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Sänger und Songwriter in Zehlendorf: „An jeder Ecke warten verrückte Geschichten“

Die nächsten 20er Jahre „stehen schon vor der Tür“ , sagt der Zehlendorfer Sänger und Songwriter Christoph Sauer. Der 40-Jährige schreibt Lieder im Stil der damaligen Zeit, die aber Geschichten aus dem modernen Alltag erzählen.

Zusammen mit seinem Komponisten Roland Kühne hat der Musiker nun seine CD „Frauengeschichten“ herausgebracht, die unter anderem von Handys ohne Anruf-Funktion und Damen mit künstlichen Lippen erzählt.

Sauer, ein leidenschaftlicher Sammler von Benimmratgebern aus allen Jahrhunderten und echter Gentleman, erzählt unserer Autorin im Interview, woher seine Faszination für die 20er Jahre kommt und wo er in seiner Wahlheimat Zehlendorf Inspirationen für neue Liedtexte findet.

Christoph, Sie stammen eigentlich aus Mainz und haben sich vor vier Jahren entschlossen, Ihr künstlerisches Glück in der Hauptstadt zu suchen und dann ziehen Sie nach Zehlendorf. Unser Bezirk ist ja nicht bekannt als angesagte Künstler-Enklave, warum also die Entscheidung für den Südwesten?

Dass ich hier in Zehlendorf gelandet bin, hatte in erster Linie praktische Gründe: Mein Komponist Roland Kühne, der die Musik zu meinen Songtexten schreibt, wohnt ein paar Straßen weiter. Das ist für ein kontinuierliches Arbeiten ideal – wenn mir eine neue Textzeile einfällt, kann ich einfach schnell mal bei Roland vorbeischauen und die Musik mit ihm am Klavier ausprobieren, anstatt durch die halbe Stadt zu fahren.

Und dann habe ich gleich bei mir um die Ecke einen Proberaum gefunden, in dem ich ungestört stundenlang Stimmübungen machen kann. Einmal habe ich dort mitten in der Nacht ein Video zum Song „Meine Stute, die heißt Ute" gedreht.

Allerdings war es eine ziemliche Schnapsidee, Konfetti für eine Einstellung zu verwenden. Mangels Staubsauger habe ich nachts um drei Uhr die Konfettischnipsel eine Stunde lang einzeln mit der Hand wieder aufgelesen. Sonst hätte die Band, die tags darauf probte, womöglich noch gedacht, ich feiere hier heimlich Mainzer Fassenacht.

Inspiriert von Zehlendorf: der Sänger und Songwriter Christoph Sauer.
Inspiriert von Zehlendorf: der Sänger und Songwriter Christoph Sauer.

© promo / Felix Rachor

Wo finden Sie hier Inspiration?

Eigentlich überall! Man muss doch nur die Augen und Ohren offenhalten: In der S-Bahn, im Supermarkt, im Stammcafé – an jeder Ecke warten verrückte Geschichten und Situationen, die kleinen und großen Dramen des Alltags. Dann heißt es zugreifen und das zu Hause zu einer gescheiten Geschichte weiterverarbeiten. Gerade heute habe ich an einer Bushaltestelle am Teltower Damm einen Satz aufgeschnappt, den eine wartende Passantin in ihr Handy sprach. Hab es mir gleich in mein Notizbüchlein notiert. Vielleicht wird es ja ein Titel für das nächste Album.

Die Zehlendorfer Atmosphäre ist ruhig, grün und arriviert. Fördert das eigentlich künstlerische Kreativität?

Beim Songtexten brauche ich Konzentration und Ruhe. Und dafür ist die „Zehlendorfer Atmosphäre“ eine gute Basis. Wenn mir die Ideen ausgehen, setze ich mich aufs Rad oder laufe ein paar Runden im Grunewald. Bei Spaziergängen rund um den Schlachtensee sind schon einige Songtexte gereift.

Künstler arbeiten ja oft nicht zu Hause, ist das bei Ihnen auch so? Haben Sie einen bevorzugten Ort, um zu arbeiten?

Zum Nachdenken über einen Stoff ist es tatsächlich wichtig für mich, „raus“ zu gehen. Aber das eigentliche Schreiben mache ich doch von zu Hause. Konzentriertes Arbeiten in einem Café funktioniert bei mir nicht.

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Zehlendorfer Heimat?

Heimat ist für mich da, wo vertraute Menschen um mich sind, und da gibt es mehrere Fleckchen auf dieser Erde. Aber vielleicht soviel: Ich habe mir hier in Zehlendorf einen kleinen, feinen Freundeskreis aufgebaut. Ich habe mein Stammcafé gefunden, das „Coffee Cabana“, und meinen Lieblingsitaliener, die „Trattoria Romana“ Unter den Eichen. Das ist dann schon ein emotionales Nest, in dem es sich wohlfühlen lässt. Für wie lange, wird man sehen. Ich bin im Herzen doch ein Nomade, der nach einer gewissen Zeit wieder weiterziehen muss.

Irgendwelche Pläne, doch noch nach Mitte zu ziehen?

Konkret nicht, aber kann noch kommen. Im übrigen ist es ja nicht so, dass ich ausschließlich meine Zeit in Zehlendorf verbringe. Ich fahre mehrmals die Woche nach Berlin-Mitte, treffe dort Freunde, absolviere Auftritte oder genieße einfach mal das Flair der Hauptstadt.

Was sind Ihre nächsten Projekte, und wo kann man Sie live in Berlin erleben?

Unsere Autorin bloggt auch als „Frau-Mutter“. Der Zehlendorf Blog kooperiert mit www.Frau-Mutter.com
Unsere Autorin bloggt auch als „Frau-Mutter“. Der Zehlendorf Blog kooperiert mit www.Frau-Mutter.com

© Anne Kreuz

Netzwerken ist wichtig, gerade in der Musikbranche. Deshalb fahre ich auch immer wieder zu Auftritten quer durch die Republik, um mich und meine Musik vorzustellen. Im Januar war ich in Salzburg, Anfang Februar geht es nach München, und im April steht Wien auf dem Programm. Und dann möchte ich in den nächsten zwei Jahren mit meinem Komponisten Roland Kühne das nächste Album aufnehmen. Denn die nächsten 20er Jahre stehen vor der Tür, und bis dahin wird es noch einiges von uns zu hören geben!

In den nächsten Monaten bin ich gleich zweimal auf Schloss Friedrichsfelde zu Gast: Am 6. April werde ich dort mit meinem Komponisten ein Goethe-Programm aufführen, da kann man mich ausnahmsweise einmal als Rezitator erleben. Und am 20. Juni werde ich mit dem Salonorchester beim traditionellen 20er-Jahre-Ball zum Tanz aufspielen.

- Auf der Homepage von Christoph Sauer, www.christophsauer.info, finden Sie alle Termine.

Unsere Autorin bloggt regelmäßig unter www.frau-mutter.com, sie wohnt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Nina Massek

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