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Regentenaustausch. Berlins Regierender Michael Müller und Brandenburgs Landesvater Dietmar Woidke auf der Glienicker Brücke. Die beiden tauschen sich ständig aus, aber einer Tradition folgend gab es nun diesen offiziellen Antrittsbesuch.

© dpa / Bernd Settnik

Michael Müller trifft Dietmar Woidke: Hallo Nachbar! Austausch auf der Agentenbrücke

Berlins Regierender Bürgermeister Müller macht sich auf den Weg zu Brandenburgs Ministerpräsidenten Woidke. Und wo geben sich die beiden die Hände? Logo, auf der Glienicker Brücke zwischen Berlin-Wannsee und Potsdam.

Dietmar Woidke steht im schwarzen Mantel auf der Glienicker Brücke, genau am Streifen, der einst den Eisernen Vorhang zwischen Ost und West markierte. Wo einst die Mächte ihre Spione austauschten. Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Landeschef schaut rüber in den Westen. Denn von dort soll Michael Müller kommen, seit knapp drei Monaten Regierender Bürgermeister in Berlin, also Woidkes Amtskollege und ebenso Sozialdemokrat, der seinen Antrittsbesuch in Potsdam absolvieren will. Es ist eher eine Formalie, politische Etikette, eine Tradition zwischen beiden Ländern.

Woidke und Müller haben sich schon oft genug gesehen – und eine Schlacht geschlagen, wie Woidke selbst sagt. Vor zwei Wochen setzten sie in der Flughafengesellschaft gegen den Bund den früheren Rolls-Royce-Manager Karsten Mühlenfeld als neuen Chef des Hauptstadtflughafens BER durch. Es war auch eine Machtdemonstration, generalstabsmäßig vorbereitet, beide zogen an einem Strang. Bei einer solchen Schlüsselfrage gab es das in dieser Form, in dieser engen Abstimmung selbst unter ihren Vorgängern Klaus Wowereit und Matthias Platzeck nicht.

Die Polizei sperrt die Brücke, die Bürgermeister sind da

Dann kommt Müller, die Polizei sperrt beidseits der Glienicker Brücke die Straße. Müller steigt aus, Schulterklopfen, die Kameras blitzen. Woidke zeigt Müller die Grenzmarkierung mitten auf der Brücke. Er habe die so noch nie gesehen, sagt Müller. Dann frotzelt Woidke über den grünen Anstrich der Brücke, fast ein Symbol dafür, dass es trotz aller Nachbarschaftlichkeit nicht nur beim gemeinsamen Jugendarrest oder beim gemeinsamen Abitur, sondern selbst im Kleinen oft genug hakt zwischen den beiden Ländern.

Hier ist die Farbe dunkler, dort heller

Auf Berliner Seite ist die Farbe dunkler, auf Brandenburgs heller. Müller erzählt, dass er einst in Wannsee im Ruderverein war und deshalb nach dem Mauerfall unbedingt zur Brücke musste. Freundlichkeiten werden ausgetauscht. Dann noch ein paar Fotos, Blicke übers Wasser, schließlich ein paar Statements für die Presse. Ob sich er denn mit Müller besser verstehe als mit dessen Vorgänger Wowereit, wird Woidke gefragt, der natürlich abwinkt. Nein, nein, mit Wowereit habe er keine Probleme gehabt und freue sich auf die Zusammenarbeit mit Müller. Aber jeder, der die beiden zusammen sieht, weiß es: Da sind zwei vom gleichen Schlag in Berlin und Brandenburg an der Macht, die spröde wirken, denen das, nun ja, Charisma à la Wowereit und Platzeck fehlt, die pragmatisch und nüchtern regieren, eher Problemlöser sind denn Blender. Und sie kommen bei den Leuten an, in den Umfragen sind sie mit Abstand die beliebtesten Politiker, jeder in seinem Land.

Woidke sagt, Berlin und Brandenburg arbeiten so gut zusammen wie keine andere Metropole mit ihrem Umland. Erst am Vormittag haben Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) und Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) eine Vereinbarung für ein länderübergreifendes Krebsregister unterzeichnet. Der dazu nötige Staatsvertrag soll bald unterschrieben werden. Jetzt gehe es darum, wie „wir es mittel- und langfristig noch besser machen können“, sagt Woidke. Es gehe um Wirtschaft und Infrastruktur, um die bessere Verkehrsanbindung zwischen Berlin und seinem Umland. Er werde alles für Brandenburg rausholen, Müller für Berlin und gemeinsam für die Metropolenregion.

Wie wäre es denn mit einer Länderfusion?

Müller sagt, die Bürger in beiden Ländern profitieren von neuen Jobs und guten Verkehrswegen. Da sei „nicht mehr streng zu trennen zwischen Berlin und Brandenburg. Und wir haben gemeinsam etwas davon.“ Auch ums Nachtflugverbot am BER geht es, Woidke will es ausweiten, Wowereit ließ ihn noch kühl abblitzen mit der selbstbewussten Haltung eines Hauptstädters. Woidke versucht es bei Müller wieder und wiederholt, das Großprojekt dürfe nicht gegen die Anwohner durchgesetzt werden, darüber werde jetzt mit dem neuen Geschäftsführer zu reden sein. Nun wird auch Müller beim Nachtflugverbot nicht umknicken. Aber der Ton hat sich geändert. Er sei für alles zu haben, was den Lärm auf die Tageszeiten konzentriere und Anwohner schütze, sagt der Regierende Bürgermeister.

Trotz der guten Laune: Eine Fusion, 1996 am Votum der Brandenburger gescheitert, peilt derzeit niemand ernsthaft an, auch wenn vorsorglich im Potsdamer Landtagsschloss Platz für Berliner Abgeordnete gelassen wurde. Müller ist zwar nicht abgeneigt, aber man könne das nicht von oben durchdrücken, wenn es emotionale Vorbehalte gibt. Die gute Zusammenarbeit könne nur den Boden für weitere Schritte ebnen, „wenn nicht heute, dann morgen“, sagt Müller. Dazu gehört auch eine Tradition, die beide wiederbeleben wollen – die der gemeinsamen Kabinettssitzungen, da herrschte lange Ruhe. Am Dienstag nach Pfingsten ist es nun wieder soweit. Das letzte Treffen ist drei Jahre her und musste abgebrochen werden. Es war der 8. Mai 2012, jener Tag, als die wenige Wochen später geplante Eröffnung des Hauptstadtflughafen abgesagt wurde.

Dann ziehen Müller und Woidke davon, es ist ein kurzer Fußweg in ein Restaurant nahe der Brücke, Potsdams erste Adresse für vertrauliche Gespräche. Der Verkehr auf der Brücke rollt wieder.

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