zum Hauptinhalt
ie Autorin ist stellvertretende Bezirksvorsitzende der Linken in Steglitz-Zehlendorf. Hier beim Wahlkampf auf der Schloßstraße.

© privat

Steglitz-Zehlendorf: Warum Linke wählen?: "Ich verstehe, dass die Millionäre in Zehlendorf vor uns zittern"

Massenhaft prekär Beschäftigte sieht unsere Autorin auch im angeblich reichen Steglitz-Zehlendorf. In der hyperlokalen Wahlkampf-Arena schreibt sie, warum die Linke in diesem Bezirk gebraucht wird und sie sich wundert, dass Leute ihr zurufen: "Ihr habt uns eingemauert!"

Ein wütendes "ihr habt uns eingemauert!" habe ich beim Infostand vor dem Eingang von Woolworth am Teltower Damm schon öfter gehört. Solche und ähnliche Kommentare oder dass die Grünen mir beim Hallo-Sagen am Nachbarstand unvermittelt ihre Broschüre über "Alltag und Unrecht in der DDR" in die Hand drücken, zeigt mir, wie die Linke heute, wohlgemerkt 23 Jahre nach der Wiedervereinigung, und auch ich als parteipolitisch Aktive, 29 Jahre alt, teilweise wahrgenommen werden.

Wenngleich ich den Schmerz der Opfer der DDR-Diktatur gut nachvollziehen kann, fällt es mir schwer zu verstehen, warum nicht spätestens die Neugründung der Linken aus zwei Quellparteien und der damit verbundene personelle und inhaltliche Neuanfang eines gesellschaftlich und politisch wichtigen linken Projekts jenseits der Sozialdemokratie zumindest zur Kenntnis genommen wird.

Es kommt mir manchmal so vor, als wenn die Uhren hier im Bezirk langsamer ticken und Neues und Modernes es außerordentlich schwer haben, sich durchzusetzen: Bürgerhaushalt oder Live-Stream der Bezirksverordnetenversammlung. Was in anderen Bezirken problemlos möglich ist, hat in Steglitz-Zehlendorf keine Chance auf Umsetzung, denn das könnte Mehrarbeit für Bezirksverordnete und Bezirksamt bedeuten oder gar Transparenz und Teilhabe durch Bürger_innen ausweiten, was offenbar nicht von allen politischen Kräften gewünscht wird.

Man könnte gar auf die Idee kommen, dass die Linke in einem Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf nicht wirklich gebraucht wird, (schließlich erzielen die Menschen hier berlinweit das höchste Nettoeinkommen, aber das ist ein eklatanter Irrtum! Um die Schloßstraße herum gibt es massenweise prekär Beschäftigte, die für einen Hungerlohn putzen gehen oder bis spät abends und am Wochenende an der Kasse stehen. Das steht im krassen Gegensatz zu den riesigen Umsätzen, die im Einzelhandel in den zahllosen Shoppingzentren im Bezirk erzielt werden.

Wir als Linke weisen auf diesen Widerspruch hin und informieren die Kund_innen über die laufenden Verhandlungen der Beschäftigten für bessere Löhne und den Erhalt der Tarifverträge und werben für Solidarität, denn gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden!

Auch bei unseren Jobcenter-Aktionen habe ich immer den Eindruck, dass die Linke als politischer Akteur dringend gebraucht wird: Wenn man hautnah miterlebt, wie Erwerbslose unwürdig behandelt werden oder Arbeitssuchende einfach nur noch verzweifelt sind, dann wird offensichtlich, wie krank das System ist, in dem Menschen nur verwaltet, aussortiert und drangsaliert, aber ihre Fähigkeiten und Potenziale überhaupt nicht wahrgenommen werden. Ich bin nicht bereit, diesen Irrsinn hinzunehmen, deshalb unterstütze ich die Forderung nach der Abschaffung von Hartz IV und der Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung!

Leider sind die politischen Mehrheiten unter der schwarz-gelben Bundesregierung dafür nicht gegeben. Daher rate ich den Betroffenen beim Infostand dazu, selbst aktiv zu werden und sich unbedingt juristisch beraten zu lassen, denn bekanntlich ist ungefähr jede zweite Hartz-IV-Klage erfolgreich und nur jede zehnte Klage wird überhaupt abgewiesen, was, wie ich finde, auf systematische, rechtswidrige Entscheidungspraktiken der Jobcenter hinweist.

Ich bin in der Linken aktiv, weil sie als einzige Partei unbestechlich ist (erhält keine Unternehmensspenden) und sich wirklich für eine radikale UmFAIRteilung von oben nach unten einsetzt, ob bei Mindestlohn, Mindestsicherung, Rente, Gesundheit, Pflege, Steuern oder Mieten! Die Schieflage in unserer Gesellschaft, dass die obersten zehn Prozent über mehr als die Hälfte aller Vermögen besitzt, ist einfach inakzeptabel! Ein bisschen verstehe ich ja, dass die Millionäre in Zehlendorf in ihren Villen zittern, wenn sie von unseren Plänen zur Millionärsteuer, Erbschaftssteuer oder Finanztransaktionssteuer hören. Aber für mich stellt sich grundsätzlich die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen?

Wenn es eine solidarische, sozial gerechte Gesellschaft sein soll, in der es ein gutes Bildungssystem für alle und einen sozial-ökologischen Umbau geben kann, dann müssen die Wohlhabenden und großen Unternehmen ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens und der öffentlichen Daseinsvorsorge leisten. Wenn ich zum Beispiel darüber nachdenke, dass es aus Geldmangel frühestens 2024 eine neue Grundschule für den Bereich um den Truman Plaza geben und stattdessen einfach die Kapazitäten der vorhandenen Europaschule abgebaut werden sollen, obwohl es für sie schon jetzt mehr Interessent_innen als Plätze gibt, dann kann ich kein Mitleid mit Managern haben, deren Gehälter nach Vorschlägen der Linken auf eine halbe Million Euro im Jahr begrenzt werden sollen.

Als Direktkandidaten zur Bundestagswahl 2013 haben wir Lampros Savvidis aufgestellt, weil wir ein Zeichen setzen wollen: Die Solidarität mit den Menschen in Europa ist für Die Linke wichtiger Bestandteil der Politik. Bei uns haben Menschen mit Migrationshintergrund tatsächlich die Möglichkeit ihre Ideen einzubringen. Zudem liegt uns ein Politikwechsel in Europa sehr am Herzen und zwar hin zu einem demokratischen Europa, für Frieden und Abrüstung, gegen Kürzungsdiktate und Sozialabbau!

Trotz der nicht ganz einfachen Bedingungen für die Linke hier im Bezirk liegt eine spannende und  leidenschaftliche Zeit in den nächsten Wochen bis zur Wahl vor uns! Wir werden im Deutschen Bundestag und auch in Steglitz-Zehlendorf dringend gebraucht! Mit uns besteht überhaupt die Chance, dass die SPD wieder ein bisschen sozialdemokratischer, die Grünen etwas grüner, die Piraten etwas politischer, und dass Merkels verantwortungslose Politik grundsätzlich in Frage gestellt wird! Deshalb: Am 22. September 2013 die LINKE wählen!

Die Autorin, 29, ist stellvertretende Bezirksvorsitzende der Linken in Steglitz-Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Franziska Brychcy

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false