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Wo bis vor wenigen Tagen noch grüne Wipfel wogten, stakt nun kahles Geäst in den grauen Winterhimmel - dabei handelt es sich um so genannte Hochstubben, das heißt: der Stumpf eines toten Baumes bleibt stehen als Nist- und Brutplatz für Vögel und als Lebensraum für Mirkoorganismen. Ohne, dass in einem Sturm herabfallende Äste Schaden anrichten können

© Martin Fock

Zehlendorf: Streit um Fällungen im Oskar-Helene-Park: Und die Bäume fallen doch...

Was passiert da, fragen sich inzwischen viele: Das Landschaftsschutzgebiet auf dem Gelände des ehemaligen Oskar-Helene-Heims soll laut dem Investor Wohnkompanie erhalten bleiben, wie es ist. Anwohner berichten aber von Baumfällungen im Schutzgebiet. Der Zehlendorf Blog hat nachgefragt.

Seit einer Woche stehen die Motorsägen anscheinend nicht mehr still. „Derzeit wird mit großem Gerät (LKW mit Hebebühne und Teleskopkorb) im Wald des Naturschutzgebietes bewegt. Gekennzeichnete wie nicht gekennzeichnete Bäume fallen einem Motorsägen-Harakiri von Hilfsarbeitern zum Opfer“, schreibt Martin Fock, ein Anwohner der angrenzenden Waltraudstraße, in einem Brief an den Zehlendorf Blog. Fock wuchs schon in der Waltraudstraße auf, mit Blick auf die Bäume des Landschaftsschutzgebiets. „Seit dem Verkauf des Geländes an die Wohnkompanie wurde dort ja schon einiges gefällt, und wir mussten hilflos zusehen. Aber am Freitag (23. Januar, Anmerkung der Red.) dachte ich, das kann doch nicht wahr sein“, sagt er am Telefon, „und ausgerechnet die Brandenburger Kiefer, die steht doch unter Naturschutz! Das ist ein Naturdenkmal.“

Weder würden sich die Landschaftsschutzbehörden des Bezirksamts auf seine Anrufe und Schreiben hin zuständig fühlen, noch würde der Investor mit den Anwohnern reden.

Investor und BUND haben die Maßnahmen gemeinsam entschieden

Ein Anruf bei Andreas Gutschalk vom Grünflächenamt des Bezirksamtes Zehlendorf. Gutschalk möchte gegenüber dem Zehlendorf Blog zunächst eines klarstellen: „Man muss unterscheiden zwischen dem Teil des Geländes des ehemaligen Oskar-Helene-Heims in Richtung Clayallee, das kein Schutzgebiet ist. Dort wurde einiges gefällt, um Bauflächen zu schaffen. Das war aber alles genehmigt.“ Das Waldgebiet in Angrenzung an die Waltraudstraße sei allerdings tatsächlich Schutzgebiet. „Aber auch da musste viel gemacht werden, denn viele Jahre ist da nichts passiert. Zum Teil war der Zustand der Bäume desolat. Die stellten eine große Verkehrsgefährdung für die angrenzende Trasse der BVG dar.“

Zunächst habe dort eine Begehung von Vertretern der Berliner Forste und vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stattgefunden und die hätten die Bäume je nach Zustand gekennzeichnet. Gutschalk habe sich persönlich vor Ort umgesehen, nachdem er Focks Anruf bekommen hatte. Da sei viel gefällt oder auch beschnitten worden, so dass zum Teil nur noch ein Stumpf übrig geblieben sei, so genannte Hochstubben. „Die gestutzten Bäume sehen schon wüst aus“, gibt er zu, „aber ich war natürlich nicht sehr überrascht, weil ich die Hintergründe kannte. Das hatten der Investor und der BUND gemeinsam entschieden.“

Es soll verhindert werden, dass Äste auf die BVG-Trasse fallen 

Nachgefragt beim ausführenden Bauunternehmen Zechbau, die im Auftrag der Wohnkompanie auf dem Gelände Wohnhäuser, Arztpraxen, eine Kita und eine Seniorenresidenz errichten (der Tagesspiegel berichtete). Jeder kann auf der Website der Wohnkompanie nachlesen, dass der alte Baumbestand erhalten werden soll. Das ist unser erklärtes Ziel“, so Holger Römer, Sprecher bei Zechbau, gegenüber dem Zehlendorf Blog.

Und tatsächlich: Bei immobilienscout24.de beginnt ein animiertes Werbevideo der Wohnkompanie mit einer Kamerafahrt aus üppig grünen Baumwipfeln hinunter auf einen idyllischen Pfad, der sich durch alte Bäume schlängelt. Die Bäume im Video, untermalt von gut gelaunten Klavierklängen, sind hier eindeutig Teil der Werbebotschaft: Wer hier lebt, lebt im Grünen, in einer friedlichen, lebensfreundlichen Umgebung gerade auch für Familien mit kleinen Kindern.

Einen Tag nach dem Telefonat mit Zechbau bekommt der Zehlendorf Blog einen Anruf von Stephan Allner, Geschäftsführer der Wohnkompanie Berlin. Allner weist auf die Gefahren hin, die von alten, hohlen Bäumen ausgehen könne: „Äste brechen ohne Vorwarnung ab, gerade bei bestimmten Nadelbäumen ist das so. Wir sind gegenüber der BVG verpflichtet, dafür zu sorgen, dass keine Äste bei großer Schneelast auf die Trasse fallen (Anmerkung der Redaktion: Durch das Gelände führt die U-Bahnlinie 3 zwischen den Bahnhöfen Oskar-Helene-Heim und Onkel-Toms-Hütte).“ Außerdem sei so genanntes Totholz bei einem Sturm gefährlich und müsse nicht zuletzt wegen der angrenzenden Kita Kiddies International beseitigt werden. „Was glauben Sie, was passiert, wenn einem Diplomatenkind ein Ast auf den Kopf fällt!“

Zum großen Teil Baumleichen

Bei den Beschneidungen und Fällungen haben sie sich jedenfalls immer an die Auflagen für Landschaftsschutzgebiete gehalten, so Allner. „Bei der Begehung waren Baumgutachter und Ornithologen dabei gewesen und unser Antrag auf Durchforstung ist vom Grünflächenamt abgesegnet worden.“ Die Förster vom Grunewald würden sogar noch radikaler durchforsten.

Und tatsächlich, Förster Andreas Constien vom Forstamt Grunewald sagt: "Im Schutzgebiet des Oskar-Helene-Parks stehen vor allem etwa 200 Jahre alte Kiefern, und die sind zum großen Teil nur noch Baumleichen. Unser Ziel ist es, den Wald weiter zu entwickeln, das ist unser gesetzlicher Auftrag. Und so müssen wir Platz schaffen, also die toten Bäume fällen, um einen artenreichen Mischwald zu schaffen.“ Aber natürlich fehle etwas, wenn ein alter Baum gefällt wird; das hinterlasse in der Natur Spuren, aber auch bei den Menschen. Es käme schon vor, dass Menschen in Tränen ausbrechen, wenn alte Bäume fallen und dass er dann trösten muss.

Sogar im Grünflächenamt könne man sich in die Anwohner hineinversetzen: „Die fühlen sich natürlich gestört. Lange haben sie im Idyll gewohnt und jetzt ist in der Nachbarschaft nichts wie vorher.“ Die Kommunikation zwischen Anwohner und den Investoren hätte von Anfang an besser sein müssen. „Da hätte vom Geschäftsführer aus im Vorfeld informiert werden müssen. Die haben bisher kommunikativ nicht zueinander gefunden.“  

Und so kochen die Gemüter weiter hoch. Anwohner Fock fordert in seinem Brief an den Tagesspiegel: „Es muss Schluss sein mit den Wildwestmethoden des Investors!“ Er hat nun das Ordnungsamt eingeschaltet. Und auch der BUND wird prüfen, ob die Fällungen in dem Ausmaß nötig waren.

Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

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