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Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere Leser an die erste Filiale in der Fischerhüttenstraße

© Familie Demski

Reformhaus Demski: "Der Laufstall stand vor der ersten Filiale"

Das Reformhaus Demski ist eine echte Zehlendorfer Erfolgsstory. Während viele andere Traditionsgeschäfte schließen mussten, setzt das Familienunternehmen auf eine Mischung aus alter Schule und Fortschritt. Der Zehlendorf Blog hat den heutigen Juniorchef Marc-Andreas Demski getroffen.

"Meine Mutter ist damals mit dem Bus durch Berlin gefahren auf der Suche nach passenden Geschäftsräumen für ihr Reformhaus. An der Krummen Lanke meinte sie, hier würde sie sich wohl fühlen,“ erzählt Marc-Andreas Demski ein wenig versonnen. Er sitzt an einem Tisch in der neuesten Demski-Filiale an der Clayallee, die Hände gefaltet, und lässt seine Blicke schweifen über farbenfrohes Obst und Gemüse, das wie auf einem Marktstand ausgestellt ist, über Weinregale und helle Tuben mit Naturkosmetika in dunklen Holzregalen. Inszeniert von moderner Lichttechnik. Reformhaus meets Hightech. Offenbar mit Erfolg - schließlich ist die jüngste Filiale gerade von der Genossenschaft Reformhaus e.G. zum Reformhaus der Jahres 2015 gewählt worden.

Doch zurück ins Jahr 1960, als die damals 25jährige Ingrid Demski, geb. Freidank im Bus durch Zehlendorf fuhr, um sich ihren Traum zu erfüllen. Ihre Familie hatte alles im Krieg verloren. Ingrid Freidank musste sich also alles selbst hart erarbeiten. Sie hatte ursprünglich eine Büroausbildung gemacht, war dann aber einer Herzensentscheidung gefolgt und hatte neue Ausbildung in einem Reformhaus angefangen. Schnell war sie zur Filialleiterin aufgestiegen - mit einem Traum: sich selbständig zu machen.

Zusätzlich zur Arbeit tagsüber im Reformhaus kellnerte sie abends und nachts im Tiergartenpavillon. Mit 4000 DM Sicherheit konnte sie schließlich den Vermieter eines Ladengeschäfts in der Fischerhüttenstraße überzeugen und so eröffnete sie als jüngste Reformhausbesitzerin Deutschlands am 14. April 1960 ihr erstes eigenes Reformhaus.

Der Sohn resümiert heute: „Die Idee, das Geschäft in Zehlendorf zu eröffnen, war richtig, weil hier viele Leute schon damals eine Verbindung zur Idee Reformhaus hatten. Seither haben in Summe die Verbraucher zugenommen, die sich für eine Reformhaus orientierte Lebensweise interessieren, es gibt aber auch mehr Wettbewerber.“

Ein weiterer Unterschied: In den 60er Jahren bestand ein direkter Kontakt zwischen Hersteller und Reformhausbesitzer: „Ingesamt war die Bandbreite natürlich viel kleiner als heute, und so kannten meine Eltern viele Zulieferer noch persönlich. Das Verhältnis zwischen Hersteller und Reformhausbesitzer war schon fast familiär. Die Firma Börlind zum Beispiel gab es von Anfang an im Laden meiner Eltern. Das hat sich natürlich inzwischen sehr verändert. Die Herstellerfirmen sind sehr gewachsen im Zuge des Biobooms, das meiste ist ja nicht mehr in Familienhand. Und so ist auch die Zusammenarbeit anonymer geworden.“

Der Laufstall stand vor dem ersten Laden in der Fischerhüttenstraße

Während seine Eltern jahrzehntelang selbst hinter der Ladentheke standen, sieht der Arbeitsalltag des jungen Demski anders aus. „Ich arbeite eher hinter den Kulissen, in den Filialen selbst ist der Filialleiter der zentrale Ansprechpartner für Kunden und Mitarbeiter. Trotzdem bin ich auch gern im Geschäft vor Ort. Es macht mir Freude, direkt ein Feedback zu bekommen und die Entwicklung selbst zu sehen. Aber die Kollegen im Verkauf können vieles besser als ich,“ schmunzelt er.

So stehen neben den Reformhausfachverkäufern heute auch Ökotrophologen für Ernährungsberatung den Kunden zur Seite und geschulte Kosmetikerinnen für Fragen in Sachen Naturkosmetik.

Marc-Andreas Demski verwendet selbst viele Produkte aus seinen Läden zu Hause. „Ich bin ja seit frühester Kindheit in den Laden reingewachsen, und daher sind die meisten Produkte und ihre Qualität für mich selbstverständlich. Mein Laufstall stand ja auch schon vor dem ersten Laden in der Fischerhüttenstraße."

Die Ideen waren schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen

Dabei war für Marc-Andreas Demski nicht von Anfang an klar, dass er das elterliche Unternehmen übernehmen würde. „Die Vielzahl von Verantwortungen und Zwängen, die die Selbständigkeit bedeutet, das alles habe ich als enorme Belastung wahrgenommen“, blickt der heute 51jährige Juniorchef zurück.

Doch nach einem Herzinfarkt von Herbert Demski im Jahr 1995 war alles offen, auch über Verkauf wurde nachgedacht. „Aber ich hatte ja Betriebswirtschaft studiert, und so haben wir anfangs noch zusammen gearbeitet. Es wurde aber ziemlich schnell klar, dass wir in unterschiedlichen Lebensphasen steckten: Unsere Ideen waren schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ich wollte gleich die aufkommende EDV einführen, aber für meine Eltern war das „Computer-Quatsch“.

Dem Vater sei nach seinem Infarkt der Abschied aus dem Geschäft mit 60 etwas leichter gefallen als der Seniorchefin. "Der Kontakt mit den Kunden war ihr Lebenselixier. Aber um den Familienfrieden zu erhalten, musste ein Schnitt gemacht werden. Diejenigen, die nicht rechtzeitig die Kurve im Zuge der EDV-Revolution bekamen, gibt es heute nicht mehr.“

Als eine der ersten Neuerungen führte der Sohn den Familienname „Demski“ als Marke ein. „Ich hatte im Studium gelernt, dass man eine Marke schaffen muss um unterscheidbar zu sein.“

Heute findet die Veränderung täglich statt, sie steckt im täglichen Optimieren und Orientieren, so Demski junior. Eine der Konsequenzen daraus war der Umzug der Filiale am Teltower Damm in die neuesten Geschäftsräume auf der Clayallee. "Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass sich seit dem Ende von Antkowiak am Teltower Damm (der Tagesspiegel berichtete) die Geschäftsstruktur verändert und die Kaufkraft nachgelassen hat."

Als er von der Eröffnungsphase der neuen Räumlichkeiten erzählt, wird der Geschäftsmann zum stolzen Sohn: "Meine Eltern haben die Pläne der neuesten Filiale mitgestaltet und sogar beim Einräumen der Regale mit angepackt. Dabei sind sie oft fassungslos vor den Regalen gestanden, vor der Produktvielfalt von heute."

Wachstum bleibt für Marc-Andreas Demski ganz klar eine große Herausforderung: "Aber ich möchte uns die nahe und familiäre Zusammenarbeit auf jeden Fall erhalten, und weiterhin dicht am Menschen dran bleiben. Ich habe auch keine Pläne, auf 50 Filialen anzuwachsen. Vielleicht gibt es aber irgendwann noch ein bis zwei zusätzliche Filialen."

Und vielleicht tritt ja auch das jüngste Familienmitglied eines Tages in die Fußstapfen ihrer Großeltern: „Marie liebt es schon mit drei Jahren, die Kasse zu bedienen. Ob das ein Vorzeichen für ihren beruflichen Werdegang ist, werden wir dann in 20 Jahren sehen!“

Für die Autorin waren die Wörter Reformhaus und "Demski" lange Zeit quasi synonym. Als im Herbst 2014 die neue Filiale auf der Clayallee eröffnete, wurde ihre Neugier geweckt. Die Beantwortung der Frage "Wer steckt eigentlich dahinter?" lesen Sie hier auf dem Zehlendorf Blog.

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