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Die SPD Zehlendorf möchte die Kirchstraße ganz oder teilweise sperren...

© Anett Kirchner

Ortskern Berlin-Zehlendorf: CDU und Grüne: SPD liefert keine neuen Ideen

Dorfanger, Stadtplatz und Wochenmarkt – das alles könnte laut einem Programm der Zehlendorfer SPD im Ortskern zwischen Rathaus und S-Bahnhof Zehlendorf entstehen. CDU und Grüne sagen: Alles nicht neu, alles schon in Planung. Und vermuten, dass die SPD mit der Vorlegung des Konzepts den Wahlkampf einläuten will.

„Es reicht“, finden die Mitglieder der SPD Zehlendorf. Sie möchten es nicht länger hinnehmen, dass der Ortskern in ihrem Kiez von Jahr zu Jahr unattraktiver wird. Es fehle ein öffentlicher Platz, an dem sich die Menschen begegnen, es fehle ein Wochenmarkt, die Situation am S-Bahnhof sei unattraktiv, es fehle ein Branchenmix des Einzelhandels am Teltower Damm und und und…

„Doch vor allem fehlen im Rathaus die Ideen und der Gestaltungswille für eine konzeptionelle Umgestaltung der Zehlendorfer Mitte“, sagt Andreas Linde, Vorsitzender der SPD Zehlendorf. Die letzten zwei Jahre seien in dieser Hinsicht verloren. Es habe sich nichts bewegt. Damit endlich Schwung in die Sache komme, habe der Ortsverein kürzlich ein Programm mit Ideen zur Gestaltung der Zehlendorfer Mitte vorgelegt.

Nicht alle Ideen sofort umsetzbar

„Wir wollen uns einzelne Aspekte vornehmen und als Anträge über die SPD-Fraktion in die BVV einbringen, damit sich die Volksvertretung mit den Themen befassen muss“, erklärt Linde. Man brauche endlich ein gemeinsames Leitbild für die Entwicklung des Ortskerns. Nicht alle Ideen seien sofort umsetzbar, zeigten aber eine Richtung, wie der Ortskern einmal aussehen könnte. Die Planung soll mit den Bürgern und den Einzelhändlern diskutiert werden.

Dorfteich und neue Wege umsetzbar?

„Wenn sich die Menschen hier im Zentrum sicher und wohl fühlen, dann verweilen sie auch länger und gehen in das eine oder andere Geschäft“, erklärt Norbert Jentzsch,  der stellvertretende SPD-Vorsitzende in Zehlendorf. Im Fachjargon heißt das, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Ein Schritt in diese Richtung wäre beispielsweise eine Belebung des Dorfangers, sagen die Initiatoren. Sie fordern eine Machbarkeitsstudie, ob an der Südseite des Angers der ehemalige Dorfteich wieder hergerichtet werden könnte. Darüber hinaus würden ein neues Wegesystem und zusätzliche Parkbänke die Grünfläche attraktiver gestalten.

Eine weitere Möglichkeit sei, in dem derzeitigen Parkhafen am Teltower Damm vor dem Zehlendorfer Rathaus einen Stadtplatz anzulegen. Die Parkplätze könnten dann an den neuen Straßenrand oder in eine etwas nach Süden verlegte, kleinere Parkbucht, etwa vor der ehemaligen Theaterkasse, versetzt werden. Allerdings müsse für den Stadtplatz die Kirchstraße ganz oder teilweise gesperrt werden. Dort könnte dann auch ein neuer Wochenmarkt entstehen.

Verkehrsgutachten nicht letztes Wort

Zwar habe ein Verkehrsgutachten, erstellt im Auftrag des Bezirksamtes, ergeben, dass eine Sperrung der Kirchstraße nicht zu verantworten sei. „Aber das kann nicht das letzte Wort sein“, sagt Michael Karnetzki, Bezirksstadtrat unter anderem für die Abteilung Verkehr und Mitglied der SPD Zehlendorf. In dem Verkehrsgutachten sei lediglich der Ist-Zustand untersucht worden. Es fehlten Überlegungen, den Verkehrsfluss zu optimieren, etwa die Bushaltestelle am Knotenpunkt Teltower Damm Ecke Potsdamer Straße hinter die Kreuzung zu verlegen.

„Ich empfinde die Herangehensweise des Bezirksamtes als halbherzig“, umschreibt Juliana Kölsch, Bezirksverordnete der SPD-Fraktion. Das Verkehrsgutachten sei zu wenig differenziert, es fehlten alternative Lösungsvorschläge. Deshalb will die SPD das überprüfen lassen und von einem Verkehrsexperten eine weitere Einschätzung einholen.

Drei Ideen für Zehlendorfer Mitte

Dorfanger, Stadtplatz und Kirchstraße – beispielhaft sind das drei Ideen, die in dem neuen Programm zur Gestaltung der Zehlendorfer Mitte stehen. Vor allem sei aber wichtig, betont Andreas Linde, die baulichen Maßnahmen, die für die Neugestaltung notwendig wären, in die Investitionsplanung des Bezirkes aufzunehmen. Für eine komplette Umsetzung der Ideen seien etwa 500.000 Euro erforderlich.

Der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Norbert Schmidt (CDU), zeigt sich indessen verblüfft über diese Diskussion. „Das Thema ist ein Thema, keine Frage, aber wir kümmern uns schon seit Jahren darum“, erklärt er. Das sei nicht neu. Es gebe eine Arbeitsgemeinschaft (AG) Kirchstraße, zu der auch Michael Karnetzki gehöre, die Vorschläge erarbeite. Derzeit befasse man sich zum Beispiel damit, wie man in Zukunft mit der „wilden Möblierung“ am Teltower Damm umgehe. Die Rede ist von den Werbeschildern auf den Gehwegen. Außerdem werde über Konsequenzen diskutiert, wenn an der Stelle des Parkhafens vor dem Rathaus am Teltower Damm ein öffentlicher Platz eingerichtet werde.

Konkreter Plan für Investitionen fehlt

Ein Ergebnis aus der Arbeit der AG Kirchstraße sei, dass es laut dem Verkehrsgutachten vom vergangenen Jahr nicht verantwortlich wäre, die Kirchstraße voll zu sperren. Denn in den Stoßzeiten könne der Verkehr, aus Süden kommend, nicht allein über den Teltower Damm abfließen. „Das ist zwar keine Lösung, aber eine Erkenntnis, deshalb können wir unter das Thema einen Haken machen“, sagt Schmidt. Und zum Thema Investitionsplanung müsse es erst einmal eine konsensfähige Idee, also einen konkreten Plan, geben. „Wofür soll ich denn Investitionsmittel einplanen“, fragt er.

Der BVV-Fraktionsvorsitzende der Piraten, Eric Lüders findet auch, dass man derzeit noch nicht in der Phase sei, Investitionsmittel einzuplanen. „Es muss zuerst ein Leitbild entwickelt werden, wie das die SPD fordert“, sagt er. Eine Lösung des grundsätzlichen Problems im Zehlendorfer Ortskern sehen die Piraten jedoch in den Vorschlägen der SPD nicht. Denn das Hauptproblem sei der zu geringe Platz für das hohe Verkehrsaufkommen am Teltower Damm. „Die S-Bahnunterführung ist zum Beispiel ein Nadelöhr, das nicht wesentlich zu verbessern ist“, meint Lüders. Dass die Weiterentwicklung des Zehlendorfer Ortskerns im Rathaus keine sehr hohe Priorität habe, sehe er ähnlich wie die SPD. Deshalb begrüße er den Vorschlag, externen Fachverstand zum Beispiel von einer Hochschule hinzu zu ziehen.

"Programm soll Wahlkampfphase einläuten"

Christa Markl-Vieto, die grüne Umwelt-Bezirksstadträtin, sagt, dass die vorgelegten Ideen weder allein von der SPD, noch neu und zum Teil auch bereits geprüft seien. „Ich empfinde das Programm als Aktionismus, der offensichtlich die Wahlkampfphase einläuten soll“, schildert sie. Im Grunde seien sich doch alle einig, dass eine Umgestaltung der Zehlendorfer Mitte wichtig und notwendig wäre. „Aber zu sagen, wir hätten nichts gemacht, ist nicht in Ordnung“, ärgert sie sich und verweist auf die AG Kirchstraße. Dem vorgelegten Programm der SPD könne sie in fast allen Punkten zustimmen, nur einen Teich auf dem Dorfanger fände sie problematisch. „Weil dort viele kleine Kinder sind, müsste man einen Zaun aufstellen“, erklärt Markl-Vieto.

Dass die Politik im Bezirk stark mit sich selbst beschäftigt ist, den Eindruck hat auch Mark Schmitt, Geschäftsführer des Zehlendorfer Familienunternehmens Bettenhaus Schmitt am Teltower Damm. Das Konzept der SPD kenne er, es sei vom Verein Zehlendorf-Mitte-Marketing (ZMM) bereits 2001 vorgestellt worden. „Ich würde mich über eine Veränderung in der Art sehr freuen, weil dann der Ortskern eine Aufwertung erfahren würde“, sagt er und begrüßt, dass die SPD jetzt den Faden aufgenommen habe. „Mal schauen, was davon Chancen auf eine Umsetzung hat.“

Den Flyer zum neuen Programm der SPD kann man sich hier herunterladen.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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