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Seit 1999 produziert die britische Firma Rexam hier Getränkedosen. Ende des Jahres soll das Werk geschlossen werden

© Anett Kirchner

Rexam-Werk in Steglitz-Zehlendorf vor dem Aus: 164 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Seit 1999 stellt die britische Firma Rexam in Lichterfelde Getränkedosen her. Nun soll das Werk bis Ende des Jahres geschlossen werden. Die Entscheidung ist für viele Mitarbeiter ein Rätsel. Sie wehren sich, und auch Bürgermeister Kopp hat sich eingeschaltet.

„Einen Funken Hoffnung gibt es immer“, sagt Detlef Lange, Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Rexam an der Goerzallee in Lichterfelde. Doch sein Blick verrät Zweifel. Er wirkt skeptisch; fast eher hoffungslos. Seinen Kollegen will er jedoch Mut machen, sich einbringen. Deshalb hat er sich vor acht Jahren für den Betriebsrat aufstellen lassen. Doch die Stimmung unter den 164 Mitarbeitern ist momentan angespannt. Den ersten Schock habe man zwar verwunden, trotzdem fühle man sich zuweilen veralbert. „Viele haben Angst vor der Zukunft“, sagt Lange, der seit 20 Jahren bei dem Hersteller für Getränkedosen arbeitet. Die Leitung des Konzerns in London hatte im Februar angekündigt, das Werk an der Goerzallee zum Ende des Jahres zu schließen.

Bislang hält das Unternehmen an dem Vorhaben fest. Für den Wirtschaftsstandort Steglitz-Zehlendorf wäre das ein weiterer herber Verlust, nachdem bereits andere Betriebe wie etwa das Unternehmen Krone am Beeskowdamm abgewandert sind. Das weiß auch der Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU), der sich solidarisch hinter die Rexam-Belegschaft stellt. In einem Brief an die Konzernleitung habe er versucht, noch einmal die Bedeutung des Werkes für den Berliner Südwesten deutlich zu machen. „Bis heute ist keine Rückmeldung gekommen“, sagt Kopp. Ihm sei die Vorgehensweise der Unternehmensführung unverständlich.

Die Belegschaft wehrt sich und nutzt auch die sozialen Netzwerke

Rexam ist ein britischer Hersteller von Getränkedosen mit 55 Produktionsstätten in 23 Ländern und insgesamt etwa 8000 Mitarbeiter weltweit. Drei Werke sind in Deutschland; in Gelsenkirchen, Recklinghausen und Berlin-Lichterfelde. Die 164 Beschäftigten hier, die überwiegend in der Gewerkschaft IG Metall organisiert sind, haben in den letzten Wochen und Monaten mit Protestaktionen um ihre Arbeitsplätze gekämpft. Auf einer eigenen Facebookseite heißt es: „Rexam Berlin - Schließung - wir wehren uns“.

Auch die CDA Steglitz-Zehlendorf (Sozialausschüsse der CDU) solidarisiert sich mit den Beschäftigten. „Weil Rexam einer der bedeutendsten Arbeitgeber für die Region und ein Traditionsstandort ist“, sagt Rainer Kahle, stellvertretender Kreisvorsitzender. Seit 1984 werden hier Getränkedosen hergestellt, seit 1999 von der Firma Rexam.

Er befürchtet, dass durch den Wegzug des Unternehmens eine weitere Industriebrache an der Goerzallee entstehe. Für Kahle sei es nicht nachvollziehbar, dass das Werk uneffizient sein soll. „Hier fahren permanent Lkws hinein und hinaus“, beobachte er, der ganz in der Nähe wohne.

Außerdem müsse man an die Familien der Mitarbeiter, die ihren Arbeitplatz verlieren, denken. „Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht Strukturen“, ergänzt Kahle. Wegen eines neuen Jobs mit Kindern einfach in eine andere Stadt zu ziehen, sei nicht einfach. Damit so viele Menschen wie möglich im Bezirk von der geplanten Werksschließung erfahren, macht die CDA regelmäßig Flugblatt-Aktionen. Das Motto: „Stoppt den Personalkahlschlag bei Rexam!“

Indessen haben Betriebsleitung und Betriebsrat nach intensiven Verhandlungen einen Interessensausgleich und einen Sozialplan abgeschlossen. Damit soll die Belegschaft im Fall der Schließung des Werkes mit Abfindungszahlungen finanziell abgesichert werden, erklärt Detlef Lange. Es sei ein sehr gutes Paket geschnürt worden.

„Das Ergebnis ist auf der Betriebsversammlung, die wir nach der Unterzeichnung durchgeführt haben, auf großen Beifall gestoßen.“ Der 50-Jährige sei zufrieden, sofern man in so einer Situation überhaupt von Zufriedenheit sprechen könne. Denn der Verlust eines Arbeitsplatzes sei auch mit einer Abfindung nicht zu ersetzen.

Die Entscheidung, das Werk schließen zu wollen, ist und bleibt ihm ein Rätsel. Zumal drei Mitarbeiter im letzten Jahr noch eingestellt wurden, wie er sagt: „Und wir machen Gewinne.“ Das Argument der Konzernleitung, dass das Werk zu langsam und uneffizient sei, stimme so nicht.

Frank Bobert, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und seit 25 Jahren bei Rexam in Lichterfelde tätig, sagt dazu: „Wir stellen Spezialdekore in Kleinstmengen her, die andere Werke nicht produzieren.“ Das sei von der Konzernleitung aber so vorgegeben und werde dem Betrieb jetzt zum Verhängnis. Ungerecht, fänden er und seine Kollegen.

Und dramatisch sei die Situation der Beschäftigten vor allem deshalb, weil der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter bei etwa 50 Jahren liege. „Für ältere Menschen wird es schwierig, in dem Bereich wieder einen Job zu finden“, sagt Bobert. Deshalb habe der Betriebsrat auch ein Konzept für ein Auslaufmodell des Werkes entwickelt: „In zehn Jahren hätten wir damit 90 Mitarbeiter in Rente bekommen.“ Die Geschäftsleitung habe sich darauf nicht eingelassen.

Die Konzernspitze aus London bestätigt indes gegenüber dem Tagesspiegel Zehlendorf, dass sie an der geplanten Schließung des Werkes festgehalten werde. Als Begründung heißt es, das Werk könne seine wichtigsten Märkte in Deutschland, den Benelux-Staaten und Polen nicht mehr wettbewerbsfähig bedienen. „Es hat die höchsten Fixkosten im europäischen Produktionsraum“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Es habe einen konstruktiven Dialog mit dem Betriebsrat gegeben. „Und wir sind jetzt zu einer Übereinkunft gekommen“, erklärt sie weiter.

Die Schließung des Werkes soll so sozial verträglich wie möglich erfolgen. Sie sei unabhängig von dem Ausgang des Übernahmeangebotes des US-Dosenherstellers Ball. Denn der amerikanische Konzern will Rexam kaufen. „Das ist unglaubwürdig“, finden Detlef Lange und Frank Bobert. Einerseits, weil das Argument ständig wiederholt werde und andererseits, weil sowohl die geplante Schließung des Werkes als auch das Übernahmeangebot des Konzerns Ball zufällig am selben Tag im Februar verkündet worden seien.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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