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Sandalen, Socken, Sonnenschein: Berliner Chic im Einsatz.

© Flickr.com / Sascha Kohlmann / Creative Commons

Fünf Minuten Wedding ... woanders: Ein Mann, ein Rollator

Weddinger Szenen können sich an jeder Ecke abspielen - unter Umständen auch da, wo man es so gar nicht erwarten würde. Eine Berliner Begegnung.

Er ist zu hören, noch bevor er zu sehen ist.

Da rappelt es und rattert und klirrt auch ein bisschen, da hinten, auf der anderen Straßenseite.

Es dauert ein paar Momente, erst dann ist er da.

Steht hinten am Rand des Fußwegs, Berliner Erscheinung, unverkennbar, 70 Jahre, vielleicht mehr, Jogginghose, Ledersandalen, Tennissocken, den Rollator fest im Griff, schnittiges Modell, dunkelblau lackiert, zwei volle Kästen Flens untendrin.

Auf dem Heimweg vom Edeka Kiezkauf, ein Mann, ein Rollator. Nachschub für ein paar schöne Stunden und Tage, fein sauber gestapelt im Transportfach, knapp überm Asphalt. Und das Hündchen hechelt, es darf nicht fehlen, natürlich nicht, es hängt an der kurzen Leine, ist eins von den kleinen, klassischer Kläffer.

Auf der anderen Straßenseite steht jetzt einer und ruft. Noch ein Alter, ein Freund von früher vielleicht, ein Kollege, Nachbar, Saufkumpan, wer weiß.

Mensch, ruft der andere Alte und wartet, bis der Rollator sich wieder in Bewegung gesetzt hat, bis Mann und Bier und Kläffer sicher rüber sind über das tückische Pavéstück.

Die beiden Männer lächeln sich an, ohne eine Miene zu verziehen.

Mensch!, sagt der zweite noch mal, wie geht’s dir denn?

Naja, sagt der erste. Naja, scheiße.

Na, da geht’s dir ja genauso wie mir!

Und damit haben sich die beiden auch schon alles gesagt.

Sie gucken noch kurz aneinander vorbei, nicken sich zu, murmeln schnell ein, zwei Sachen, und dann weiter, man hat sich gesehen, man hat sich ausgetauscht, alles ist gut, also wie immer, also scheiße, das Leben, der Kiez, was willst du machen.

Dann kläfft der Kläffer, dann klappern die Mollen, weiter, in aller gebotenen Bierruhe, am Cafégast aus dem Nachbarbezirk vorbei. Ein echter Weddinger Moment, denkt der Gast sich. Und das hier! Sie sind also doch noch da, sind noch hier, gehen nicht weg, denken nicht dran, gehen zum Kiezmarkt und zurück und leisten noch ein bisschen Widerstand. Die Alten, die Berliner, die echten. Hat man ja schon gar nicht mehr für möglich gehalten.

Kellner, hallo, noch ein Bierchen bitte, ein großes, und dann Prost, darauf, dass noch nicht alles verloren ist, hier drüben, am schönen, schönen Kollwitzplatz.

Bild: Flickr / Sascha Kohlmann / Creative Commons

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