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Eine Schülerin aus der Katholischen Grundschule St. Ursula hat dieses Bild gemalt

© Anett Kirchner

Tempo-30-Forderung für die Seehofstraße in Zehlendorf: Anwohner klagen über Lärm und Abgase

Insgesamt 6459 Fahrzeuge befahren die Seehofstraße in Zehlendorf-Mitte. Anwohner fordern nun eine Tempo-30-Beschränkung in einem Teilabschnitt. Laut Verkehrslenkung Berlin muss die Straße jedoch einige wichtige Funktionen erfüllen.

„Es ist manchmal so laut, dass ich das Gefühl habe, dass ein Lkw durch unsere Wohnung fährt“, beschreibt Stefanie Jotzo-Neyenhuys. Der Balkon vorn zur Straße hinaus sei im Grunde nicht nutzbar. Seit etwa zwei Jahren wohnt sie mit ihrer Familie in der Seehofstraße in Zehlendorf. Der Traum von einer ruhigen Wohngegend war schnell ausgeträumt. Stattdessen machen Verkehrslärm und Abgase ihr das Leben schwer, wie sie sagt. Und der Leidensdruck scheint in der Tat hoch zu sein, denn: „Wenn sich nichts ändert, verkaufen wir die Wohnung wieder.“ Mit ihren Sorgen ist die Anwohnerin offensichtlich nicht allein. Vielen Nachbarn gehe es genauso. Deshalb haben sie jetzt eine Petition verfasst und wollen diese an den Senat schicken. Der Titel: „Mehr Lebensqualität, weniger Verkehr auf der Seehofstraße!“

Dabei geht es speziell um den Teilabschnitt zwischen den Hausnummern 1 und 36. Hier fordern die Anwohner, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde beidseitig eingeführt wird. „Die Seehofstraße ist für uns Anlieger eine Wohnstraße, deren Wohnqualität durch das massive Verkehrsaufkommen stark leidet. Wir stellen fest, dass diese Straße als Umgehung für andere Straßen in erheblichem Maße genutzt wird“, heißt es unter anderem in der Petition. Mit dem Tempolimit erhoffen sie sich, dass dann weniger Autofahrer die Strecke nutzen. Alternativ zum Ausweichen schlagen sie den Dahlemer Weg vor.

Inzwischen haben mehr als 200 Betroffene die Petition unterschrieben. Darunter sind jedoch nicht nur Anwohner, sondern auch viele Eltern, deren Kinder in die Katholische Grundschule St. Ursula gehen. Zwar ist der Haupteingang der Schule an der Kleinaustraße, viele Klassenzimmer und der Schulhof liegen jedoch an der Seehofstraße. Vor allem morgens zwischen sechs und zehn Uhr seien auf diesen rund 100 Metern die Konzentration der Abgase und der Lärm besonders hoch. Denn in dieser Zeit bilde sich oft eine lange Pkw-Schlange vor der Kreuzung zur Berliner Straße. „Die schlechte Luft atmen die Kinder ein, wenn sie auf dem Schulhof spielen oder die Klassenzimmer gelüftet werden“, erklärt Christine Götz, Anwohnerin und betroffene Mutter. 

Neben der Grundschule befinden sich an der Seehofstraße außerdem noch ein Altenheim und Behindertenwohnungen. Das Überqueren der viel befahrenen Straße sei gerade für diese Menschen entsprechend gefährlich. Überdies fehlten Hinweisschilder für die Einrichtungen. Ein weiterer Punkt: Die Seehofstraße werde auf einem Teilstück von zahlreichen Lkw wie Lieferfahrzeuge, Sattelschlepper, Heizöltransporter genutzt. Muss das in einer so schmalen Wohnstraße sein? „Es sind bloß sieben Schritte, wenn ich über die Straße gehe“, sagt Stefanie Jotzo-Neyenhuys. Demzufolge fordern die Anwohner eine Gewichtseinschränkung auf 3,5 Tonnen.

Christine Götz, Nathalie Briggs mit ihren beiden Kindern und Stefanie Jotzo-Neyenhus mit ihrer Tochter Anna haben die Petition für Tempo 30 in der Seehofstraße unterschrieben (v. li.)
Christine Götz, Nathalie Briggs mit ihren beiden Kindern und Stefanie Jotzo-Neyenhus mit ihrer Tochter Anna haben die Petition für Tempo 30 in der Seehofstraße unterschrieben (v. li.)

© Anett Kirchner

Mit ihren Anliegen waren sie bereits im Bezirksamt, wie sie erzählen. Das Ergebnis: nicht zuständig. Für die Regelung solcher Fälle gibt es die Verkehrslenkung Berlin (VLB), die der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt untergeordnet ist. „Die Bürger sollten sich dort melden und ich bin ihnen gerne behilflich, wenn sie es wünschen“, rät Michael Karnetzki (SPD), der Verkehrs-Bezirksstadtrat. Ganz privat könne er verstehen, dass Anwohner die verkehrliche Situation unangenehm fänden. Die Seehofstraße sei jedoch eine der wenigen Verbindungen von Zehlendorf-Mitte nach Lichterfelde. Er könne außerdem nachvollziehen, dass die Autofahrer, die zur Mühlenstraße wollten, den besagten Teil der Seehofstraße nutzten; insbesondere um das Nadelöhr Teltower Damm zu umfahren. „Das hat auch den durchaus wünschenswerten Effekt, dass sich Verkehre ein bisschen verteilen und sich nicht jeder Pkw unter der S-Bahnbrücke am Teltower Damm durchquälen muss“, ergänzt Karnetzki.

Diese Einschätzung teilt auch die VLB. Dem Tagesspiegel-Zehlendorf erklärt die Behörde, dass die Seehofstraße nach dem Stadtentwicklungsplan-Verkehr als Ergänzungsstraße dem übergeordneten Hauptverkehrsstraßennetz zugeordnet sei. Folglich habe sie hauptsächlich die Funktion, den innerstädtischen Wirtschaftsverkehr aufzunehmen und auch eine Sammelstraße für angrenzende Wohngebiete zu sein. „Diese Funktionen können nur gewährleistet werden, wenn die Seehofstraße möglichst geringen Beschränkungen unterliegt“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der zuständigen Senatsverwaltung. Laut dem Umweltatlas Berlin weise die Seehofstraße ein durchschnittliches Verkehrsaufkommen von 6459 Fahrzeugen pro Tag auf. Diese Verkehrsbelastung entspreche der Verkehrsfunktion dieser Straße.

Tempo 30-Schilder werden nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgestellt

Allerdings, so erklärt Rohland weiter, sei es grundsätzlich möglich, dass laut Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) die VLB zum Schutz der Anwohner vor Verkehrslärm geeignete Maßnahmen festlege. Dafür müsse zuvor ein Antrag gestellt und der Einzelfall geprüft werden: „Antragsberechtigt sind ausschließlich Anwohner einer Straße.“ Für die Seehofstraße zwischen Mühlenstraße und Hampsteadstraße liege der VLB ein entsprechender Antrag vor und werde derzeit geprüft.

Und was ist mit Tempo 30? Solche Verkehrsschilder können offenbar nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgestellt werden. Hierfür zitiert Petra Rohland Auszüge aus dem Paragraphen 45, Absatz neun der StVO: Nur wenn auf Grund der besonderen örtlichen Umstände des Einzelfalls eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erheblich übersteigt, dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs angeordnet werden.

„Für den hier benannten Abschnitt liegen der VLB keine Erkenntnisse vor, die auf eine besondere Gefahrenlage im Sinne der zitierten Vorschrift schließen lassen“, schildert sie. Man werde diese Anfrage jedoch zum Anlass nehmen, die Polizei um eine Stellungnahme zur örtlichen Unfalllage zu bitten und Verkehrsbeobachtungen durchzuführen.

Fest steht: Aufgrund der Zuständigkeit der Landesbehörde VLB sind dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf in dieser Sache die Hände gebunden. Auch die Bezirksverordneten sehen fraktionsübergreifend kaum Chancen, den Anwohnern aktiv helfen zu können. Uwe Köhne, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Vorsitzender des Verkehrs-Ausschusses, gibt zu Bedenken, dass Busse durch diese Straße fahren. „Da wehrt sich auch die BVG gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30“, sagt er. Trotzdem werde sich seine Fraktion jetzt nach der Lärm- und Schadstoffbelastung dort in der Straße erkundigen. „Nach dem Ergebnis können wir in der BVV einen entsprechenden Antrag stellen.“

Die Piraten-Fraktion sagt jedoch, dass die BVV zwar einen Beschluss fassen kann, in dem sie eine bestimmte Regelung der VLB empfiehlt. Die Liste der empfohlenen, aber nicht oder noch nicht umgesetzten Maßnahmen sei jedoch lang. „Es wäre unsinnig, den Anwohnern da Hoffnungen zu machen“, ist Annette Pohlke, Sprecherin der Piraten, ehrlich und fügt hinzu, dass eine Neuregelung gründlich geprüft werden müsse. Als Beispiel: „Wenn der Schwerlastverkehr ausgeschlossen wird, dann verschwindet der nicht einfach, sondern sucht sich andere Wege.“ Damit steige an anderer Stelle die Belastung für die dortigen Anwohner.

Auch die CDU-Fraktion der BVV habe das Thema in ihrer letzten Sitzung diskutiert, sei aber noch zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt, teilt der Bezirksverordnete Jens Kronhagel dem Tagesspiegel-Zehlendorf mit. Ein Statement der SPD-Fraktion auf unsere Anfrage zur Seehofstraße gab es nicht.  

Die Autorin ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel-Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auf Twitter und auch der Redaktion Zehlendorf .

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