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Einige der Großplastiken von Heiliger

© Anett Kirchner

Sanierung: Neues Ausstellungsgebäude in Dahlem: Ehemaliges NS-Atelier wird zum Kunsthaus

Nach Original-Bauplänen wird das ehemalige NS-Staatsatelier in Dahlem derzeit rekonstruiert. Dabei sind die Arbeiter immer wieder auf "Überraschungen" gestoßen: Asbestverseuchte Ummantelungen und Schienen im ganzen Gebäude. Der Eröffnungstermin des Kunsthauses Dahlem steht angeblich dennoch. Der Tagesspiegel Zehlendorf hat sich schon mal umgesehen.

Das auffällig monumental wirkende Atelierhaus in Dahlem versteckt sich im Moment hinter einem Baugerüst. Sonst stehen hier am Käuzchensteig Einfamilienhäuser. Es ist eine schicke, ruhige Wohngegend, direkt am Grunewald. Doch Presslufthämmer dröhnen durch die Idylle, von irgendwoher ist Radiomusik zu hören, Baumaterial wird mit einem Aufzug auf das Dach des Atelierhauses gehievt. Die Sanierung geht allmählich in die Endphase. „Wir treten uns jetzt sozusagen alle auf die Füße“, sagt Dorothea Schöne, die Leiterin des Hauses. Am 12. Juni soll das Ausstellungsgebäude für das Publikum offiziell geöffnet werden. Auch schon vorher sind einzelne Veranstaltungen geplant, etwa am 29. April ein Vortrag über die „Rezeption Arno Brekers nach 1945“ mit dem Kunsthistoriker Eckart Gillen in Kooperation mit der Forschungsstelle für Entartete Kunst der FU Berlin.

Es ist das erste Mal, dass das Gebäude der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht wird. Und es ist auch das erste Mal, dass mit der Geschichte des Hauses derart offen umgegangen wird. Bis vor wenigen Jahren schien das noch undenkbar. Das Haus hat eine sensible Vergangenheit. Es wurde 1939 im Auftrag Adolf Hitlers als so genanntes Staatsatelier für den Bildhauer Arno Breker errichtet. Neben Josef Thorak gehörte Breker zu den meistbeschäftigten Bildhauern des Dritten Reiches und schuf unter anderem Plastiken für die Monumentalbauten Albert Speers. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die Alliierten im Garten des Ateliers die von Breker geschaffene Büste Richard Wagners, die heute vor dem Festspielhaus in Bayreuth steht.

Entsprechend den Vorstellungen der NS-Architektur wurde das Gebäude in Dahlem nach Entwürfen des Architekten Hans Freese konzipiert, ein symmetrischer Klinkerbau, zwar nicht protzig, aber wuchtig und funktional. Neben dem nicht öffentlichen Atelier von Josef Thorak in München ist es das einzige erhaltene Atelierhaus aus dieser Zeit. Seit August 2014 wird es, wie man fachlich korrekt sagt, rückgebaut. Nachträglich eingezogene Wände, Decken und Treppen sind entfernt, zugemauerte Türen wieder geöffnet worden.

„Wir rekonstruieren das Haus nach originalen Bauplänen“, erklärt Dorothea Schöne. Und wie so oft habe es dabei auch die eine oder andere Überraschung gegeben; zum Beispiel asbestverseuchte Ummantelungen der Wasserleitungen. „Weil das speziell entsorgt werden musste, hat es unsere Planung ein wenig durcheinander geworfen“, sagt Schöne. Gleichwohl stehe der Eröffnungstermin. Bis jetzt. „Noch bin ich tiefenentspannt“, verrät sie. Ihr Lächeln kommt jedoch zögerlich. Eine weitere Überraschung bei den Bauarbeiten seien Schienen gewesen, die sich durch das ganze Gebäude zogen. Damit wurden einst die Loren mit den Granitblöcken bewegt. Sie sollen nun zum Teil erhalten bleiben. Deshalb muss der Fußboden anders gestaltet werden als geplant.

Der Umbau des Atelierhauses kostet 1,2 Millionen Euro und wird aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie bezahlt. Die ausführenden Architekten sind Petra und Paul Kahlfeldt aus Berlin. Es ist die erste Grundsanierung des Bauwerkes überhaupt. Elektrik, Rohrleitungen und sanitäre Anlagen werden erneuert. Der ehemalige Hauptraum in der Mitte des Ateliers wird künftig wieder das Herzstück des Ausstellungsgebäudes bilden: 290 Quadratmeter Fläche, neun Meter hoch. Ab Juni werden hier Werke der deutschen Nachkriegsmoderne in Ost und West zu sehen sein. In der Eröffnungsausstellung liegt der Schwerpunkt vor allem auf der plastischen Kunst, von 1945 bis zum Mauerbau 1961, ergänzt durch Malerei, grafische Arbeiten und Fotografien.

„Ich halte es für eine historisch moralische Verpflichtung, die Geschichte des Gebäudes aufzuarbeiten“, sagt Dorothea Schöne. Deshalb sollen zwei große Wandtafeln am Eingang daran erinnern. Allerdings sei es den Künstlern gegenüber, deren Werke künftig hier ausgestellt werden, unfair, wenn die Vergangenheit des Hauses alles überlagere. Aus diesem Grund sehe sie ihre Aufgabe als Gratwanderung zwischen der Thematik des ehemaligen NS-Ateliers und der des neuen Kunsthauses Dahlem, wie es jetzt offiziell heißt.

Das Ausstellungshaus, das dem Land Berlin gehört, wird von der Kulturverwaltung finanziell gefördert. Träger ist die Atelierhaus Dahlem gGmbH, eine Tochtergesellschaft der Bernhard-Heiliger-Stiftung, die ebenfalls ihren Sitz in dem Gebäude hat und das Andenken an den Künstler Bernhard Heiliger wach hält. Einst Student von Arno Breker, lebte und arbeitete er seit 1949 in dem Atelier.

Anfangs soll das für den Bildhauer problematisch gewesen sein. Einem Freund gegenüber habe er geäußert: „Ich hatte zuerst einige Scheu zu überwinden, dort hinein zu ziehen, wie Sie sich sicher denken können, es dann aber doch getan, da die Gelegenheit einmalig ist, ein solches Atelier zu erhalten. Jetzt fühle ich mich wohl, trotz des Komforts.“

Bernhard Heiliger gilt als einer der bedeutendsten Westberliner Bildhauer der Nachkriegszeit. An zahlreichen Plätzen der Stadt sind seine Kunstwerke zu finden, unter anderem vor der Berliner Philharmonie, der Staatsbibliothek und der TU Berlin. Bis zu seinem Tod 1995 blieb er in dem Atelier am Käuzchensteig in Dahlem. Im Garten des Hauses stehen mehr als 20 Skulpturen von ihm.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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