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Blind durch die Stadt. Im letzten Jahr lud der Tagesspiegel Leser dazu ein, auszuprobieren, wie es sich für Menschen mit Behinderung anfühlt, sich durch die Stadt zu bewegen.

© Thilo Rückeis

Vom Alltag einer Sehbehinderten in Zehlendorf: "Ich bedanke mich bei den Menschen!"

Gerade haben wir darüber berichtet, wie unsicher man oft im Umgang mit Behinderten ist. Unsere sehbehinderte Autorin hat oft keine guten Erfahrungen mit ihren Mitmenschen gemacht - doch seitdem sie über ihren Alltag auf Tagesspiegel-Zehlendorf schreibt, hat sich das geändert.

Es ist gewiss unendliche Jahre her, als ich in unseren Stammkneipen von dem Servicepersonal, das nicht aus Lichterfelde kam, hörte, dass die Lichterfelder und gerade die, die am und in der Nähe des Hindenburgdamms wohnen, ein ganz besonderes Völkchen sein sollen. Sie seien zickig, schwermütig, egoistisch, denken nur bis zu ihrem schönen Gartenzaun, seien launisch, anstrengend und nicht hilfsbereit. Puh, das war nun wirklich nicht sehr nett!

Ich konnte es auch nie so nachvollziehen. Erst als ich hierher an den Hindenburgdamm zog, dachte ich wieder öfter daran und hörte diese Sätze immer wieder. Das war in den Jahren 2005 und 2006. Heute wiederum muss ich darüber lächeln.

Vielleicht mag es diese Menschen geben hier am und um den Hindenburgdamm herum. Wie vermutlich auch an vielen anderen Orten in dieser Stadt. Vielleicht denken sie wirklich nur bis zu ihrem Gartenzaun, aber anscheinend sind diese Menschen auch im Internet unterwegs und in Zeitungen vertieft; von ihrem gemütlichen Wohnzimmer aus. Denn seitdem meine Artikel im Tagesspiegel-Zehlendorf und in anderen Medien veröffentlicht wurden, werde ich ganz anders wahrgenommen.

Von allen Seiten und mindestens vier Mal am Tage erhalte ich Hilfe. Und zwar so, wie ich es mir wünsche: ein Zuruf, ein normales Umgehen, ein "es ist grün". Nebenbei und bei jeden Einkauf im Supermarkt sprechen mich Menschen an. Seien es Ältere, seien es Handwerker, seien es Geschäftsleute oder wie kürzlich sogar eine Arzt-Ehefrau, die mir noch gute Tipps nebenbei gab und mir erzählte, was oder welchen Joghurt sie lieber mag.

Kathrin Backhaus lebt seit Jahren mit ihrer Sehbehinderung und war immer wieder enttäuscht über die Reaktionen von einigen Mitmenschen. Jetzt ist es anders.
Kathrin Backhaus lebt seit Jahren mit ihrer Sehbehinderung und war immer wieder enttäuscht über die Reaktionen von einigen Mitmenschen. Jetzt ist es anders.

© Anett Kirchner

Es ist ein gutes, schönes Gefühl, und mir ist wichtig, dass Sie alle wissen, dass ich es mitbekomme und dankbar bin!

Ich bedanke mich bei den Menschen, die mir helfen, mich wahrnehmen und mich nicht bevormunden. Herzlichen Dank: Ich und mein Blindenführhund, wir fühlen uns wohl hier in Lichterfelde-West, genau an diesem Hindenburgdamm!

Die Autorin ist sehbehindert, lebt in Lichterfelde und engagiert sich unter anderem im Beirat für Menschen mit Behinderung. Der Text erscheint auf dem Tagesspiegel-Zehlendorf, dem lokalen Debattenportal aus dem Berliner Südwesten.

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