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Die Schwimmhalle am Hüttenweg. Auch hier öffnen nun erst um 6.30 Uhr die Pforten - für Berufstätige, die um 8 Uhr arbeiten müssen, ist Frühschwimmen nun kaum noch möglich, sagt unsere Leserin

© Berliner Bäder

Harmonisierung der Öffnungszeiten in den Berliner Bädern: Frühschwimmen mit Behinderungen

Die Harmonisierung der Öffnungszeiten in den Berliner Bädern macht Frühschwimmern zu schaffen - eine betroffene Leserin muss wegen ihrer Schwerbehinderung nun besonders gegen den Zeitdruck kämpfen.

Manuela N. geht gerne schon morgens vor der Arbeit schwimmen. Am liebsten gegen 6 Uhr, dann schafft sie es, noch 25 bis 30 Minuten im Hallenbad ihre Übungen zu machen, bevor sie um 8 Uhr anfängt zu arbeiten. Schwimmen bedeutet für Frau N. Lebensbejahung und körperliche Fitness. „Meine Beschwerden werden durch die Bewegung im Wasser verbessert, ich bin dann mobiler und fühle mich insgesamt besser.“ Im Wasser könne sie Bewegungen umsetzen, die ihr außerhalb des Beckens schwer fallen.

Frau N. ist schwerbehindert und trainiert dreimal die Woche im Hallenbad, um sich fit und mobil zu halten. Seit Beginn der Hallensaison aber muss sie sich beeilen, um ihr Pensum morgens vor der Arbeit noch zu schaffen. Denn mit der neuen Saison haben alle Berliner Bäder ihre Öffnungszeiten in den Morgenstunden um 30 Minuten reduziert, im Stadtbad Lankwitz seien die Öffnungszeiten sogar um eineinhalb Stunden reduziert worden. Auch das Hallenbad am Hüttenweg, das für Frau N. am besten zu erreichen ist, öffnet jetzt erst um 6.30 Uhr. „Wenn man wie ich um 8 Uhr bei der Arbeit sein muss, ist das nicht zu schaffen“, sagt Frau N. „Nicht nachvollziehbar scheint in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass gerade die Schul- und Vereinsbäder, die fast nur Frühschwimmen anbieten, auch in ihren Öffnungszeiten eingeschränkt wurden.“  

Harmonisierung erfolgte "auf starken politischen Wunsch"

„Die Bäderbetriebe leiden unter Fachkräftemangel“, sagt eine Sprecherin der Bäderbetriebe dem Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf, „es gibt zwar Geld für 25 freie Stellen, aber die kriegen wir nicht besetzt.“ Seit einiger Zeit werde schon bundesweit nach Fachangestellten gesucht. Nun seien die Öffnungszeiten „auf starken politischen Wunsch“ von Seiten des Senats harmonisiert worden. Auf diese Weise könne man das Personal besser von Bad zu Bad austauschen. „Aber die Frühschwimmzeit ab 6 Uhr fällt weg.“ Davon seien in ganz Berlin etwa 150 Frühschwimmer betroffen, also acht bis zwölf Badegäste pro Bad; bei durchschnittlich 18.000 Badegästen pro Tag müsse man da „eine Entscheidung treffen“ - auch wenn jede Beschwerde eine Beschwerde zu viel sei. Im Gegenzug hätten sich aber auch längere Öffnungszeiten ergeben, z. B. für die Schwimmhalle am Hüttenweg.

Frau N. erklärt dazu: „Es mag sein, dass das nur eine Minderheit betrifft. Aber wir Frühschwimmer sind bestimmt die treuesten Kunden – ich sehe da jedenfalls immer die gleichen Gesichter.“ Für das Frühschwimmen gäbe es einen Sondertarif von 3,50 Euro für 65 Minuten, "darin sind insgesamt 20 Minuten für das Umziehen vorgegeben, das schaffe ich mit meiner Behinderung nicht. Vorher bin ich in der Regel um 6 aufgeschlagen und um 7 Uhr wieder gefahren. Nun bleiben mir statt einer halben Stunde nur 15-20 Minuten im Wasser, das macht schon einen Unterschied“, erklärt Frau N.

Kein Rabatt für Schwerbehinderte

Kürzlich war Frau N. im Alten Land zu Besuch und hat beim Frühschwimmen auf Vorlage ihres Behindertenausweises einen Rabatt bekommen. „Was in anderen Teilen der Bundesrepublik durchaus üblich ist, ist hier anscheinend nicht machbar.“

Bei den Berliner Bädern sagt man dazu: „Ermäßigungen orientieren sich an der Sozialgesetzgebung, und diese richtet sich nach der Bedürftigkeit. Eine Ermäßigung erhalten bei uns Kinder, Arbeitslose und Azubis, der soziale Status ist dabei relevant, nicht die Behinderung, denn ein Mensch mit Behinderung muss nicht in einer finanziellen Notlage sein. Die eigentlichen Benefits für Behinderte generieren sich bei den Berliner Bädern etwa aus dem gleichberechtigten Zugang, also z. B. Barrierefreiheit.“

Dominik Peter vom Berliner Behindertenverband sagt dazu: „Es gibt ein sehr uneinheitliches Bild was Rabatte auf die Eintrittspreise in öffentlichen Einrichtungen, Museen, Konzerte angeht. Das wird unterschiedlich gehandhabt und es gibt keinen Rechtsanspruch auf Preisnachlass. Manchmal ist aber beispielsweise beim Kinobesuch die Begleitung frei.“ Ob ein Betreiber oder Veranstalter Rabat gewährt, ist also eine freiwillige Leistung.

Parkgebühren kommen noch dazu

Zusätzlich zum vollen Eintrittspreis ärgert sich Frau N. auch über Parkgebühren für Behinderte. „Dadurch müssen gerade die, die wie ich auf das Auto angewiesen sind, einen deutlich höheren Preis für das Schwimmen bezahlen. Und das, obwohl viele aufgrund ihrer Behinderung meistens über weniger Geld verfügen“, sagt Frau N. „Zusätzliche Medikamente, Anwendungen, die die Krankenkasse nicht mehr bezahlt, Hilfsmittel – als behinderter Mensch habe ich höhere Ausgaben im Alltag.“ Zudem könne man als Schwerbehinderter selten einer vollen Beschäftigung nachgehen. „Nicht jeder Behinderte bezieht Sozialhilfe, liegt mit dem Gehalt aber häufig nur knapp über der Einkommensgrenze für Sozialhilfe.“ Parkgebühren für den Schwimmbadbesuch findet sie generell schwierig, gerade auch für Familien mit Kindern und viel Gepäck.

Die Berliner Bäder dazu: „Anfang 2016 haben wir gemäß der Aufforderung durch das Land Berlin Parkraumbewirtschaftung eingeführt. Vor diesem Hintergrund haben die Berliner Bäder viele Parkraumflächen an Pächter übergeben, etwa an die OBS Sicherheitsdienste GmbH für die Schwimmhalle am Hüttenweg.“ Man solle doch wegen der Parkgebühren für Behinderte mal beim Pächter direkt nachfragen.

Dort, bei der OBS Sicherheitsdienste GmbH, wundert man sich: “Das müssten die Bäderbetriebe doch wissen: Bei uns können Gehbehinderte unter Vorlage des amtlichen blauen Ausweises umsonst parken. Nicht nur auf den Behindertenparkplätzen, sondern, sofern diese besetzt sind, auch auf den anderen.“

„Schwimmen streichelt die Seele“

Frau N. freut sich, dass wenigstens die Parkgebühren nun wegfallen. Sie möchte weiter morgens schwimmen gehen, auch wenn jetzt weniger Zeit bleibt. Aber sie war schon immer gern im Wasser, sagt sie. „Schwimmen streichelt die Seele.“

Und sie hat noch einen Tipp für die Berliner Bäder: Im Urlaub letztens, im Alten Land, hat sie um 6 Uhr morgens ihre Eintrittskarte eingescannt. „Das funktioniert auch. So kann man auch Personal sparen.“

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