgesprochen und durchgesetzt werden, wie dies bereits im letzten Jahr notwendig wurde“, erklärt Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto. Die Begründung für diese Entscheidung leuchtet ein. Grünanlagen dienen der Erholung und Erholungssuchenden sollten durch die Teilnehmer einer Massenveranstaltung nicht gestört werden. Zudem sind die engen Wege entlang des Schlachtensees für ein derartiges Event wirklich ungeeignet. Schließlich führt ein solcher Massenansturm zu Beschädigungen an den Strauch- und Wiesenflächen. Monika Osteresch, die Fachbereichsleiterin im Grünflächenamt sagte am Mittwoch zum Zehlendorf Blog von Tagesspiegel-Online: "Diese Großveranstaltung war nie angemeldet, das ist uns in den letzten Jahren erst aufgefallen. Wir sind dafür verantwortlich, die Grünanlagen zu schützen und den Menschen ihr ungestörtes Federballspiel zu ermöglichen."

Der Autor Ingo Harding war früher Triathlet und ist auch selbst um den Schlachtensee gelaufen. Mit seinem Text will er versuchen, neue Lösungen anzuregen, um den Lauf zu erhalten.
Der Autor Ingo Harding war früher Triathlet und ist auch selbst um den Schlachtensee gelaufen. Mit seinem Text will er versuchen, neue Lösungen anzuregen, um den Lauf zu erhalten.

© public link

Stellt man sich diesen „Wettbewerb“ vor, so erscheinen unweigerlich wenig appetitliche Bilder vor dem geistigen Auge: Horden betrunkener und grölender junger Männern, zumeist Nicht-Väter, oft in kurzen Hosen und Fußballtrikots fallen am S-Bhf Schlachtensee ein und stören mit ihren dauerhaft klimpernden Bierkästen die Ruhe der Großstadtidylle. Das Ausscheiden diverser Körperflüssigkeiten finden allerorten statt, meistens direkt in die Uferbepflanzung, manchmal aber auch gezielt in den Kasten der Konkurrenz.

Meinem verständnisvollen Spießerherz möchte ich da selbst entgegnen, dass die aktive Teilnahme an solch einer Veranstaltung wirklich großen Spaß macht. Ich kann das sagen, denn ich war dabei. Zumindest empfand ich das so vor gut 20 Jahren, bei der Erstauflage des Bierkastenrennens, damals noch unter dem ambitionierten Titel „Drink & Run“. Organisatoren und das Gros der Teilnehmer rekrutierten sich aus der Berliner Läufer- und Triathlonszene der frühen 90er Jahre. Der „sportliche“ Charakter war den gut 40 Teams wichtig, auch wenn die Taktik manches Zweierteams das nicht vermuten ließ und statt Erdinger Alkoholfrei noch Bärenpils die Kästen füllte. Selbst in diesem überschaubaren Rahmen ließ die Reaktion der Behörden aufgrund von Anwohnerbeschwerden nicht lange auf sich warten. Wurde die zweite Ausgabe noch offiziell genehmigt, unter der Auflage, Dosen statt Flaschen zu verwenden, so fand die dritte Auflage schon nicht mehr statt.

Eigentlich schade. Vielleicht findet sich ja ein professioneller Veranstalter, der Lust hat, im nächsten Jahr diese Tradition mit berlinweiter Ausstrahlung wieder aufleben zu lassen. Mit Stil! Selbstverständlich unter strengsten Auflagen: Die Teilnahme ist auf 40 Teams beschränkt, teilnehmen dürfen nur gestandene Familienväter und zum Einsatz kommen ausschließlich PET-Flaschen des Sponsors Jever Fun. Alle Einnahmen gehen direkt dem Grünflächenamt zu und die Gesamtbelastung für Nachbarschaft und Natur wird die eines durchschnittlichen Herrentages bei schönem Wetter sicher nicht übertreffen.

Ein bisschen Spaß muss sein!

Der Autor ist ehemaliger Triathlet und Inhaber der Kommunikationsagentur public link. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels. (Mitarbeit Nele Pasch)

Ingo Harding

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