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Weil fast die Hälfte der Gebäude seit Oktober 2013 nicht genutzt werden kann, bietet die Schottenburg bis auf weiteres ein Notprogramm

© Anett Kirchner

JFE Schottenburg in Zehlendorf verwahrlost weiter: „Eine Luftnummer von CDU und Grünen“

Seit Jahren steht die Jugendfreizeiteinrichtung Schottenburg kurz vor dem Zerfall, nötige Sanierungen lassen auf sich warten. Das zuständige Hochbauamt habe erst seit Februar die notwendigen Mittel erhalten, auch die Vorplanungsunterlage liege nun erst vor, so Bezirksstadtrat Karnetzki (SPD).

Im Café der musikorientierten Jugendfreizeiteinrichtung (JFE) Schottenburg am Brittendorfer Weg in Zehlendorf wird schon lange keine Limo mehr ausgeschenkt. Hier pulsierte einst das Leben. Kinder und Jugendliche trafen sich zum Klönen, Singen und Musizieren. Heute indes verwahrlosen die Räume immer weiter. Instrumente, Lautsprecher und Notenständer lagern hier. Das Tonstudio ist gesperrt, die Musik lange verstummt. Wir vom Tagesspiegel Zehlendorf haben bereits im Mai letzten Jahres darüber berichtet. Ein erneuter Besuch vor Ort zeigt, dass sich seitdem nichts verändert hat: Räume sind gesperrt, nötige Sanierungen lassen auf sich warten. Mitglieder laufen weg.

„Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagt Volker Herd, der Vereinsvorsitzende der Schottenkinder. „Trotz der eindrucksvollen Versprechen einiger Bezirkspolitiker, die Schottenburg wiederherstellen zu lassen, können wir erst dann wieder hoffen, wenn diesen Worten auch Taten folgen!“ Der Träger soll eigentlich die Einrichtung mit Leben füllen. Doch weil fast die Hälfte der Gebäude seit Oktober 2013 nicht genutzt werden kann, bietet die Schottenburg bis auf weiteres ein Notprogramm. Dem Dilemma gehen eine missglückte Dachsanierung mit Wassereinbruch und eine halbfertige Sanierung im Keller voraus. Dafür wiederum fehlte die Baugenehmigung und der Brandschutz war in Teilen der Gebäude auch nicht gewährleistet.

Die Freizeiteinrichtung, die zum Jugendamt Steglitz-Zehlendorf gehört, stehe nunmehr kurz vor dem Zerfall; im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Ist das vielleicht gewollt, fragen sich die letzten Schottenkinder, die hier fast verzweifelt ausharren. Im Moment hat der Verein etwa 80 Mitglieder. Früher waren es einmal 200. Sieben ehrenamtliche Helfer gibt es noch, vorher waren es 20.

„Der Personalmangel im Hochbauamt führt dazu, dass die Sanierung in der Schottenburg nicht vorangeführt werden kann“, machte die Jugend-Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) in der letzten Sitzung der Bezirksverordneten vor der Sommerpause deutlich. Es gebe ein Budget von 250.000 Euro, sagte sie, man könne im November mit den Arbeiten beginnen, sie rechne mit zwei Monaten Bauzeit.

Diese finanziellen Mittel stehen erst seit Ende Februar für die Arbeiten an der Schottenburg zur Verfügung, sagt aber Michael Karnetzki (SPD) dem Tagesspiegel Zehlendorf auf Nachfrage. Als Bezirksstadtrat ist er für den Hochbauservice zuständig. „Ohne die Mittel konnten keine Baumaßnahmen geplant und durchgeführt werden“, erklärt er weiter. Seither habe es, anders als behauptet, keine lange Verzögerung gegeben. Die erforderliche Vorplanungsunterlage liege jetzt vor. Nach seiner Einschätzung würden die Arbeiten mehrere Monate dauern, könnten demnach nicht mehr in diesem Jahr abgeschlossen werden. „Das sind normale Bauabläufe, die man meistens nicht gerne hört und das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Schottenburg nicht die notwendige Priorität genießt“, ergänzt er.

Die CDU-Fraktion hatte das Thema mit einer Großen Anfrage auf die Tagesordnung der letzten BVV-Sitzung gebracht und damit eine kontroverse Debatte ausgelöst. Zudem stellten Grüne und CDU einen Antrag, worin sie das Bezirksamt ersuchten, die Bautätigkeit „Schottenburg“ aus dem Bereich des Bezirksstadtrates Michael Karnetzki (SPD) zu entziehen. Der Antrag wurde zwar nachher beschlossen, allerdings ohne die Stimmen von SPD und Piraten.

„Der Antrag ist nicht zielführend und eher ein Ausdruck der Handlungsunfähigkeit der schwarz-grünen Zählgemeinschaft“, stellte der Piraten-Fraktionschef Eric Lüders seinen Standpunkt klar. Markl-Vieto und Karnetzki würden sich hier einander die Schuld zuschieben und sich gegenseitig Vorwürfe machen. Wie soll ein Bezirksamt, das so zerstritten ist, plötzlich das Problem lösen können, fragte Lüders in die Runde. Zu dieser Analyse des Piraten hatten zuvor unter anderem die scharfen Argumente von Torsten Hippe, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, geführt. Denn auch er sah den Hauptgrund für die Verzögerungen in der Schottenburg beim Personalmangel im Hochbauamt.

„Wir haben die Hoffnung verloren"

„Ich schäme mich, wenn ich die Räume sehe, die nicht genutzt werden können“, sagte Hippe, der sich die Lage in der Schottenburg angeschaut habe. Die Lösung bestehe darin, das Bauprojekt Karnetzki zu entziehen. „Wir haben die Hoffnung verloren, dass er das allein schafft.“ Ferner kritisierte er, dass sich der Bezirksstadtrat hinter den Bauvorschriften verstecke. Hippe forderte jetzt kreative Lösungen wie etwa das Bauvorhaben an die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) abzugeben. „Das schulden wir einem Verein, der sich mit seinem sozialen Engagement hervorgetan hat und jetzt ausblutet.“  

Den Vorwurf, sich hinter Bauvorschriften zu verstecken, will Karnetzki nicht auf sich sitzen lassen: „Die Fraktionen weigern sich, Abläufe für ordnungsgemäßes Bauen durch eine öffentliche Baudienststelle zu akzeptieren.“

Er trage letztlich die Verantwortung für rechtskonformes Verwaltungshandeln in seinem Bereich und werde sich nicht durch eine unsachgemäße Kritik dazu bringen lassen, rechtswidrig zu handeln. Das „Hilfsangebot“ von CDU und Grüne sei eine Luftnummer und enthalte keine umsetzbaren Vorschläge, um die Baumaßnahme zu beschleunigen. Und diese an die BIM abzugeben, erklärt er weiter, sei rechtlich nicht möglich, weil der Bezirk die Bauherrenverantwortung für seine Gebäude nicht abgeben könne.

Außerdem seien Café und Keller der Schottenburg im vergangenen Jahr nicht von ihm gesperrt worden, sondern von der Bauaufsicht, die zur Abteilung Stadtentwicklung gehört. „Grund war, dass sie für die Nutzung als Café und als Bandübungsräume niemals genehmigt worden sind“, erklärt Karnetzki. Voraussetzung für eine Wiedereröffnung der Räume sei ein entsprechender Nutzungsantrag des Eigentümers bei der Bauaufsicht.

Und dieser Antrag für eine andere Nutzung wurde auch im März 2015 von der Abteilung Jugend, Gesundheit, Umwelt und Tiefbau des Bezirksamtes gestellt, wie der Tagesspiegel Zehlendorf jetzt vom Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Frank Mückisch (CDU) erfuhr. „Doch die Bearbeitung ruht“, erklärt er. Denn die für eine abschließende Bearbeitung notwendigen Unterlagen seien nicht vollständig.

Ungeachtet dessen könnten so genannte verfahrensfreie Instandsetzungsarbeiten wie Malerarbeiten, Reparaturen von Dachschäden, Veränderungen oder Erneuerungen an der Heizungsanlage oder beispielsweise von kaputten Fenstern bereits durchgeführt werden. Dagegen bauliche Änderungen bei den brandschutzrelevanten Einrichtungen sowie bei den statischen Konstruktionen seien lediglich mit einer Baugenehmigung möglich.    

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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