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Aus der City an den Stadtrand. Johannes Krug ist Superintendent im Evangelischen Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf. Zuvor war er Pfarrer in der Marienkirche am Alexanderplatz.

© Anett Kirchner

Zehlendorfs Superintendent im Gespräch: „Bei der Gastfreundschaft gibt es noch Luft nach oben“

In Berlin-Zehlendorf ist Veränderung erstaunlich und das Vertraute normal. So hat es Johannes Krug erlebt: Er war Pfarrer am Alexanderplatz, seit zwei Jahren ist er Superintendent im Evangelischen Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf. Er genießt Gestaltungsspielräume – und will die Willkommenskultur verbessern.

Raus aus der pulsierenden Innenstadt, rein in den beschaulichen Südwesten: Wie haben Sie den Wechsel empfunden?

Interessant möchte ich sagen. In Mitte wurde ich immer gefragt: Wie lange sind Sie schon hier? In Zehlendorf heißt es: Sind Sie eigentlich ein Berliner? Da erklärt sich der Unterschied. Für meine Familie ist das grüne Zehlendorf natürlich ein schönes Zuhause, und auch für meine Arbeit ist es ideal. Ich habe noch nie zuvor so gern gearbeitet. Es gibt unglaubliche Gestaltungsmöglichkeiten. Kein Tag ist wie der andere. Gleichzeitig beruhigt es mich aber auch, die S-Bahn-Züge der S1 zu hören und dadurch ein stückweit die Verbindung zur Innenstadt zu halten.

Wie kommt es, dass Sie hier so große Gestaltungsmöglichkeiten haben?

Fast 30 Prozent der Menschen in Zehlendorf sind evangelische Christen. Viele davon haben eine qualifizierte Ausbildung und eine hohe Kompetenz, was zum Beispiel das Umsetzen von Projekten angeht. Deshalb gibt es hier eine lebendige Ehrenamtskultur. Die Gemeinden sind nicht pfarrerzentriert, sondern werden von allen mitgestaltet. Das gefällt mir und ist eine gute Basis für Gestaltung, denn genau das zeichnet uns als evangelische Kirche aus.

Und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

In unserer Gastfreundschaft. Hier gibt es manchmal noch Luft nach oben. Denn aus unserem Glauben heraus gilt, die Menschen willkommen zu heißen, ob sie getauft sind oder einer anderen Religion angehören. Wo sich Kirche vereinsähnlich organisiert mit festen Strukturen und Kreisen, vergisst sie leicht, dass sie immer eine öffentliche Kirche ist: Für alle da. Wir sollten ganz nüchtern und wach auf die Menschen zugehen, um zu verstehen, was sie in der heutigen Zeit bewegt.

Wie wollen Sie das Thema Gastfreundschaft den Gemeinden näher bringen?

Wir haben eine Broschüre „Für eine Kultur des Willkommens“ herausgegeben. Darin wird das Thema aus biblischer und aus weltlicher Sicht beleuchtet. Es ist ein Papier, das an- und aufregen soll. Die Auflage war in kürzester Zeit vergriffen. In der Broschüre steht unter anderem, dass wir nur überzeugende Christen sein werden, wenn andere uns als menschenfreundlich erleben.

Wie sind die Reaktionen?

Der Arbeitsplatz. Die Superintendentur an der Kirchstraße in Zehlendorf-Mitte. Dort gibt es auch Essen für Menschen in Not.
Der Arbeitsplatz. Die Superintendentur an der Kirchstraße in Zehlendorf-Mitte. Dort gibt es auch Essen für Menschen in Not.

© Anett Kirchner

Lebhaft! Manche fühlen sich auf den Schlips getreten. Andere finden, dass endlich frischer Wind ins Gemeindeleben kommt. Es braucht Zeit. Gastfreundschaft ist keine Technik, die man einfach lernen kann. Vielmehr ist es eine Haltung.

Würden Sie sich als modernen Christen sehen, zum Beispiel im Umgang mit den neuen Medien?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin jeden Tag froh, wenn ich meinen Computer wieder abschalten kann. Zwar habe ich ein Smartphone, aber nur aus der Not heraus. Viele Termine, nicht zuletzt auch die mit meiner Familie, wollen effektiv koordiniert sein.

Aber wie wichtig ist es, dass die Kirche online ist?

Sehr wichtig! Ich sehe keinen Grund, auf die modernen Möglichkeiten der Kommunikation zu verzichten, wenn es um die Verkündigung des Evangeliums geht. Aber das will gekonnt und gut bedacht sein. Ich kann das nicht.

Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, junge Menschen für die Kirche zu begeistern?

Wir bringen gerade ein Projekt zur Erinnerungskultur auf den Weg, mit dem wir Jugendliche aus Berlin, Wolgograd und Krakau zusammenführen. Sie werden sich abwechselnd in Camps in den drei Ländern treffen und ihre Gedanken über den Zweiten Weltkrieg austauschen. Zum Beispiel könnten sie überlegen, wie es gewesen wäre, wenn sich ihre Großväter bewaffnet gegenüber gestanden hätten. Am Ende steht ein inszeniertes Theaterstück. Die Jugendlichen werden von einem Regisseur des Jungen Deutschen Theaters begleitet. Als Schirmherren konnten wir Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gewinnen, der ja in Zehlendorf wohnt.

Wie läuft die Finanzierung des Projekts?

Etwa die Hälfte ist bereits finanziert. Für die andere Hälfe suchen wir noch Sponsoren.

Was glauben Sie, wie sich die Evangelische Kirche künftig finanziell aufstellen wird?

Wenn wir das Niveau unserer kirchlichen Arbeit halten wollen, müssen wir künftig Projekte querfinanzieren, also mit Drittmitteln. Kirchliches Fundraising wird, gerade in unserem Kirchenkreis, ein wichtiges Thema sein. Es gibt so viele gute Gründe, kirchliche Arbeit zu unterstützen und es wird nicht möglich sein, alles aus Kirchensteuern zu bezahlen. Dann wären wir wirklich bald wie ein Verein.

Johannes Krug wurde 1969 in Hannover geboren. Er studierte Evangelische Theologie in Heidelberg und Jerusalem. Nach seiner Promotion ging er für ein Sondervikariat nach Brüssel zum EU-Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Vikariat machte er in Ostfriesland. Krug ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt seit 2003 in Berlin. Er war acht Jahre lang Pfarrer in der St. Mariengemeinde am Alexanderplatz und ist seit März 2012 Superintendent im Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf.

- Die Autorin ist freie Journalistin und schreibt unter anderem für die Evangelische Wochenzeitung "dieKirche". Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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