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Alle Bezirksverordneten in Lichtenberg wurden auf offizielle und inoffizielle Stasi-Mitarbeit überprüft.

© picture alliance / dpa

Bezirksverordnete: Stasi-Spitzel in Lichtenberg gesucht

Wer arbeitete einst für die Stasi? Darum gibt es Streit in der BVV Lichtenberg. Im Mittelpunkt stehen vier Abgeordnete und die Frage, wer Nachfolger von Bürgermeister Geisel wird.

Das Thema Stasi sorgt in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg für heftige Konflikte. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen vier Abgeordnete, darunter BVV-Vorsteher Rainer Bosse (Die Linke) und Vorstandsmitglied Blaschka Brechel (SPD). Vordergründig geht der Streit um die Frage, ob sie ihre Ämter aufgeben sollen. Zusätzlich aber steht die Nachfolge von Bezirksbürgermeister Andreas Geisel im Mittelpunkt, der neuer Stadtentwicklungssenator werden soll.

Ausgangspunkt ist eine BVV-Entscheidung von 2012. Damals wurde beschlossen, alle Bezirksverordneten auf offizielle und inoffizielle Stasi-Mitarbeit zu überprüfen. Diese Aufgabe übernahm ein Vertrauensgremium, in dem Mitglieder aller fünf in der BVV vertretenen Parteien sitzen. Dazu kam Bosse als Vorsteher. Dieses Gremium las Akten und informierte die Fraktionen. In vier Fällen wurden die Vertrauensleute fündig, pikanterweise gehörte auch Bosse zu den Fällen. Laut Akten wurde er als Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit (GMS) geführt, er war demzufolge also Stasi-Mitarbeiter. Allerdings ist ein Großteil der Akten zu seiner Person offenbar vernichtet.

In einer Sondersitzung der BVV am 20. November teilte das Vertrauensgremium mit, dass nach seiner Einschätzung Bosse nicht genug belastet sei, um Konsequenzen zu ziehen. Die CDU-Fraktion freilich sieht das anders. Sie fordert den BVV-Vorsteher auf, diese Konsequenzen zu ziehen. Bosse wollte sich telefonisch nicht äußern.

Brechel verweigert Rücktritt

In einem zweiten Fall sahen die Vertrauensleute keinen Grund zu Konsequenzen, zu einem dritten sind bisher keine Details bekannt. Anders im Fall der SPD-Politikerin Blaschka Brechel. Sie gilt als belastet, soll einen Monat lang „wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet“ haben. Brechel wehrt sich heftig. „Ich habe nie mit der Stasi zusammengearbeitet“, sagte sie dem Tagesspiegel. Aus ihrer Akte lässt sich eine „Zusammenarbeit“ auch schwerlich ableiten. Die Stasi war nur an ihrem Mann, einem Hochschullehrer, interessiert. Brechel saß einmal dabei, als ihr Mann Besuch von einem Stasi-Mitarbeiter bekam. Auf ihn machte das Ehepaar einen „aufgeschlossenen und sachlichen Eindruck“. Ansonsten geht es in der Akte aber fast immer nur um Brechels Ehemann. Nach einem Monat endeten die Hausbesuche.

Brechel weigert sich, aus dem BVV-Vorstand und als Vorsitzende des Kulturausschusses zurückzutreten. „Das wäre sonst das Eingeständnis, dass ich ein Stasi-Spitzel gewesen wäre“, sagte sie. Inzwischen aber macht die eigene Partei Druck. Die SPD regiert mit einer Zählgemeinschaft von CDU und Grünen, und die Grünen-Abgeordnete Camilla Schuler drohte bereits, die Gemeinschaft infrage zu stellen, wenn Brechel nicht zurücktrete. Sollten sich die Grünen zurückziehen, hätte die SPD keine Chance mehr, den Nachfolger von Bürgermeister Geisel zu stellen.

Es habe lediglich „Kontakte gegeben“

Die SPD-Abgeordnete Jutta Feige forderte deshalb Brechel bereits auf, sich der Grünen-Forderung zu beugen. Im September noch hatte die SPD-Fraktion hingegen einstimmig beschlossen, dass Brechel nicht belastet sei. Es habe lediglich „Kontakte gegeben“. Das Votum stützte sich dabei auf die Einschätzung von Manfred Becker, der für die SPD im Vertrauensgremium sitzt. Becker selbst votierte aber kurz darauf im Vertrauensgremium gegen Brechel.

Zur Diskrepanz sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Erik Gührs: „In der Fraktion hat Herr Becker als Fraktionsmitglied abgestimmt. Die Fraktion kam zur Einschätzung, es habe nur Kontakte gegeben.“ Im Vertrauensgremium aber habe man einen anderen Maßstab angelegt. „Da entschied man auf Zusammenarbeit.“ Becker selbst war nicht zu erreichen. Und nun? „Wir haben noch nichts entschieden“, sagte Gührs. Intern wurde er deutlicher – und schrieb an seine Fraktion: „Es mag inhaltlich zwar unabhängig davon sein, dass wir einen neuen Bezirksbürgermeister wählen, aber trennen lässt es sich in der Konsequenz natürlich nicht.“

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