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Letzte Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf in diesem Jahr.

© Anett Kirchner

Steglitz-Zehlendof: Heftige Seniorendebatte in der BVV: CDU nennt SPD "pseudosozial"

Eine giftige Debatte lieferten sich vor allem SPD und CDU in der Dezember-BVV in Steglitz-Zehlendorf. Es ging um Seniorenwohnungen und um die generelle Sozialpolitik im Bezirk. Dieses Mal in der Kritik: Bau- und Sozialstadtrat Norbert Schmidt. Die Grünen hielten sich zurück.

„Eigentlich wollte ich mich zurückhalten, aber offenbar braucht ihre Fraktion eine grundlegende Orientierung, wie das Sozialamt aufgebaut ist.“ Als Norbert Schmidt (CDU) am Mittwochabend in der Sitzung der Bezirksverordneten diesen verbalen Pfeil in Richtung SPD schoss, war das schon fast der Schlusssatz einer nicht enden wollenden Debatte. Im Raum stand eine Große Anfrage der SPD, in der es um das mögliche "Aus für die Seniorenwohnungen in der Mudrastraße" ging. Reihum traten zehn Bezirksverordnete aus allen Fraktionen ans Rednerpult, viele mehrmals. Der Sozialbezirksstadtrat musste sich erklären, wieder, wieder und wieder.

Am Ende sagte er: „Das geht mir jetzt nahe…“

Denn die Fraktionen von SPD und Piraten warfen ihm geschlossen vor, jahrelang die Budgetgewinne aus den bezirkseigenen Seniorenwohnungen in der Mudrastraße  abgeschöpft zu haben, während die Häuser dem Verfall preisgegeben waren und jetzt abgestoßen werden sollen.

Der Sozialstadtrat eine Heuschrecke? Sagt die SPD

„Das erinnert an die berüchtigten Heuschrecken“, sagte die SPD-Bezirksverordnete Isabel Miels. Niemand erwarte, dass die maroden Gebäude über Nacht saniert würden, aber man habe wenigstens einen Betrag X in die Hand nehmen und Schritt für Schritt die Häuser instand setzen können. Die Senioren, die derzeit noch in der Mudrastraße wohnten, lebten gerne dort. Denn die Wohnungen seien bezahlbar und gut. „Ich finde, es sollte nicht nur wohlhabenden Menschen vorbehalten sein, in unserem schönen Bezirk zu leben“, fügte sie hinzu.

Durch die Reihen der schwarz-grünen Zählgemeinschaft im Rathaussaal in Zehlendorf ging ein Raunen. In einigen Gesichtern war Verständnislosigkeit gegenüber den Worten von Miels zu lesen. Hatte Norbert Schmidt doch kurz zuvor versucht, die gegenwärtige Situation aus seiner Sicht zu erläutern. Der Gebäudekomplex befände sich in einem desolaten Zustand. Vorsichtig geschätzt, würde eine Grundsanierung etwa acht Millionen Euro kosten. „Ich betone, vorsichtig geschätzt“, wiederholte er zweimal.

Im Bezirkshaushalt seien jedoch für alle baulichen Maßnahmen an bezirkseigenen Gebäuden – außer an Schulen und Sportanlagen – lediglich rund 2,7 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen. „Damit wird deutlich, dass ein Sanierungsbedarf von acht Millionen Euro nicht zeitnah zu decken ist“, erklärte der Sozialbezirksstadtrat. Aufgrund dieser Tatsache werde derzeit die Abgabe der Immobilie an den Liegenschaftsfonds Berlin als adäquate Option geprüft. „Es gibt noch keine finale Entscheidung, aber sie ist nahe“, sagte Schmidt.

Eine heftige Debatte über die Seniorenpolitik lieferten sich die Bezirksverordneten in Steglitz-Zehlendorf am Mittwoch vor dem dritten Advent.
Eine heftige Debatte über die Seniorenpolitik lieferten sich die Bezirksverordneten in Steglitz-Zehlendorf am Mittwoch vor dem dritten Advent.

© Anett Kirchner

Und als Reaktion auf die Vorwürfe, dass er die Gebäude verfallen lassen habe, argumentierte er, dass die Abteilung Soziales des Bezirksamtes weder die Häuser verwalte noch die Mietverträge mit den Bewohnern geschlossen habe. Das falle in die Zuständigkeit des Landes. „Sie haben die Frage an den Falschen gestellt, denn ich habe gar keine Reaktionsmöglichkeit“, sagte Schmidt und gab den Tipp, dass die SPD besser beraten gewesen wäre, sich vorher genau über die Zuständigkeiten zu informieren.

„Das fällt eindeutig in ihre Zuständigkeit“, widersprach Martin Matz von der SPD. Die Häuser seien Produkte des Sozialamtes, die in dessen Budget und damit in dessen Verantwortung fielen. Außerdem habe das Bezirksamt beschlossen, dass Norbert Schmidt diese Große Anfrage beantworten soll, damit sei die Zuständigkeit doch geklärt.

Torsten Hippe hielt es kaum aus auf dem Stuhl

„Wenn diese bezirkseigenen Seniorenwohnungen einmal weg sind, bekommen wir sie nicht wieder zurück“, fügte Matz hinzu. Deshalb habe man jetzt noch die Möglichkeit, die Gebäude zu sichern. Er machte weiter deutlich, dass immer mehr ältere Menschen – auch in Steglitz-Zehlendorf – von der Grundsicherungsrente lebten und auf bezahlbare Wohnungen angewiesen seien. „Wir müssen uns um diese Menschen kümmern“, erklärte Matz.

Torsten Hippe, Fraktionsvorsitzender der CDU, hielt es kaum noch auf seinem Stuhl. Aufgebracht meldete er sich zu Wort und nannte die SPD „pseudosozial“. Von 113 Wohnungen in der Mudrastraße stünden 66 leer. Warum? Weil die Wohnungen entweder zu klein oder baulich in einem schlechten Zustand seien oder beispielsweise kein eigenes Bad hätten. „Es ist unsozial, diese Wohnungen leer stehen zu lassen und sie damit dem Wohnungsmarkt zu entziehen“, machte er seinem Ärger Luft.

Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels
Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels, außerdem schreibt sie für die evangelische Wochenzeitung "dieKirche".

© privat

Dem widersprach die SPD, indem sie ergänzte, dass die Wohnungen durchaus vermietbar seien. Leerstand müsse natürlich bekämpft werden. Deshalb hätte man viel früher aktiv an den Markt gehen und die Wohnungen anbieten müssen. Die politische Haltung sei hier klar entscheidend. „Wenn ich etwas will, kann ich es auch erreichen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Norbert Buchta.

Während sich fast alle Bezirksverordneten emotional mit diesem sozialen Thema auseinandersetzten, verhielten sich die Grünen der Steglitz-Zehlendorfer BVV vergleichsweise zurückhaltend und distanziert. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maren Schellenberg sagte zwar, dass sie es nicht schön findet, dass der Bezirk die Wohnungen aufgeben muss. „Angesichts der Höhe der geschätzten Sanierungskosten halte ich es aber für unverantwortlich, den Bezirk mit so einem Objekt zu belasten“, erklärte sie

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels.

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