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Hans-Joachim Berg ist Vorsitzender der AfD in Steglitz-Zehlendorf.

© Anett Kirchner

AfD positioniert sich in Steglitz-Zehlendorf: "Schwarz-Grün - eine träge Machtgemeinschaft"

Er war einmal persönlicher Referent von Alfred Dregger, aber aus der CDU ist er längst ausgetreten: Hans-Joachim Berg ist seit 2013 Vorsitzender der AfD in Steglitz-Zehlendorf, mit 200 Mitgliedern der stärkste Verband in Berlin. Die Parteien im Bezirksamt hält er für "unfähig".

Hans-Joachim Berg ist sehr selbstbewusst, er sagt: Bei der nächsten Wahl 2016 werde die Alternative für Deutschland (AfD) in die Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf einziehen. Seine Begründung: Viele Bürger seien von dem politischen System hier enttäuscht. Die schwarz-grüne Zählgemeinschaft von CDU und Grüne in der BVV bilde nur "eine träge Machtgemeinschaft ohne politischen Gestaltungswillen". Berg weiter: „Die einen wollen unbedingt mitmachen, und die anderen brauchen die einen, um mitzumachen."

Dann nennt er Beispiele für, wie er sagt, "deren Unfähigkeit": der Bierpinsel in der Schlossstraße und der Steglitzer Kreisel. Beide Gebäude verfallen seit Jahren und sind ungenutzt.

Er beobachtet Verwahrlosung im öffentlichen Raum

Hans-Joachim Berg ist Vorsitzender des Bezirksverbandes der AfD in Steglitz-Zehlendorf. Zwar habe seine Partei keinen "kommunalpolitischen Ur-Ansatz", wie er zugibt, gleichwohl will sie sich jetzt auch verstärkt im Bezirk positionieren. Er beobachte eine zunehmende Verwahrlosung des öffentlichen Raumes, wie etwa den Müll am Schlachtensee oder die zerschlagenen Fensterscheiben einzelner Geschäfte am Teltower Damm in Zehlendorf.

„Das sind Indizien für den Verlust an Bürgerlichkeit“, sagt Berg. Damit eine Gesellschaft gut funktioniere, brauche sie gemeinsame Werte. Verhaltensweisen müssten vorgelebt werden. Dazu gehöre auch der Mut, zu eigenen Meinungen zu stehen. Denn Bürgerlichkeit bedeute nicht Beliebigkeit.

Berg kann große Sätze sprechen, konkrete Lösungen für die Probleme im Bezirk bietet die AfD bislang nicht. „Wir können erst dann etwas bewirken, wenn wir politische Macht haben“, sagt der Vorsitzende. Ideen gebe es: Beispielweise zu dem dramatischen Sanierungsrückstau bei Schulen in Steglitz-Zehlendorf. Hier schlägt Berg eine andere finanzielle Prioritätensetzung vor. Man müsse den Bezirkshaushalt durchkämmen und sehen, wo Gelder umverteilt werden könnten. „Das setzt jedoch voraus, dass diejenigen, denen etwas weggenommen wird, das ertragen können“, sagt der 66-Jährige.

Und auch zu den Flüchtlingsunterkünften in Steglitz-Zehlendorf vertritt der AfD-Bezirkschef eine klare Position. Die Asylsuchenden, die hier sind, sollten menschenwürdig behandelt werden. „Aber die politische Frage ist, wie viele Menschen wir überhaupt aufnehmen müssen?“ Er fragt sich, sagt er, was die milliardenschweren Ölländer wie Katar und Saudi-Arabien tun, um den Flüchtlingen aus ihrem eigenen Glaubens- und Kulturkreis zu helfen?

"Es wird versucht, die AfD zu dämonisieren"

„Weil wir im Gegensatz zu den Kartellparteien ehrlich mit dem Thema umgehen, wird uns oft unterstellt, wir seien flüchtlingsfeindlich“, sagt Berg. Erst kürzlich sei deshalb eine geplante AfD-Veranstaltung im Vereinshaus von Hertha 03 Zehlendorf abgesagt worden. Es werde bewusst versucht, "die AfD zu dämonisieren", anstatt in der Partei "das integrative Potential zu den Menschen zu erkennen, die sich in diesem System" nicht mehr wohl fühlten.

„Ich bin immer für eine deutliche Sprache, auch bereit, wenn nötig Konflikte einzugehen.“ Das sei auch seine Grundeinstellung im Leben. Er wurde 1948 in der Nähe von Hannover geboren und ist in Bremen aufgewachsen. Auch seine Eltern waren seinerzeit Flüchtlinge, sein Vater stammt aus Königsberg (heute Kaliningrad). Als junger Mann wollte er entweder Journalist oder Rechtsanwalt werden. Er entschied sich schließlich für Jura, studierte in Köln und in Kiel.

Seit 1976 arbeitete Hans-Joachim Berg – mit Unterbrechung – im Deutschen Bundestag; zunächst in Bonn, später in Berlin. Er war Abgeordnetenmitarbeiter, Fraktionsangestellter und Parlamentsbeamter, ist seit 2014 pensioniert und als Rechtsanwalt tätig.

„Daher kenne ich das parlamentarisch-politische System in unserem Land“, erklärt der promovierte Jurist. Politik findet statt, egal, ob man sich beteiligt oder nicht. Das hat er sich früh klar gemacht und entschieden, mitzuwirken. 1967 trat Hans-Joachim Berg in die CDU ein, war später auch persönlicher Referent des langjährigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger. Mit der Zeit bemerkte er aber einen schleichenden Substanzverlust in „seiner alten CDU“,  wie er sagt, und wollte das nicht mehr mittragen. Die Partei führe heute einen konfliktscheuen Kurs, der nach allen Seiten offen sei.

Interner Streit hindert die AfD häufig am arbeiten

Im März 2013 unterschrieb er seine Austrittserklärung bei der CDU und kurze Zeit später seine Eintrittserklärung bei der damals gerade wenige Wochen jungen AfD. „Dort hatte sich bestes deutsches Bürgertum versammelt, um zu versuchen, das umzusetzen, was in unserem Land jetzt notwendig ist“, erklärt er. Wenn die AfD scheitere, sei vermutlich der letzte bürgerliche Versuch vertan, massive Politikveränderungen herbeizuführen. „Ich fürchte, nächste Versuche werden nicht so bürgerlich sein“, glaubt Berg, und es klingt ein wenig wie eine Drohung..

Anstatt politisch zu arbeiten, beschäftigt die Partei oft interner Streit, wie beispielsweise der um die Parteispitze der Bundes-AfD. Streit gab es aber auch bei der Aufstellung des Vorstandes im Bezirksverband von Steglitz-Zehlendorf. Dieser wurde im November 2013 gegründet. Hans-Joachim Berg, der seit 2006 mit seiner Familie im Komponistenviertel in Lankwitz lebt, wurde zum ersten Bezirksvorsitzenden gewählt. Dem Ergebnis gingen jedoch interne, personelle Streitigkeiten auf Landesebene voraus. Deshalb blockierten in den ersten Monaten auch Misstrauen und Spannungen die Arbeit auf Bezirksebene. Diese Schwierigkeiten seien inzwischen aber überwunden, sagt Berg. Der Bezirksverband in Steglitz-Zehlendorf ist mit etwa 200 Mitgliedern der größte in Berlin. „Es ist ein typischer AfD-Bezirk, weil er bürgerlich ist."

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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