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Der Bestand schrumpft. Noch gibt es viel Grün in der alten Siedlung am Laehr'schen Jagdweg, doch immer mehr Bäume sind bedroht.

© Bernhard Wiens

Baumfällungen im Zehlendorfer Süden: Widerstand gegen die Kettensäge

Am Laehr'schen Jagdweg nahe dem Teltower Damm in Zehlendorf-Süd werden immer wieder Bäume gefällt – mit Begründungen, die Anwohner nicht hinnehmen wollen. Sie kritisieren das Bezirksamt, aber auch die Verwaltung der Siedlung. Dieser Gastbeitrag erklärt den Konflikt.

Was tun, wenn Bürgersteige sich heben und senken, weil sie von Wurzeln unterwandert sind? Im Fall der Siedlung am Laehr'schen Jagdweg war es ganz einfach. Das Tiefbauamt verlangte 2012 die Fällung von acht Robinien im Hof- und Erschließungsbereich. Das löste eine Kettenraktion aus, besser: eine Überreaktion der Kettensäge.

Einfach war es, weil der Gehweg öffentlich ist, die Bäume aber auf privatem Siedlungsgrund stehen. Fällung und Sanierung kosten den Bezirk nichts. Nun muss nur noch der für den Naturschutz im Bezirksamt Zuständige bescheinigen, dass die Robinien „zudem“ morsch und faul sind, und eine Firma rückt an. Sie fällt 2013 „irrtümlich“ einen Baum, der gar nicht zur Beseitigung freigegeben war, und ganz nebenbei vier ausgewachsene Bäume, die gegenüber standen. Dort war der Bürgersteig nicht moniert worden, aber der Naturschutz-Mitarbeiter attestiert es sich selbst im Nachgang auch ohne Tiefbauamt.

Am nördlichen Ende der Straße ging es dieses Jahr weiter. Diesmal verlangte der Zuständige Ersatzpflanzungen. Er tat es nicht aus eigenem Willen; inzwischen waren die Anwohner aufgewacht, und ein Gutachter wurde eingeschaltet. „Morsch und faul“ scheint der am häufigsten verwendete Begriff im Sprachschatz der Unteren Naturschutzbehörde zu sein. Als die Kettensäge wieder auf der anderen Straßenseite anrückte, konnten die Anwohner erstmals durch Androhung einer Einstweiligen Verfügung einen Baum retten. In der Antwort auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde bittet der Amtsleiter, die „ungenügend differenzierte (Fäll-)Begründung zu entschuldigen“.

Bernhard Wiens, Anwohner am Laehr'schen Jagdweg.
Bernhard Wiens, Anwohner am Laehr'schen Jagdweg.

© privat

Die Maßnahmen summieren sich zu 15 ausgewachsenen Bäumen, hinzu kommen weitere Fällungen direkt am Straßenrand. Vergrößert man den Betrachtungszeitraum, gibt es einen permanenten Baumschwund.

Die Initiative aus den Reihen der Wohnungseigentümer macht auch Front gegen die eigene Verwaltung, die ihr sehr „fällfreudig“ erscheint. Die Angst vor Schadensersatzforderungen scheint die Freude an der Vegetation zu verderben. Die Verwaltung hat weitere Bäume auf der Streichliste: Kahlschlag sei die billigste Lösung.

Der Sprecher der Initiative, Andreas Lossau, hat in der näheren Umgebung ein rundes Dutzend Fällungen gezählt, die der Bezirk 2013/14 im öffentlichen Straßenland vorgenommen hat. Nie hat er Nachpflanzungen gesehen, geschweige denn die Sanierung der Gehwege. Er fragt, ob sich die Erfahrung des Nieritzweges wiederholt: Der Grünbestand werde dem Pflegeetat angepasst und nicht umgekehrt.

Fragt man Andreas Lossau, was er an der Wohnlage schätzt, antwortet er: „Das, was uns jetzt genommen ist.“ Die Siedlung wurde 1929 im Stil der Gartenstädte errichtet, das Grün ist offen zum Heinrich-Laehr-Park. Die damalige Wohnungsbaugesellschaft „Heimat“ beschäftigte die bekanntesten Architekten des „Neuen Bauens“, darunter Jean Krämer. Sechs Siedlungen dieser Art in Berlin gehören zum Unesco-Welterbe. Es muss nicht gleich Bruno Taut sein: Leonie Glabau, Gartendenkmalpflegerin im Landesdenkmalamt, bescheinigt der Siedlung am Laehr'schen Jagdweg „Charme“, der auch ohne Schutzstatus durch das Engagement der Anwohner bewahrt bleiben könne. Die einzigartigen Strukturen der Neuen Sachlichkeit sind auch in den Außenanlagen mit ihren Rastern und Symmetrien sowie eingestreuten Pachtgärten noch gut sichtbar.

Die Siedlungsverwaltung hat auf Druck der Initiative nun Landschaftsarchitekten eingeschaltet. Landschaftsarchitekten lieben es, Sichtachsen frei zu schneiden und architektonische Flächen mit Beton, Platten und klaren Kanten zu schaffen. Die Gruppe hofft, davon verschont zu bleiben und macht sich stark für für die Restaurierung des Bestehenden und einen Pflegeplan. Der Status quo kann fortschrittlich sein. Damit der „grüne Bezirk“ nicht zum Marketing-Gag verkommt. 

- Der Autor ist Mieter in der Siedlung, Dozent an der Beuth Hochschule Berlin und Wissenschaftsjournalist. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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