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Die ehemalige Lungenklinik Heckeshorn in Wannsee. Wie viele Flüchtlinge werden am Ende hier untergebracht? Aus dem Senat sind verschiedene Zahlen zu hören.

© Thilo Rückeis

Flüchtlingsunterkunft Heckeshorn in Berlin-Wannsee: Zwei Senatoren, zwei Parteien, zwei Zahlen

In Wannsee sind Bürger beunruhigt, weil nicht klar ist, wie viele Flüchtlinge auf dem Gelände der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn unterkommen. Der Justizsenator sagt 720, der Finanzsenator sagt 1800. Was stimmt?

Offenbar wird in Steglitz-Zehlendorf auch aus wahlkampftaktischen Gründen bei der Unterbringung von Flüchtlingen mit ungenauen oder ungefähren Zahlen gearbeitet. Das gilt besonders für die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Gelände der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn. Die Bevölkerung in Wannsee hörte aus der Politik immer wieder unterschiedliche Zahlen, sie schwankten zwischen 300, 450, 1500 und 3000. Auch deshalb gründete sich die Bürgerinitiative "Wannsee 300", die nicht mehr als die im Namen genannte Zahl für angemessen an diesem Standort hält.

Auf einer Veranstaltung der Initiative im Januar war auch Justizsenator Thomas Heilmann geladen, gleichzeitig CDU-Kreisvorsitzender in Steglitz-Zehlendorf. Heilmann wiederum brachte eine ganz neue Zahl ins Spiel und sprach von 720. Das klang für die rund 200 anwesenden Bürger eher beruhigend.

Tatsächlich hatte der Senator diese Zahl nicht falsch referiert, sie geht aus einer schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Stefan Schlede (CDU) an den Senat hervor, die die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beantwortete. Schlede fragte wörtlich: "Trifft es zu, dass der Senat laut Ankündigung durch den Finanzsenator beabsichtigt, neben dem mit ca. 350 Flüchtlingen belegtem Bettenhaus und ca. 65 Plätzen in der ehemaligen Psychiatrie auf dem Gelände der ehemaligen Lungenklinik weitere ca. 1400 Flüchtlinge durch Instandsetzung der Gebäude D und E sowie der Errichtung von 4-5stöckigen Modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) unterbringen will?"

Die Antwort ist lang, zunächst geht aus ihr hervor, dass zurzeit folgende Gebäude belegt sind: Aus dem ehemaligen Therapiewohnheim Am Großen Wannsee ist eine Notunterkunft geworden, betrieben vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland, mit 47 Plätzen. Eine weitere Notunterkunft, die zu einer Gemeinschaftsunterkunft werden soll, ist das alte Bettenhaus A an der Straße Zum Heckeshorn, dort sind zurzeit 229 Plätze belegt, es sollen aber bis zum 1. Juli 330 Plätze werden. Hergerichtet werden noch in diesem Jahr die Häuser D und E ebenfalls als Notunterkünfte mit 250 Plätzen. Auch das alte Schwesternwohnheim wird noch 2016 saniert und bietet dann 100 Personen eine Bleibe.

Die Liegehallen werden 2016 auf jeden Fall abgerissen

Nimmt man diese Zahlen als Grundlage, hat Heilmann völlig korrekt gerechnet, das wären 727 Plätze. Aber die eigentliche Frage lautet, was ist mit den zusätzlichen modularen Unterkünften? Wörtlich heißt es in der Antwort: "Das Grundstück der ehemaligen Lungenklinik Heckeshorn ist aus Sicht des Senats - sowohl bauplanungsrechtlich als auch bauordnungsrechtlich - als Unterkunftsstandort für Flüchtlinge und auch ggf. für eine bauliche Erweiterung geeignet. Eine Einpassstudie mit modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) in dreigeschossiger Bauweise wurde zwar angefertigt; eine Bebauung mit neuen modularen Unterkünften wird an diesem Standort momentan allerdings nicht weiter verfolgt, bleibt aber grundsätzlich möglich."

Auch Justizsenator Thomas Heilmann, CDU, stellte sich der Diskussion mit den Anwohnern
Auch Justizsenator Thomas Heilmann, CDU, stellte sich der Diskussion mit den Anwohnern

© TSP

Allerdings bietet die Antwort einen anderen Hinweis auf das, was vielleicht nicht 2016, aber spätestens 2017 kommen wird. Denn es heißt auch, dass die derzeitigen alten Liegehallen, die marode sind, auf jeden Fall abgerissen werden. "Die Planung sieht vor, den Abriss...in 2016 einzuleiten." Im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf fragen sich manche, warum man etwas abreißen solle, wenn man gar nichts Neues drauf stellen will? In der Antwort an Schlede folgt dann der ebenfalls aufschlussreiche Satz: "Die auf dem beräumten Baufeld geplante Neuerrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft (MUF) mit einer Kapazität von 450 Plätzen wird im Moment nicht verfolgt, bleibt aber grundsätzlich möglich."

Der Knackpunkt für die zukünftig korrekte Zahl der Flüchtlinge in Heckeshorn hängt also davon ab, wann diese Modularen Unterkünfte - dreigeschossig - in Wannsee gebaut werden und wie viele.

Denn Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat - auch nach Auffassung von Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) - selbst von zwei Modularen Unterkünften mit jeweils 450 Plätzen gesprochen. Rechnet man diese Zahlen zusammen, dann käme man - wenn auch nicht schon für 2016, so doch aber später - auf 1627 Plätze.

Am 19. Januar wurde die Senatssitzung im Rathaus Zehlendorf, also in Heilmanns politischer Heimat abgehalten, der Senat tourt immer mal wieder durch die Bezirke, und auch an diesem Tag soll Kollatz-Ahnen von 1800 Plätzen für Heckeshorn gesprochen und eindeutig zwei modulare Bauten gemeint haben. Einen Tag später fand die Anwohnerversammlung der Bürgerinitiative Wannsee 300 statt, wo Heilmann für den Augenblick und für das Wahljahr 2016 richtig rechnete und vielleicht doch nicht die wahrscheinliche Zahl nannte.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben und hat Tagesspiegel-Zehlendorf, Ihr digitales Stadtteil- und Debattenportal, konzipiert. Folgen Sie ihm oder der Redaktion Zehlendorf auch auf Twitter.

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