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Berlin: Bezirksreform: Pankow schluckt Prenzlauer Berg

"Was denn, aus Pankow bin ich doch extra nach Prenzlauer Berg gezogen - und jetzt holt mich das wieder ein?" Die 20-jährige Schauspielschülerin und freischaffende Künstlerin Anke ist erst vor drei Jahren vom grünen Bezirk im Norden ins quirlige Szenequartier um den Kollwitzplatz gezogen.

"Was denn, aus Pankow bin ich doch extra nach Prenzlauer Berg gezogen - und jetzt holt mich das wieder ein?" Die 20-jährige Schauspielschülerin und freischaffende Künstlerin Anke ist erst vor drei Jahren vom grünen Bezirk im Norden ins quirlige Szenequartier um den Kollwitzplatz gezogen. Jetzt will sie nicht glauben, was die Bezirksverordneten von Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee am Mittwochabend nach einer hitzigen Debatte beschlossen haben: Das heutige Prenzlauer Berg soll mit der Bezirksfusion zum Jahreswechsel ebenso wie Weißensee künftig Pankow heißen.

Und so wie sie sehen es viele der zufällig Befragten an diesem Morgen rund um den Kollwitzplatz. Marktmeisterin Elisabeth Westphal, im Kiez seit 1988, findet als Naturliebhaberin zwar das ruhige Pankow ganz schön. Doch diese besondere Mischung der Bewohner vom Prenzlauer Berg, das kann der neue Name für die Mittvierzigerin "ganz und gar nicht wiedergeben".

"Wer kennt außerhalb Berlins schon Prenzlauer Berg? Und wer erst Weißensee? Aber jeder kennt doch den Sonderzug nach Pankow!" So hatte ein Verordneter für die Befürworter des heimatlichen Bezirksnamens in die gemeinsame Bezirksverordnetenversammlung am Abend zuvor gerufen. "Lasst uns das Ganze einfach den Dritten Bezirk nennen, dann hat die gemeinsame Verwaltungseinheit einen angemessenen Namen und die Leute können sich weiter als Prenzelberger oder Pankower bezeichnen", so argumentierten die anderen. Auch Namen wie "Kollwitzbezirk" oder "Schönhausen" - nach dem gleichnamigen Schloss in Pankow - standen anfänglich noch zur Debatte. Doch als beim letzten Wahlgang schließlich nur noch Pankow gegen Dritter Bezirk stand, gewann der historische Name gegen das spröde Verwaltungsdeutsch.

"Das trifft mich mehr als meine Abwahl als Bürgermeister", kommentiert am nächsten Morgen Reinhard Kraetzer, der fünf Jahre für die SPD dem Bezirksamt Prenzlauer Berg vorstand. "Wir hätten es doch genauso machen können wie die Pankower und nur für unseren Namen votieren können, statt den Kompromissvorschlag Dritter Bezirk zu vertreten." Und: "Wer den Namen Prenzlauer Berg als Markenzeichen des Aufbruchs und der Wiedervereinigung aufgibt, der hat doch politische Defizite! So was kann doch nur aus dem kleinbürgerlichen Pankow kommen!" Auch Petra Pau, die PDS-Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis in Prenzlauer Berg wettert gegen "Pankow": Armselig sei die Namensentscheidung. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der am Kollwitzplatz wohnt, sprach von einer "schmerzhaften Entscheidung". Gleichwohl wäre er nicht auf die Idee gekommen, den Fusionsbezirk Prenzlauer Berg zu nennen.

So betroffen scheinen zwar nicht alle Einwohner, die an diesem Morgen ihren Kommentar zum neuen Bezirksnamen abgeben. Viele, gerade der etwas Älteren winken zunächst einfach ab. Manche offensichtlich völlig gleichgültig - der Bezirksnamen interessiert sie einfach nicht. Andere dagegen reagieren wieder mit merklichem Unmut. "Ja wissen Sie, viele hier haben das Gefühl, schon so oft überrumpelt worden zu sein, denen ist das jetzt auch schon egal," erklärt die Verkäuferin Marina Abel im alteingesessenen Lebensmittelladen an der Senefelderstraße. Wissen Sie, wenn man hier die Zeiten mitgemacht hat, wo Kühlschränke noch mit Eiswürfeln gefüttert werden mussten, und Pferdekutschen gesehen hat, dann will man sich nicht von dem alten Namen trennen - aber wir werden ja nicht gefragt."

Andere sind noch deutlicher: "Ich wohne jetzt seit 1947 in Prenzlauer Berg, aber das ist doch der Gipfel," meint Barbara Neve in ihrem Farbengeschäft zwei Ecken weiter. "Manchmal glaube ich: Wir sind hier von einer Diktatur in die andere gefallen!"

Ole Töns

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