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Kampagne für Hillary Clinton.

© dpa

US-Präsidentschaftswahl: Zehlendorfer Studentin kämpft für Hillary Clinton

Sie ist 23 Jahre und studiert Politik, sie sagt: Hillary Clinton ist ein Vorbild für junge Frauen. Auch deshalb geht Maritza Kompatzki nun in die USA, um die Demokratin beim Kampf um das Präsidentschaftsamt zu unterstützen.

Wie wird man als junge deutsche Studentin aus Berlin-Zehlendorf Wahlkampfhelferin für Hillary Clinton?

Die einfachste Antwort lautet: bewerben. In Wahrheit war es etwas komplizierter...

Erzähl mal...

Ich saß im Urlaub mit meiner Mutter in Schottland und dachte, was für ein schönes Land, hier will ich ein Auslandspraktikum machen. Meine Mutter sagte nur einen Satz: "Ich dachte, dein Traum ist Amerika!" Dann dachte ich: Das schon, aber wie komme ich da hin. Es war so ein großer Traum, dass ich zu diesem Zeitpunkt nie geglaubt hätte, ich könnte ihn verwirklichen. Aber der Satz hat mich nicht losgelassen, hat mich irgendwie angefixt, und dann habe ich mich erinnert, wie ich als Schülerin Obama im Sommer 2008 in Berlin gehört habe...

Du warst bei der Obama-Rede an der Siegessäule?

Ja, und ich fand die Rede toll. Sie hat mich politisiert. Später in der 11. Klasse haben wir amerikanische Politik durchgenommen, sie hat mich fasziniert, heute würde ich sagen: Sie ist meine Leidenschaft. Deshalb habe ich auch angefangen Politik an der Freien Universität in Dahlem zu studieren. Ich lese alles, was ich kriegen kann. Und ich schaue auch gerne amerikanische Serien wie "The West Wing", da geht's auch um einen amerikanischen Präsidenten.

Was fasziniert Dich in der Realität am amerikanischen Wahlkampf?

Generell ist Wahlkampf natürlich immer spannend. Wahlkampf ist Krisenmanagement, man muss reagieren, planen, umwerfen, neu entwickeln. Außerdem geht es um Botschaften und die Frage, wie bringe ich die glaubhaft an die Bürger.

Ist ja auch in Deutschland nicht anders...

Doch. In den USA geht's irgendwie immer ums Große und Ganze, um die Zukunft, um die besten Ideen, dagegen habe ich das Gefühl, dass Wahlkampf in Deutschland eher technisch, bürokratisch ist. Es geht um Details und möglichst viele Fakten. Dahinter weiß oft niemand, wie denn die Botschaft nun lautet. Ist eben auch eine Kunst, Details und Fakten in politische Botschaften zu übersetzen, die man versteht. Das können die Amerikaner einfach gut. Natürlich ist es in den USA immer ein bisschen dramatischer und theatralischer, aber das ist ja das Faszinierende: Es reißt einen mit.

Die Leidenschaft für amerikanische Politik hat Maritza Kompatzki zur Wahlkampfhelferin in den USA gemacht. In ein paar Tagen fliegt die Zehlendorferin für sechs Monate nach Vermont.
Die Leidenschaft für amerikanische Politik hat Maritza Kompatzki zur Wahlkampfhelferin in den USA gemacht. In ein paar Tagen fliegt die Zehlendorferin für sechs Monate nach Vermont.

© privat

Sind wir Deutschen weniger politisch oder mögen wir nur die Show nicht?

Schwer zu sagen. Ich denke, wenn es darauf ankommt, wie bei einem Wahlkampf, involvieren sich in Deutschland im Vergleich weniger Menschen mit Politik. Die meisten meckern lieber. Allerdings hat sich das jetzt durch die Flüchtlingskrise ganz bestimmt auch verändert.

Wie ist es an der Uni, an Deinem Otto-Suhr-Institut (OSI)?

Da sind sowieso alle sehr politisch. Wir haben ständig Demos, Vorlesungen werden unterbrochen, Plakate geklebt. Das hat ja auch Tradition am OSI. Vielleicht bekommt man das von außen nicht so mit, aber ich kann definitiv sagen, wir am OSI sind sehr politisch. Wenn in Berlin "Bergida" demonstriert und auf einen Protestler mindestens zehn Gegendemonstranten kommen, sind das auch viele vom OSI. Das nimmt dann nur kaum jemand wahr.

Aber wie funktioniert denn nun das Bewerben für die USA?

Ich habe viel gelesen, mich informiert. Dann bin ich auf die Parteizentralen der Demokraten in den einzelnen Bundesstaaten gestoßen. Die haben auf ihren Webseiten auch Angaben zu offenen Stellen oder Praktikumsstellen. Dorthin habe ich dann jeweils mit neuem Briefkopf mein Motivationsschreiben mit den anderen Unterlagen geschickt.

Was stand im Anschreiben?

Vor allem habe ich von meiner Leidenschaft für amerikanische Politik erzählt, und dann natürlich, dass ich als Ausländerin mit einem viel besseren Blick auf die Dinge schauen könnte und dadurch sehr nützlich sei.

Und wie waren die Reaktionen?

Ich habe nicht von allen Antworten erhalten, aber doch von vielen. Mindestens habe ich eine E-Mail bekommen mit einer Absage oder Interessensbekundung.

Was heißt das konkret?

Die Interessierten wollten mich interviewen, das haben wir dann über Skype gemacht. Vorher wird Tag und Zeitpunkt per Mail mitgeteilt.

Bernie Sanders gewinnt in den Vorwahlen vor allem die Stimmen der Studenten und vieler junger Frauen.
Bernie Sanders gewinnt in den Vorwahlen vor allem die Stimmen der Studenten und vieler junger Frauen.

© AFP

Wer sitzt Dir da gegenüber?

Meistens die Leute, die für die Kampagne, die interne Kommunikation oder die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind. Vor allem diejenigen, die die Basisarbeit vor Ort organisieren und die ganzen Freiwilligen einteilen und einsetzen müssen.

Und was wird dann gefragt?

Ist ein bisschen wir ein Vorstellungsgespräch: Wieso interessierst du dich für unsere Partei, wieso dieser und kein anderer Bundesstaat, was sind deine Schwächen?

Schwächen?

Oh ja, eine typische Frage, mit der ich vorher leider auch nicht gerechnet habe. Die Leute aus Michigan stellten sie mir zuerst, ich hatte mich nur auf meine 'Vorzüge' vorbereitet. Danach ist mir das nicht wieder passiert.

Und, was ist die Schwäche?

Na ja, ich denke, eine humorvolle Antwort ist auch eine Antwort, zum Beispiel: Ich liebe Politik zu sehr!

Jetzt bist Du in Vermont gelandet. Ausgerechnet der Bundesstaat, in dem Bernie Sanders, Hillary Clintons innerparteilicher Widersacher, Senator ist.

Ich hatte mehrere Möglichkeiten. Ich wäre zum Beispiel gern nach Virginia gegangen, weil es direkt neben Washington DC liegt, oder nach Ohio, weil das einer der wichtigen Swing-States ist. Aber die haben nicht geantwortet, South-Carolina wiederum wollte mich, aber die wollten erst im Januar entscheiden, das wäre dann zu spät gewesen, wegen des ganzen Papierkrams und des Visums. Ohio hat sich dann doch gemeldet, war auch zu spät. Die müssen ja viel unterzeichnen und bestätigen, ist alles nicht so leicht. Auch die deutsch-amerikanische Handelskammer muss für einen bürgen. Insofern ist es wichtig, zeitlich alles hinzubekommen. Ich bin so froh, dass ich damit durch bin.

Und Vermont...

...hat dann am besten gepasst. Ich habe dort ein gutes Gefühl, ich kann auch sehr verantwortlich arbeiten. Das ist wie ein Job-Angebot. Ich werde sehr viel Erfahrung sammeln, es ist ein kleinerer Staat, der besser zu überblicken ist.

Was sind Deine Aufgaben?

Vor allem Gegneraufklärung! Das heißt schauen, wo machen die Republikaner Fehler, was machen die überhaupt, wo könnte man einhaken. Dann Material sammeln, recherchieren, auswerten. Es geht auch nicht nur um die Präsidentschaftskandidatur, wir haben dort auch Gouverneurs- und Senatorenwahlen. Drei Wahlkämpfe in einem Praktikum sozusagen. Außerdem muss ich den Grassroots-Wahlkampf unterstützen, also die lokale Kampagne, und habe auch ein bisschen die Aufgaben, andere zu delegieren.

Was passiert denn, wenn Sanders noch gewinnt?

(Lacht) Das wird nicht passieren. Persönlich kann ich sagen, dass ich Sanders gut finde, dass ich aber ein großer Hillary-Fan bin. Gerade wenn Hillary Clinton die Demokraten-Vorwahl gewinnt, ist Vermont sehr spannend, um die Sanders-Anhänger von Clinton zu überzeugen. Denn dann geht es ja vermutlich gegen Trump. Und ich kann allen sagen, warum ich denke, dass Hillary Clinton die Richtige ist.

Auch ohne Wahlkampf ist Vermont ziemlich spannend - auf jeden Fall die Natur. Und gerade im Indian Summer.
Auch ohne Wahlkampf ist Vermont ziemlich spannend - auf jeden Fall die Natur. Und gerade im Indian Summer.

© dpa

Warum findet eine junge Frau Hillary Clinton gut?

Ich finde, sie hat in ihrem Leben sehr viel erreicht, obwohl sie sich anfangs zurückgenommen hat. Sie war die beste Studentin, sie ist sehr intelligent, sie hatte politische Ideale. Und dann hat sie trotzdem geheiratet, hat Bill Clinton unterstützt. Nur sie wird wissen, warum sie das getan hat. Sie selbst hat es mit Liebe erklärt. Im Laufe der Jahre ist vielleicht auch politisches Kalkül hinzugekommen, vielleicht dachte sie, dass er mehr Chancen habe. Aber sie selbst hat auch ganz viel erreicht, das vergessen viele. Sie war Senatorin, sie war die Super-Außenministerin, sie war in den 90ern eine wichtige Figur im Kampf um die Frauenrechte, zum Beispiel ist sie nach Peking gegangen und hat eine Rede gehalten: "Women Rights are Human Rights". Damit hat sie auch die Politik ihres Mannes konterkariert. Das war mutig. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen, das kann man wohl sagen. Und das ist doch bewundernswert.

Ist sie authentisch?

Das ist ein Problem. Sie ist immer sehr gut vorbereitet. Man merkt ihr an, dass sie unbedingt will. Vielleicht merkt man es zu deutlich. Das ist auch ein Problem für die jungen Frauen, für meine Millenniumsgeneration. Die meisten kennen nur die schlechten Geschichten: Die Affäre von Bill, den E-Mail-Skandal, den Bengasi-Anschlag als sie Außenministerin war. Und dann natürlich das E-Wort: Establishment! Sie ist das personifizierte Establishment für viele junge Amerikaner. Deshalb hat Bernie Sanders bei den Studenten auch so hohe Zustimmungsraten. Ist leichter, sich für ihn zu begeistern, den süßen, alten Onkel aus Vermont.

Es unterstützen ihn auch viele junge Frauen.

Das stimmt. Die Frauenbewegung spaltet das. Das liegt auch daran, dass die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright gesagt hat: 'In der Hölle ist ein besonderer Platz reserviert für Frauen, die einander nicht helfen.' Damit hat sie alle Frauen angegriffen, vor allem die jüngeren, die für Bernie Sanders sind. Ich fand das falsch!

Du würdest aber sagen, Hillary Clinton kann Vorbild für junge Frauen sein?

Ja.

Und Angela Merkel?

Für mich ist sie das. Vor allem aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik. Aber auch, weil sie ähnlich wie Hillary Clinton ihren ganz eigenen Weg geht. Merkel ist unaufgeregt, mit sich im Reinen und doch mit hoher Verantwortung und ohne jede Eitelkeit. Sie hat eine sehr spezielle Art, sich einfach nicht stören zu lassen, nicht von ihrer Partei, nicht von anderen in der Welt, die mit ihr nicht einverstanden sind. Das sehen übrigens viele in meiner Altersklasse so, auch wenn sie keine CDU-Anhänger sind.

Maritza Kompatzki ist 23 Jahre alt und wohnt in Steglitz-Zehlendorf. Sie ist auf das Fichtenberg Gymnasium in Steglitz gegangen und studiert jetzt im fünften Semester Politik an der FU-Berlin. In ein paar Tagen wird sie für sechs Monate nach Vermont/USA gehen, um den Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten zu unterstützen. Von dort wird sie regelmäßig für den Tagesspiegel berichten.

Das Interview führte Armin Lehmann, Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel. Folgen Sie dem Autor gern auf Twitter, dort finden Sie auch die Redaktion Zehlendorf, das digitale Stadtteilportal des Tagesspiegels aus dem Südwesten.

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