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Nicht jeder spricht sich so offensichtlich gegen die NPD und Nazis aus wie dieser junge Mann, der im April gegen einen Demonstrationszug der NPD durch Kreuzberg protestierte.

© dpa

NPD-Wahlplakat in Zehlendorf schürt Konflikte: NPD, mach den Abflug!

Zwei grimmig drein blickende Männer und eine Frau mit Kopftuch sitzen auf einem fliegenden Teppich. Zwei Wörter stehen darüber: "Guten Heimflug". Das Bild ist ein Wahlplakat der rechtsextremen NPD, das unsere Autorin so wütend gemacht hat, dass sie es kurzerhand selbst abnehmen wollte - ohne Erfolg.

Sonntägliche Kaffee- und Kuchen-Besuche bei meiner Oma sind oft eine Gelegenheit, sie über ihre Kindheit in Berlin auszufragen. Neulich stellte ich ihr die Frage, die sich so viele stellen, wenn es um die unglaublichen Nazi-Verbrechen und Massendeportationen von damals geht: Wieso habt ihr nichts gesehen? Wie kommt es, dass so viele zugeschaut und nichts getan haben? Warum hast du, Oma, dich nicht gewundert, als die jüdischen Mitschülerinnen plötzlich nicht mehr auftauchten? Wieso hat deine Mutter nicht nachgeforscht, was mit Fräulein Lewin passiert ist, die ihr immer die Haare gemacht hat und irgendwann nicht mehr kam?

Oma hatte Angst vor Juden, die blonde Mädchen misshandeln

Eine Situation, die meine Oma mir beschrieb, hat sich besonders eingeprägt: Sie als kleines Mädchen, das abends nicht alleine ins Bett gehen mag, das sagt: „Mama, ich hab’ so eine Angst vor den Juden und den Kommunisten.“

Sie erzählt von einem Aushang des Nazi-Hetzblatts „Der Stürmer“ in der Vitrine am Rathaus Friedenau, vor der sie lange stand: eine schreckliche Zeichnung eines Juden mit hässlicher Hakennase, der ein blondes Mädchen an den Füßen hält, ihr ein Messer an den Hals setzt und sie ausbluten lässt. Dieses Bild war so einprägsam, dass es bei ihr Albträume verursachte.

Mit solchen Gedanken im Kopf also machte ich mich auf den Heimweg, zunächst zur Bushaltestelle Sachtlebenstraße. Dort sah ich an der Laterne ein NPD-Plakat - zwar relativ weit oben und schwer zu erreichen - aber wie konnte es sein, dass das immer noch da hing? Warum hatte es keiner abgenommen? Auf dem Plakat waren zwei böse aussehende Männer und eine Frau mit Kopftuch auf einem fliegenden Teppich zu sehen; die Bildunterschrift lautete „Guten Heimflug“. In diesem Moment baute sich eine Wut in mir auf, wie ich sie selten gespürt habe - verursacht durch das offene Schüren von Angst, von Hass und rassistischen Vorurteilen.

Wähler haben Angst vor Flüchtlingen, die deutsches Sozialsystem ausnutzen

Wie kann es sein, dass ein Plakat mit einem solchen Inhalt heute, in der Mitte der Gesellschaft, noch zugelassen wird?

Ich wollte es herunterreißen, darauf herumtrampeln. Nach dem Gespräch mit meiner Oma war es mir unerträglich, es einfach hängenzulassen. Als ich sah, dass in den Kiosk neben der Haltestelle ein Mann ging, folgte ich ihm und fragte, ob er vielleicht eine Leiter habe, mit der ich das furchtbare Plakat herunterholen könne. „Habe ich nicht, nein", sagt er und dann: „Stört doch auch keinen.“ „Wie bitte?“, erwiderte ich entgeistert. „Na, irgendwie stimmt es doch, was drauf steht. Wir können schließlich  nicht jeden bei uns aufnehmen. Haben Sie nicht die Bilder von den Flüchtlingen gesehen, die mit den Booten ankommen? Alles junge, kräftige Männer - alles Kriminelle, die von unseren Rentenkassen profitieren.“ Ich versuchte noch kurz, zu argumentieren, machte aber nach seinem nächsten Satz auf dem Absatz kehrt und ging.

Als ich an der Bushaltestelle stand, kamen mir vor Wut die Tränen. Der Busfahrer guckte mich beim Einsteigen komisch an. Und das NPD-Plakat – das hängt wahrscheinlich immer noch da.

Die Autorin ist 19 Jahre alt und in Potsdam aufgewachsen, aber oft zu Besuch bei ihren Großeltern in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

Ida Richter

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