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Zwischen den Zeilen: Autor Finn-Ole Heinrich bei den Proben für das Stück "Helm auf" in Berlin-Wedding.

© Promo / k&k kultkom

Ensemble-Auftritt an der Gesundbrunnen-Grundschule: „Kinder können dir eine Show zerlegen“

Auftritt mit Literatur und Neuer Musik vor 75 Schülern - keine leichte Sache. Autor Finn-Ole Heinrich hat es mit dem "Ensemble Adapter" an der Gesundbrunnen-Grundschule gewagt. Ein Gespräch.

Für seine tiefgehenden und berührenden Texte ist der Hamburger Autor Finn-Ole Heinrich (Jahrgang 1982) vielfach ausgezeichnet worden. Nun wagte er sich mit dem Neue-Musik-Ensemble „Adapter“ vor ein sehr junges Publikum in Berlin. Bei zwei Auftritten an der Gesundbrunnen-Grundschule brachten die Künstler eine interaktive Vertonung von Heinrichs Kurzgeschichte „Helm auf“ auf die Bühne. Im Gespräch mit dem Wedding-Blog spricht der Autor über Kinder als Publikum, fordernde Texte und Furzgeräusche in der Aula.

Finn-Ole Heinrich, die offizielle Premiere der Performance „Helm auf“ hat im ExRotaprint in der Gottschedstraße stattgefunden. Was wusstest du als Norddeutscher vorher über den Wedding?

Nichts, gar nichts - obwohl ich echt oft in Berlin bin. Außer vielleicht, dass es irgendwie ein Problemviertel ist, wo viel aufeinander knallt. Meine Mutter hat früher im 'Roten Wedding' gewohnt. Die kam her um Revolution zu machen, Ende der 70er, Anfang der 80er. Sie war jetzt auch bei einer Aufführung und hat mir ihren alten Hauseingang gezeigt, direkt um die Ecke vom ExRotaprint. Aber ich selbst war zum allerersten Mal bewusst im Wedding.

Schon vor der offiziellen Premiere hattet ihr mit „Helm auf“ zwei Auftritte an der Gesundbrunnen-Grundschule. Was war da anders als bei den 'normalen' Auftritten?

Der größte Unterschied war, dass wir zu den Kindern in die Schule gekommen sind, also in deren Umgebung. Da kann man ja nicht einfach sagen, wir machen jetzt ein bisschen 'Neue Musik meets Literatur'. Wir mussten den Kindern glaubhaft eine Situation vermitteln, bei der klar ist: Es ist cool, wenn ihr leise seid und mitmacht. Daher die Idee einer Live-Aufzeichnung mit Beteiligung des Publikums an den Regengeräuschen. Wir wollten ihnen auch die Ohren aufmachen.

Wie liefen die beiden Aufführungen an der Schule?

Ich fand erstaunlich, wie gut es funktioniert hat. Es waren ja zweimal drei Klassen, also je 75 Schüler. Wenn die wollen, können die dir so eine Show ja zerlegen (lacht). Gerade weil das Stück so ernst ist und es so viel Stille gibt. Da bräuchte es nur zwei, drei Furzgeräusche an den entsprechenden Stellen und alles ist hin.

Das ist aber nicht passiert?

Nein. Besonders die erste Show um zehn Uhr morgens hat sehr gut funktioniert. Eine respektvolle Stille. Auch die halbstündige Fragerunde danach war ein tolles Erlebnis. Bei der zweiten Show war es ein bisschen schwieriger. Fünfte, sechste Stunde, das war dann eben auch schon deutlich später. Da mussten wir die Fragen danach irgendwann abbrechen.

Was war denn die interessanteste Frage, die hinterher vonseiten der Kinder kam?

Ich fand es einfach gut, wie ernst sie uns genommen haben. Obwohl sie nichts aus diesem ganzen Kosmos kennen, haben sie es gar nicht infrage gestellt. Sie hatten vielleicht auch noch nicht die Abwehrhaltung, die Erwachsene teils schon haben gegen Literatur oder Neue Musik. Die Kinder waren einfach total geflasht von dem ganzen Aufwand, den wir betrieben haben. Wir haben ja alleine drei Stunden aufgebaut und alle Instrumente in die Aula geschleppt.

Der Text des Stücks basiert auf einer Kurzgeschichte von dir. Es geht um ein Kind, das einen extremen Einschnitt in der Familie auf eigenwillige, mutig-trotzige Art verarbeitet. Kein leichter Stoff.

Sicher. Kinder mögen solche Geschichten, die nicht abgeschlossen sind, eigentlich nicht gerne. Und ich kann mir vorstellen, dass sich schon einige der Schüler hinterher gefragt haben: Was war das denn? Aber ich bin mir sicher, sie werden sich alle noch lange daran erinnern. Es war etwas Außergewöhnliches. Und man kann sie daran ja ruhig auch schon mal gewöhnen, dass man Geschichten auch mal selbst weiterdenken oder abschließen muss.

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Tod, Verlust, Trauer – das sind zentrale Themen in „Helm auf“. Selten für ein Stück „ab 10“. Beschützen wir heutzutage Kinder zu sehr vor zu vielen Dingen?

Als Kind hatte ich das Gefühl schon. Ich wollte das nie, vor Dingen beschützt werden. Ich habe das nie gemocht, wenn etwas auf meine Bedürfnisse als Kind angepasst wurde. Und jetzt versuche ich auch immer, Kinder ernst zu nehmen, auch wenn das wie eine Plattitüde klingt. Aber klar... Mal angenommen, da sitzt wirklich ein Kind im Publikum, das seinen Vater verloren hat. Da ist das natürlich schon ein Brett...

Dein Debütroman „Räuberhände“ handelt von zwei Abiturienten, die abhauen. In Berlin bist du jetzt auch mit deinen „Maulina Schmitt“-Erzählungen aufgetreten. Was interessiert dich daran, Texte über und für Kinder und Jugendliche zu schreiben?

Ich weiß gar nicht, ob zum Beispiel „Helm auf“ ein Kindertext ist. Ich denke darüber nicht wirklich nach. Wenn mich eine Geschichte reizt, dann erzähle ich sie. (denkt nach) Eigentlich schreibe ich Kinderbücher für Erwachsene, die aber auch Kinder lesen können.

Für wen schreibst du deine Texte?

(überlegt lange) Schwierige Frage. Wenn ich schreibe, schreibe ich für mich. Ich versuche auszublenden, dass es überhaupt eine Leserschaft gibt. Ich muss ja den ganzen Kram in meinem Inneren holen gehen.

Sind Kinder das bessere Publikum?

Auf jeden Fall das spannendere. Es war als Experiment total interessant. Zu sehen, wie wir das hinbekommen, dass sie uns überhaupt zuhören, dass sie bei der Stange bleiben. Und die Kinder haben super mitgemacht. Die Erwachsenen bei den anderen Auftritten waren eher so mittelmäßig motiviert.

Die Weddinger Auftritte von „Helm auf“ sind hier als Download verfügbar. Mehr zu Finn-Ole Heinrich auf seiner Website.

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