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Das Familienbüro im Rathaus Zehlendorf verbindet Verwaltung mit sozialer Beratung.

© Thilo Rückeis

Jugendamt in Berlin-Zehlendorf: Weniger Bürokratie für junge Eltern

Vom Elterngeld bis zum Kita-Gutschein: Mütter und Väter haben viele bürokratische Hürden vor sich. Zwei Bezirke machen es ihnen leichter.

Von Ronja Ringelstein

Berrin Özkan ist eine selbstständige Frau, eine gut organisierte Person, das sieht man schon an ihrem Kleidungsstil. Stiefel, Bluse, Poncho – für einen Gang zum Jugendamt sehr schick. Seit acht Monaten ist sie Mutter. „Das ist nicht so einfach, wie man sich das vorgestellt hat“, sagt die 36-Jährige und spricht damit wohl den meisten Eltern aus der Seele.

Nach der Geburt müssen Eltern viel regeln

Immer ist man bepackt unterwegs, mit Kinderwagen, Wickeltasche, Flaschen, Knabberbox – und gerade in den kälteren Monaten kann das Anziehen und Losgehen mit einem kleinen Kind ganz schön dauern. Jeder Gang zu einer Behörde ist also ein kleiner Kraftakt. Aber nach der Geburt müssen Eltern viel regeln: Das Kind anmelden, Elterngeld, Kita-Gutschein, Kindergeld beantragen und für jeden Antrag muss man zu einer anderen Stelle. „Gerade am Anfang ist es viel“, sagt Özkan. Im Mai, kurz nach der Geburt von ihrem Sohn Umut, war sie das erste Mal beim Jugendamt Steglitz-Zehlendorf, am Zehlendorfer Rathaus.

Berrin Özkan mit ihrem Sohn Umut im neuen Familienbüro beim Jugendamt Steglitz-Zehlendorf.
Berrin Özkan mit ihrem Sohn Umut im neuen Familienbüro beim Jugendamt Steglitz-Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

Das Familienbüro: Alle Anträge auf einmal, ohne Termin

An diesem Novembertag ist sie da, um Dokumente nachzureichen. Aber etwas anders als bei ihrem letzten Besuch: Es gibt vier neue Räume auf deren Türen die bunte Aufschrift „Familienbüro“ prangt. Aus mehreren Anlaufstellen wurde eine einzige gemacht. Angesiedelt beim Jugendamt können Eltern nun bei einem Besuch den Kita-Gutschein, Elterngeld und Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende beantragen und dazu beraten werden. Beim Jugendamt in Zehlendorf können Eltern jetzt einfach während der Öffnungszeiten kommen, ohne Termin. Der Idealfall ist, dass Familien bei einem Besuch alle Formulare abgeben können. Sollte nach der Erstberatung noch fachliche Unterstützung nötig sein, kann man entweder sofort zur entsprechenden Fachdienststelle, etwa für Elterngeld, gehen oder den Termin dort vereinbaren. Ämterlotsen, geschulte ehrenamtliche Helfer, beraten beim Ausfüllen der Anträge.

Eine Besonderheit: soziale Beratung gleich nebenan

Eine Besonderheit ist zudem die Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk, das eine soziale Beratung über die Verwaltung hinaus anbietet. „Wir stehen hinter der Idee für Familien einen Ort zu schaffen, wo sie alles, was sie benötigen erfragen können“, sagt Sabine Hafener, Geschäftsführerin bei der Diakonie Steglitz-Zehlendorf. Es komme vor, dass etwa eine alleinerziehende Mutter, die den Antrag für Unterhaltsvorschuss ausfüllt, darüber in Tränen ausbricht. Verwaltungsangestellte sind für solche Situationen nicht ausgebildet – die beiden Mitarbeiter der Diakonie sind es und die sitzen nur einen Raum weiter. „Eltern sehen oft eine große Hürde, sich Hilfe bei sozialen Stellen zu suchen. Denn man will es ja allein schaffen“, sagt Isabell Simonsmeier. Sie ist die stellvertretende Fachreferatsleiterin vom Referat Familienförderung und frühe Bildung beim Jugendamt.

Solche Ideen müssen "von oben" gewollt sein

Die Idee zum Familienbüro entstand vor etwa zwei Jahren. „Wir sind die Umsetzung hier sehr gründlich angegangen. Für die Mitarbeiter im Jugendamt war das eine Herausforderung. Sie mussten auch Vertrauen haben, dass es keine Mehrarbeit bedeutet, nur eine Umstrukturierung“, erzählt Simonsmeier. Eine solche Idee lässt sich nur umsetzen, wenn sie auch „von oben“ gewollt ist. Die Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) wollte das Familienbüro und ist stolz, dass Steglitz-Zehlendorf nun als zweiter Bezirk nach Friedrichshain-Kreuzberg diesen Service bietet.

„Der Grundgedanke ist simpel: Es dem Bürger einfacher machen“, sagt Markl-Vieto. Sie hat sich besonders für die neuen Räumlichkeiten eingesetzt, denn nur durch die Nähe geht das Konzept der sozialen und der verwaltungsrechtlichen Beratung im Wechsel auf. Am 4. Dezember soll offizielle Eröffnung gefeiert werden, schon seit drei Wochen ist das Büro aber in Betrieb.

Auch andere Bezirke haben ähnliche Ideen, nicht überall klappt das

Die Zusammenarbeit mit einem freien Träger ist ein Novum, doch auch andere Bezirke denken um. In Tempelhof-Schöneberg, hat die BVV ein „Familienbürgerbüro“ beantragt. Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD) gefällt die Idee einer Infostelle, zu der Bürger mit jeder Frage kommen können, um dann gezielt zu den Fachdiensten geschickt zu werden. „Manchmal verzweifeln Menschen daran, dass sie nicht den richtigen Ansprechpartner haben“, sagt Schworck. Auch hier soll das Jugendamt mit einem freien Träger für eine soziale Beratung zusammenarbeiten. Im Frühjahr 2016 soll die neue Stelle eröffnet werden. In anderen Bezirken wird die Idee eines Familienbüros zwar begrüßt, eine Umsetzung aber nicht geplant. Den Bezirk Mitte etwa habe der Personalabbau der vergangenen Jahre hart getroffen, wie Bezirksstadträtin Sabine Smentek (SPD) sagt. Über kundenorientierte Ämter könne man sich daher keine Gedanken machen.

Die Berliner Grünen wollen noch mehr

Die Berliner Grünen planen hingegen noch mehr. Auf ihrem Landesparteitag nahmen sie den Plan, „Familien-Service-Büros“ in ganz Berlin zu etablieren, in ihr Wahlprogramm auf. Die Umsetzung allerdings wird schwierig, das weiß auch Landesvorsitzende Bettina Jarasch. „Eine Verwaltung zu verändern, ist ein großes und langwieriges Verfahren“, sagt sie. Ämterübergreifende Zusammenarbeit fordert nicht nur eine Umstrukturierung, sondern vor allem mehr Personal. Und genau das fehlt.

Berrin Özkan ist schon für die Neuerungen im Zehlendorfer Jugendamt dankbar. „Es ist eine große Erleichterung. Ich fände es natürlich gut, wenn zum Beispiel auch die Kindergeldstelle am gleichen Ort wäre“, sagt sie und schiebt ihren Kinderwagen davon, in dem der kleine Umut warm eingepackt schläft. Umut, das ist Türkisch und bedeutet Hoffnung.

Was Eltern nach der Geburt eines Kindes zu tun haben:

Innerhalb einer Woche nach der Geburt muss das Kind angemeldet werden – dann bekommt man die Geburtsurkunde. In den meisten Krankenhäusern ist das möglich – alle Unterlagen, also Geburtsbescheinigung, Heiratsurkunde/eigene Geburtsurkunden, Personalausweise, sollten die werdenden Eltern im Krankenhaus dabei haben. Oder innerhalb einer Woche zum Standesamt des Wohnbezirks gehen und es nachholen.

Mit der Geburtsurkunde erhält man die nötigen Durchschriften für: Antrag auf Kindergeld, Elterngeld, Mutterschaftsgeld. Berufstätige Mütter können Mutterschaftsgeld bei der Krankenkasse für die Zeit des Mutterschutzes, acht Wochen nach der Geburt, beantragen. Elterngeld sollte möglichst bald nach der Geburt bei der Elterngeldstelle des Jugendamtes beantragt werden, denn das ist nur drei Monate rückwirkend möglich.

Bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit kann Kindergeld beantragt werden, was bis zu vier Jahre rückwirkend möglich ist. Ab 2016 müssen Eltern ihre eigene Steuer-Identifikationsnummer und die des Kindes beim Antrag auf Kindergeld angeben.Die Steuer-ID bekommt das Kind an die Meldeadresse innerhalb von drei Monaten nach der Geburt zugeschickt.

Wenn Eltern das Kind beim Finanzamt in die elektronische Lohnsteuerkarte eintragen lassen, können sie für das Kind Steuerfreibeträge geltend machen. Unterhaltsvorschuss erhalten Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und keinen (regelmäßigen) Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten. Für einen Kitaplatz muss frühestens neun Monate, spätestens zwei Monate vor Betreuungsbeginn ein Gutschein im Jugendamt beantragt werden.

Mehr zum Thema: Mütter und Väter berichten, wie sie ihre Kinder betreuen. Was sie stört und was sie sich wünschen.

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