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Das Gebäude in der Königin-Luise-Straße Ecke Peter Lenné-Straße beherbergte einst das Institut für Anatomie der Charité

© Ina Czyborra

Steglitz-Zehlendorf streitet mit Aldi: Gefährdet der Discounter das Zentrum Dahlems?

Zwei Sozialdemokraten haben Aldi wegen einer nichtgenutzten Immobilie hart kritisiert. Doch in Wahrheit streitet der Bezirk seit langem mit dem Discounter, weil man glaubt, er gefährde das Gewerbezentrum Dahlem.

Aldi lässt eine hochwertige Immobilie verfallen. Das war der Tenor eines Offenen Briefes zweier Sozialdemokraten, den wir in der vergangenen Woche auf Tagesspiegel-Zehlendorf veröffentlicht haben. Wörtlich hieß es in dem Brief der Abgeordneten Ina Czyborra und des Bezirksverordneten Volker Semler: "Vor nunmehr sechs Jahren haben Sie vom Land Berlin eine Immobilie in Dahlem an der Ecke Königin-Luise-Straße/Peter Lenné-Straße erworben.... Leider sind keine Aktivitäten sichtbar oder bekannt, dieses Grundstück einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Der Bezirk hat keine Kenntnis von Bau- oder Entwicklungsvorhaben."

Wir wollten nun von Aldi und dem Bezirk wissen, was an den Vorwürfen berechtigt ist und haben beide Seiten gefragt. Zunächst sind in dem Brief einige Fakten falsch. Die Aldi-Stiftung hat das Gebäude an der Ecke Königin-Luise-Straße/Peter Lenné-Straße nicht vor sechs Jahren gekauft und auch nicht vom Land Berlin, sondern 2012 von einem privaten Immobilienentwickler. Der Bezirk hat Kenntnis von dem Vorhaben, denn der Bezirk hat selbst sein Veto gegen eben jenes Vorhaben eingelegt. Das ist auch der Hauptgrund, warum an dem Gebäude nichts geschieht.

Aldi will dort das tun, was man erwarten darf: einen seiner Discounterläden eröffnen. Das Bezirksamt wiederum argumentiert, ein Discounter an diesem Standort gefährde das bezirkliche Zentren-Konzept. Danach sollen die einzelnen Gewerbe- und Einkaufszentren in den Stadtteilen und Kiezen, wie hier zum Beispiel Dahlem-Dorf, nicht durch weitere Gewerbeansiedlungen in der Nähe gefährdet werden. "Das widerspricht unserem Konzept", sagt ein Verantwortlicher im Bezirksamt. Die schwarz-grüne Zählgemeinschaft ist sich hier einig, einer, der mit dem Fall vertraut ist, sagt: "Aldi hat diese Immobilie gekauft, obwohl vorher keine planungsrechtliche Sicherheit vorlag. Das ist dann eigenes Risiko."

Bei Aldi Nord und der Aldi-Gesellschaft, die den neuen Laden betreiben will, sieht man die Sache entspannt. "Von Untätigkeit kann überhaupt keine Rede sein. Wir könnten ja direkt morgen anfangen umzubauen", sagt der Geschäftsführer Jörg Michalek. In dem Brief wird Aldi vorgeworfen, dass man sich um das Gebäude nicht kümmern würde und es bewusst verfallen lasse. Michalek sagt, Aldi würde niemals etwas kaufen, um es verfallen zu lassen und auch nicht, um mit der Immobilie bei einem späteren verkauf Gewinne zu erzielen. Man wolle dort einfach nur einen Aldi eröffnen und kollidiere nun mit den Interessen des Bezirks.

Die zuständigen Stadträte (beide CDU) im Bezirk, bis zu seiner Pensionierung war es Norbert Schmidt (links) und nun Frank Mückisch, der das Ressort Stadtentwicklung leitet.
Die zuständigen Stadträte (beide CDU) im Bezirk, bis zu seiner Pensionierung war es Norbert Schmidt (links) und nun Frank Mückisch, der das Ressort Stadtentwicklung leitet.

© Anett Kirchner

Für den Geschäftsführer ist das aber kein Problem, denn diese Probleme und Vorbehalte gegen Discounter seien "normal". Michalek sagt: "Wir haben Geduld, und wir verhandeln sehr kooperativ und vertraulich mit den zuständigen Stellen im Bezirk." Im Gespräch sei beispielsweise eine Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe, auch ein Altersheim könne man sich vorstellen. Aber egal, was auch mit dem Gebäude passieren soll, es müsse auf jeden Fall auch einen Aldi-Markt geben. Das Bezirksamt wiederum lässt auf Anfrage wissen: "Zurzeit gibt es keine Verhandlungen, wir haben unsere Position deutlich gemacht."

Dem Lageso war die Herrichtung viel zu teuer

In dem Brief wird auch darauf verwiesen, dass Berlin zurzeit Flüchtlingsunterkünfte sucht, wörtlich heißt es: "Vor diesem Hintergrund im Lichte christlichen Gedankenguts und der Sozialbindung des Eigentums ist dieses Grundstück ein permanentes Ärgernis für viele Anwohnerinnen und Anwohner." Jörg Michalek weist daraufhin, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) schon einmal nachgefragt habe, aber letztlich entschieden habe, dass das Objekt nicht in Frage komme. Man müsste sehr viel Geld reinstecken, um es bewohnbar zu machen.

Die meisten Fensterscheiben sind zerbrochen - die Autoren des offenen Briefes weisen auf die Broken-Windows-Theorie hin, derzufolge Unordnung und Kriminalität in einem kausalen Zusammenhang stehen und sich Verfall auf die umliegenden Häuser übertragen kann
Die meisten Fensterscheiben sind zerbrochen - die Autoren des offenen Briefes weisen auf die Broken-Windows-Theorie hin, derzufolge Unordnung und Kriminalität in einem kausalen Zusammenhang stehen und sich Verfall auf die umliegenden Häuser übertragen kann

© Ina Czyborra

Denn einst war das Haus das anatomische Institut der Freien Universität (FU), es gab ein Leichenschauhaus und einen sogenannten Rattenkeller, es sei jedenfalls noch immer ein Ort, der nicht wirklich anheimelnd ist, wie es Michalek ausdrückt. Er beklagt zudem "Vandalismus", so dass immer wieder die Polizei gerufen oder die Behörden eingeschaltet werden müssen. Hier sieht Michalek Aldi durchaus "in der Pflicht", der man auch nachkommen werde.

Wie der Streit ausgehen wird, ist offen. Es gibt andere Beispiele in Berlin, da hat der Discounter einen sehr langen Atem bewiesen und zwölf Jahre auf den Kompromiss hingearbeitet. Und vielleicht spielt auch eine Rolle, welche Bedürfnisse die Anwohner haben. Schreiben Sie uns deshalb sehr gerne an zehlendorf@tagesspiegel.de, wie Sie zu dem Vorhaben stehen. Gefährdet der Discounter das Zentrum Dahlem-Dorf oder belebt die Konkurrenz das Geschäft?

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben und hat Tagesspiegel-Zehlendorf, Ihr digitales Stadtteil- und Debattenportal, konzipiert. Folgen Sie ihm oder der Redaktion Zehlendorf auch auf Twitter.

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