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Gregor Gysi im Foyer der FU-Mensa in Dahlem.

© Julian Krischan

Gregor Gysi darf an Freier Universität nicht offiziell reden: Linken-Politiker zu Studenten: "Sie sind mir zu brav!"

Weil ihm von der Verwaltung kein Raum zugeteilt wurde, sprach Gregor Gysi im Foyer vor der Mensa der Freien Universität. Unser Blogger kommt zu dem Schluss: Der Fraktionschef bekam viel Applaus, und politische Angriffsfreude ist offenbar nicht mehr ein spezifisches Merkmal der Jüngeren.

Eigentlich seien die Begriffe "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer" falsch: "Dem, der nimmt, wird eigentlich genommen – und der, der gibt, bekommt", sagte Gregor Gysi. Es war eine seiner Pointen, die das Foyer vor der Mensa der Freien Universität in Dahlem am Dienstagabend vor Applaus erschallen ließ.

FU-Pressestelle: Das ist eine Parteiveranstaltung

Und es waren in der Tat viele Studenten und andere Neugierige gekommen, bei denen das Politikinteresse an diesem Abend den Vorrang im Terminkalender bekommen hatte – zumindest, wenn es um Persönlichkeiten wie Gregor Gysi geht, Fraktionschef der Linken im Deutschen Bundestag und seit vielen Jahren das Aushängeschild seiner Partei.

ut besucht, aber ohne offiziellen Raum: Gregor Gysi am Dienstagabend in der FU.
Gut besucht, aber ohne offiziellen Raum: Gregor Gysi am Dienstagabend in der FU.

© Julian Krischan

Dabei war einiges eigentlich anders geplant: Statt mit Sitzplätzen auf dem Boden und improvisierter Technik hätte die Veranstaltung eigentlich in einem "richtigen" Hörsaal oder mindestens in einem Seminarraum stattfinden sollen. Die Hochschulgruppe "Sozialistisch Demokratischer Studierendenverband" (SDS), die der Partei Die Linke nahesteht, hatte im Vorfeld auch einen Raum beantragt – das Präsidium hatte aber abgelehnt. "Unserer Auffassung nach handelte es sich dabei um eine Veranstaltung mit klarem parteipolitischem Profil und ohne direkten Hochschul- oder Wissenschaftsbezug", stellte die Pressestelle auf Anfrage des Tagesspiegel klar.

Gysi: Habe nur eine Aktie vom 1. FC Union

Dass Wolfgang Schäuble im Mai anlässlich des 25. Jubiläums des deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsrates zu einer Diskussionsrunde eingeladen gewesen war, sei durchaus üblich: Die Freie Universität verstehe sich im Rahmen von Veranstaltungen auch als Begegnungsstätte von Wissenschaft und Politik – und so sei im März auch Sarah Wagenknecht von den Linken zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel "Ist Europa noch zu retten?" eingeladen gewesen.

Um Rettungsmöglichkeiten von Europa ging es auch auf der Veranstaltung am Dienstagabend. Der aktuelle Weg der Bundesregierung sei falsch, sagt Gysi. Gerettet würden vor allem Banken – und mittlerweile ließe sich die Regierung von diesen sogar noch vorwerfen, dass sie als Staat zu viele Schulden auf dem Buckel habe. Die Aktionäre gingen im Handeln mancher Politiker über alles. "Ich habe in meinem Leben nur eine einzige Aktie gekauft – und dabei wusste ich genau, dass ich das Geld nie wieder bekomme: Beim 1. FC Union."

Im Foyer bricht Lachen aus, und einige haben es sich mittlerweile mit Snacks und Getränken auf dem Fußboden gemütlich gemacht. Gysi scheint durchaus einen Draht zu den jungen Leuten gefunden zu haben – und die hören gespannt zu.

Aufmerksame Zuhörer oder zu brave Zuhörer?
Aufmerksame Zuhörer oder zu brave Zuhörer?

© Julian Krischan

Die Linke setze sich für ein Besteuerungssystem ein, das wie in den USA an die Staatsbürgerschaft gekoppelt sei, erklärt Gysi. Dadurch wäre auch Griechenland wieder wohlhabender, denn viele der reichen Menschen von dort würden ihre Wohnsitze im Ausland nehmen – um der Besteuerung zu entgehen. Was wirkliche soziale Gerechtigkeit bedeute, sei vielen Menschen heutzutage nicht bewusst. Und so schwenkt Gysi über zur aktuellen politischen Lage, zur Konstituierung des 18. Deutschen Bundestages am selben Tag.

Am Ende überraschte er die Studenten

Von der SPD sei er etwas enttäuscht – die bräuchte mal wieder "mehr Mumm". Statt gemeinsam mit der Linken und den Grünen im Bundestag schleunigst über einen gesetzlichen Mindestlohn abzustimmen, würde sie aus Rücksicht auf die CDU die ersten Sitzungen abblasen – weil es noch keine neue Regierung gebe. Dabei vergesse die SPD aber, dass die CDU alleine nichts ausrichten könne. Und der stärkste Oppositionspolitiker in spe? Na klar, er selbst!

Unser Autor und Zehlendorf Blogger ist 28 Jahre alt und studiert an der Freien Universität in Dahlem "Medien und politische Kommunikation".
Unser Autor und Zehlendorf Blogger ist 28 Jahre alt und studiert an der Freien Universität in Dahlem "Medien und politische Kommunikation".

© privat

Über mangelnden Zuspruch und mangelndes Interesse von jungen Leuten an Politik konnte sich Gregor Gysi an diesem Abend nicht beklagen. Dabei überraschte er zum Abschluss der Veranstaltung selbst mit einem verblüffenden Statement: "Wenn ich Ihnen mal etwas sagen darf: Sie sind mir wirklich zu brav!"

Politische Angriffsfreude scheint heute kein spezifisches Merkmal der jüngeren Generation mehr zu sein – und so wurden auch die Zwischenfragen des Publikums in ganz normalem Tonfall gestellt, nachdem die Fragewilligen ans Mikrofon gelassen wurden.

Der Autor ist 28 Jahre alt und studiert "Medien und politische Kommunikation" im Masterstudium an der Freien Universität in Dahlem. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Julian Krischan

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