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Das Thema "Wie weiter mit dem Bahnhof Wannsee?" sei verzwickt, stellte Stefan Schlede (Mitte) schon zu Beginn der Veranstaltung fest

© Raack

Infoabend zur Zukunft des Bahnhofs Wannsee: Die Bürger-Farce

Ein wenig motivierter Stadtrat, ein sehr selbstbewusster Bahnvertreter, das Ganze moderiert vom CDU-Ortsvorstand: Die Bürgerversammlung zur Zukunft des Bahnhofs Wannsee erinnerte an autoritären Frontalunterricht. Viele verließen die Veranstaltung.

Der Einladung des CDU-Ortsverbands Wannsee zum Thema „Wie weiter mit dem Bahnhof Wannsee?“ waren am Mittwochabend etwa 50 Interessierte ins Loretta am Wannsee gefolgt. Stefan Schlede, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Wannsee, leitete die Bürgerversammlung ein mit den Worten: Das Thema sei „verzwickt“, daher habe man nicht nur interessierte Bürger eingeladen, sondern auch Fachleute, also („das Soziale lassen wir mal weg") Frank Mückisch, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und zu seiner Linken Patrick Malter, Leiter des Bahnhofsmanagements der Deutschen Bahn für Berlin.

Und, so viel schon einmal vorab, da es ja erhebliche Einwände bezüglich der Entwicklung, Neugestaltung und Renovierung gebe, nicht nur, was den Bahnhof selbst angehe, sondern auch die Ladenzeile, habe man einen runden Tisch gegründet, bestehend aus Herrn Mückisch, Vertretern des Denkmalschutzes und der Deutschen Bahn „unter Einbeziehung lokaler Bedürfnisse“.

Ein Bild des Umbruchs und des Leerstands

Die Ladenzeile gebe ja mittlerweile ein Bild des Umbruchs und des Leerstands. Die Frage, warum werde denjenigen gekündigt, die da immer Leben reingebracht hätten, sei berechtigt. Denn die Neugestaltung beträfe den gesamten Bereich der Ladenzeile, insbesondere die Kündigung des Dönerladens und des Eisladens.

Mit den Worten "mir ist jetzt schon warm geworden“ zieht sich an dieser Stelle der Vertreter der Deutschen Bahn (DB) Patrick Malter erstmal die Jacke aus: Es werde ja immer draufgehauen, wenn die Bahn kommt. Den Bahnhof Wannsee möge er irgendwie, aber tot sei er schon und in der Halle rieche es leicht nach Toilette, da würde er sich mehr Leben wünschen. Also mehr Vermietung, Licht und soziale Kontrolle. Im Planungsportfolio der Bahn spiele der Bahnhof Wannsee einfach keine große Rolle, im Vergleich etwa zum Bahnhof Friedrichstraße. Der sei beispielsweise ein Bahnhof der (DB-) Kategorie eins, wohingegen Wannsee zur Kategorie zwei gehöre. Auf jeden Fall kämen hier in Wannsee täglich 38.000 Fahrgäste durch, am Vorplatz gebe es bisher das Hotel und Restaurant BonVerde, einen Taxistand, Kurzzeitparkmöglichkeiten und Fahrradstellplätze.

Die erste Wortmeldung aus dem Publikum: Man habe den Wunsch nach einem vernünftigen Fahrradstellplatz, und man solle doch die Schrotträder entfernen.

Dies entspreche ja auch der Fahrradstrategie des Senats, denn der Anteil der Elektrofahrräder steige ja, und insgesamt führen mehr Pendler mit dem Fahrrad zum Bahnhof und von dort ins Stadtzentrum, so die Antwort.

Es gehe aber nicht nur um hochpreisige Fahrräder, sondern auch um normale, kam der Einwand aus dem Publikum. Hier wendet sich Frank Mückisch an Herrn Malter: Er könne sich vorstellen, absperrbare Boxen für normale und teure Fahrräder aufzustellen. Die Zuständigkeit läge da aber wohl bei der Stadt, blockt der DB-Vertreter ab, es sei klar, dass man sich in Berlin so etwas wünsche, aber die Bahn würde das wohl eher nicht bauen.

Auch Serpil Sönmez und ihr Mitarbeiter Ergün Emirzeoglu nahmen an der Veranstaltung teil. Ihr Dönerladen ist einer der gekündigten Geschäfte der Ladenziele am Bahnhof Wannsee. Sie seien enttäuscht, sagte Serpil Sönmez am Ende der Veranstaltung im Loretta. Keine Fragen seien wirklich beantwortet worden
Auch Serpil Sönmez und ihr Mitarbeiter Ergün Emirzeoglu nahmen an der Veranstaltung teil. Ihr Dönerladen ist einer der gekündigten Geschäfte der Ladenziele am Bahnhof Wannsee. Sie seien enttäuscht, sagte Serpil Sönmez am Ende der Veranstaltung im Loretta. Keine Fragen seien wirklich beantwortet worden

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Ein klassisches Thema für den runden Tisch, wie Schlede findet. Weiter, nächstes Thema.

Nun fragt eine Dame, was mit den Geschäften passiere, "die sollen ja so hohe Mieten bekommen". Berlin verändere sich durch Zuzug und die Mietpreisentwicklung, erklärt Malter, da behandele die Bahn den Bahnhof Wannsee nicht anders als den Bahnhof Friedrichstraße. Die Bahn wolle das Gesamtambiente stärken mit Läden, die die Brandschutzauflagen erfüllten und die wirtschaftliche Zielführung unterstützten, wie etwa der Bäcker Steinecke an der Ecke; der sei ja schon fertig und werde gut angenommen. Grundsätzlich gehe es um einen Vermarktungsmix. „Die Bahn macht doch nur Geschäfte mit Ketten“, sagt die Dame und eine andere sekundiert: Bei Steinecke gäbe es nur miese Qualität, der Kaffee dort sei ungenießbar. Die Auswahl der Betreiber hänge eben von der Umsatzmiete ab, sagt Patrick Malter.

Man könne heute nicht auf alles eingehen

Ein Herr im Publikum stellt sich als Seniorenvertreter vor und sagt, die Ladenzeile sei wichtig für die Generalversorgung, da brauche man nicht nur Coffeeshops. Ob man sich da einen Edeka vorstelle?, fragt Malter. Die könnten auch kleiner sein die Läden, lautet die Antwort. Überhaupt würden doch Tante Emma-Läden wieder überall entstehen, sagt die Dame, die den Steinecke-Kaffee nicht mag, also kleine Läden, in denen man auf dem Heimweg noch Milch und Brot abgreifen könne, ohne nochmal zu Reichelt fahren und einen Parkplatz suchen zu müssen. Ein Herr sagt an dieser Stelle, der Bahnhof sei doch eine Architekturperle, und die Bahn mache sich nicht bewusst, was sie für Schätze habe.

Erregte Fragensteller nehme er nicht dran, verkündete der pensionierte Oberstudienrat Stefan Schlede auf der Veranstaltung um die Zukunft des Bahnhofs Wannsee
Erregte Fragensteller nehme er nicht dran, verkündete der pensionierte Oberstudienrat Stefan Schlede auf der Veranstaltung um die Zukunft des Bahnhofs Wannsee

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Schlede fällt ihm ins Wort, schlägt vor, den Punkt festzuhalten für den runden Tisch: „Wir sind ja hier zur Eröffnung der Probleme, denen wir am runden Tisch nahe kommen wollen." Man könne heute leider nicht auf alles eingehen.

"Aber das war doch alles mal vorhanden", wirft ein Herr aus dem Publikum ein. Ein Reisebüro, einen Bäcker, einen Fleischer, sogar einen Uhrmacher hätte es in der Ladenzeile bis vor ein paar Jahren gegeben. Diese Diskussion könne er als Person nachvollziehen, gibt Patrick Malter zu verstehen, an den Bahnhöfen Südkreuz und Ostkreuz würden sich die Anwohner auch ihren Kiez zurück wünschen. Die Bahn habe aber ganz klar wirtschaftliche Interessen und müsse ja auch die Dividende erfüllen.

Dann sagt die Dame von vorhin etwas, kann sich stimmlich nicht durchsetzen - zu verstehen ist nur noch: „... das sind die wahren Gründe", da schneidet Stefan Schlede ihr das Wort ab „Sie können reden, wenn Sie dran sind, und nicht, wenn Sie sich auch noch so erregen.“ Und Patrick Malter verliert kurz die Fassung: „Sie sind persönlich sehr erregt, weil Sie keine Ladenfläche bekommen haben.“ Stefan Schlede, winkt ab: “Lassen wir das.“

Licht im Dunkel - schon jetzt ist es einsam um das Kebab Haus. Bis Ende Oktober ist der Dönerladen das einzige noch geöffnete Geschäft in der Ladenzeile am Bahnhof Wannsee
Licht im Dunkel - schon jetzt ist es einsam um das Kebab Haus. Bis Ende Oktober ist der Dönerladen das einzige noch geöffnete Geschäft in der Ladenzeile am Bahnhof Wannsee

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Eine andere Dame prognostiziert nun, dass die Läden in der Ladenzeile so heruntergekommen seien, dass frühestens in zwei Jahren neue Betreiber anfangen könnten. Ob die denn schon feststünden. Patrick Malter sagt, er könne nicht benennen, welche Betreiber den Zuschlag bekommen hätten  Das finden nun einige im Publikum „verdächtig“ und „unglaubwürdig“. Erregte Fragesteller würde er nicht aufrufen, verkündet der Oberstudienrat a. D. Schlede.

Aber es sei doch bekannt, dass der gut gehende Dönerladen, der in der Ladenzeile seit zehn Jahren in Familienhand betrieben würde, durch eine Dönerkette ersetzt werden solle, kommt aus dem Publikum der Einwand. Das Problem sei bekannt, sagt Schlede. Am runden Tisch werde zu diskutieren sein, ob eine Kette oder ein etablierter Dönerladen da rein kommt.

"Wir haben nicht zu Selbstgesprächen eingeladen"

Jedenfalls wäre nach einer wirtschaftlichen Kostenrechnung der Dönerladen wohl unterlegen, meint Malter. Auf die Frage, wie viel Prozent der Ladenfläche denn nun eigentlich noch frei sei, sagt Malter endlich: So weit bekannt, sei die Ladenfläche komplett vermietet. Geraune im Saal: "Warum wird denn dann noch diskutiert?" "Was mach wir dann hier?" Warum eine Bürgerbeteiligung veranstaltet werde, wenn alles bereits vermietet ist und angeblich nichts bekannt ist. Die brüsk unterbrochene Dame von vorhin versucht nun, sich nochmal zu äußern, doch Schlede schneidet ihr gleich das Wort ab: "Wir haben eingeladen zur Diskussion, nicht zu Selbstgesprächen."

Die Dame verlässt den Saal mit den Worten: „Danke, ich habe heute viel über Politiker gelernt.“ Verhaltener Applaus aus dem Publikum.

Auch ein Herr erhebt sich: “Die Renovierung der Vorhalle hat man schon vor 30 Jahren beschlossen. Die Bürgerbeteiligung ist eine Farce, auf jeden Fall sehr entbehrlich. Meine Herren, viel Spaß noch.“

Die Ladenzeile am Bahnhof Wannsee, hier ein Bild aus Frühlingstagen, wie es sie bald nicht mehr geben wird. Ende Oktober geben die letzten Geschäfte ihre Schlüssel zurück. Nur das Kebab Haus will bleiben, trotz Kündigung
Die Ladenzeile am Bahnhof Wannsee, hier ein Bild aus Frühlingstagen, wie es sie bald nicht mehr geben wird. Ende Oktober geben die letzten Geschäfte ihre Schlüssel zurück. Nur das Kebab Haus will bleiben, trotz Kündigung

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Ein anderer wirft ein, mit moderateren Mietpreisen hätte man den „katastrophalen Leerstand“ am Vorplatz vermeiden können, und verlässt mit den Worten: "Und auch die Sauberkeit ist eine Schweinerei!" ebenfalls den Saal. Eine Dame nimmt ihren Mann am Arm: „Wir gehen auch.“ Von den anfangs etwa 50 Personen sind nun noch etwa 35 übrig. Eine Dame aus dem Publikum sagt: „Wir sind zum Dialog hergekommen, das ist doch was zweiseitiges, und da kann man nicht herkommen nach dem Motto "es ist eh alles entschieden", bleibt aber sitzen.

Dann geht es noch um die Schaffung einer Fernbushaltestelle. Ein Herr wird von Schlede, jetzt ganz ehemaliger Lehrer, mit den Worten „Warum schütteln Sie den Kopf?“ aufgefordert, sich zu äußern. Man könne doch jetzt schon vor Taxis und Bahnreisenden auf der einen Seite und wegen der Wartenden an den Bushaltestellen auf der anderen Seite kaum gehen, wo solle da noch ein Fernbusparkplatz entstehen? fragt der Herr. Man müsse die Gegend nicht noch zusätzlich mit Fernbussen belasten, die Anbindung an den ZOB sei doch wunderbar. Patrick Malter saugt hörbar die Luft ein und sagt: Fernbusbahnhöfe gibt es in Berlin nur in Gesundbrunnen, in Südkreuz und am Ostbahnhof. Alles was die Frequenz an einen Bahnhof erhöht, sei positiv . 

Frank Mückisch meldet sich nun auch zu Wort: „Wenn wir von einem Bahnhof reden, an dem der Verkehr gebündelt wird, ist es nicht verkehrt, wenn andere Verkehrsgruppen, also Busse und Taxen, da auch hin wollen.“ Aber angesichts der Taxen werde es von der Räumlichkeit her schwierig für Busse.

Dann wünscht sich Patrick Malter noch kreative Lösungen für die achteckige Bahnhofsvorhalle, die zwar in gutem Zustand sei, aber ohne Leben: Die Front könne man gegebenenfalls mit einem Glaserker öffnen und ein anderes Beleuchtungskonzept müsse her. Und es sei ein bisschen böse, sagt Malter, aber er sage es trotzdem, da ja hier heute Abend alles zu spät sei: Sie von der Bahn wünschen sich einen Fahrstuhl, um Leben in die Halle zu bringen und den Komfort zu erhöhen. "Aber da fehlt noch ein Aufzug an der Dreilindenstraße", sagt ein älterer Herr mit Gehstock, man komme durch einen neuen Fahrstuhl in der Vorhalle nur in den Bahnhof, aber auf der anderen Seite nicht mehr hinaus, das sei idiotisch. "Helfen Sie mir", bittet Malter seinen Nebenmann Schlede. "Da gibt’s nichts zu helfen", so der ältere Herr im Publikum.

Wannsee ist "werthaltig"

Der Bahnhof Wannsee sei auf jeden Fall „werthaltig“: Wenn man hier was investiere, gäbe es wenig Vandalismus, freut sich Patrick Malter an dieser Stelle. „Da sind wir doch auch mal dankbar gegenüber der Wannseer Bevölkerung“, witzelt Schlede.

Abschließend äußert sich Frank Mückisch noch einmal: Er freue sich, wenn er die Pläne bekomme, wenn er sich als Stadtplanung "noch viel intensiver" mit den Plänen beschäftigen könne. Stefan Schlede bedankt sich für „die überaus lebhafte, mit Abgängen versehene Diskussion“, und bittet um Entschuldigung: "Es sollten eben möglichst alle zu Wort kommen."

Er habe noch eine Frage zum runden Tisch, wo ja nun anscheinend alles Weitere entschieden werden solle, meldet sich der Seniorenvertreter. Wie der organisiert sei, und sei der öffentlich?

Auch eine Wannseer Institution ist von den Kündigungen betroffen: Faustmanns kleines Café gibt es hier seit 65 Jahren. Ende Oktober wird das Eiscafé für immer dicht gemacht
Auch eine Wannseer Institution ist von den Kündigungen betroffen: Faustmanns kleines Café gibt es hier seit 65 Jahren. Ende Oktober wird das Eiscafé für immer dicht gemacht

© Raack

Mückisch mauert: Die Idee - wie er finde, eine schöne Idee - komme von der Deutschen Bahn, aber sie müssten noch sehen, wie das Ganze aufgesetzt werde. Schlede weiß mehr: Wie eingangs erwähnt werde der Ortsverband Wannsee einen Vertreter schicken, ebenso der Denkmalschutz; und von der Bahn wäre wohl Herr Malter dabei. Und der Herr, hier meint er den Seniorenvertreter, da er ja so detaillierte Ortskenntnisse habe, könne auch gerne mit dazu kommen. Zufrieden schließt Schlede: „Wir haben hier nun einen kleinen Beitrag geleistet, wie man sich auseinandersetzt mit denen, die hier die Gegend gestalten wollen.“

Dem Tagesspiegel Zehlendorf sagt Schlede nach der Sitzung auf Nachfrage: "Nein, öffentlich ist der runde Tisch nicht."

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter.

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