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Berlin: Bianca Jaggers Angst um unsere Freiheit

Ex-Frau des Rolling Stone und Jörg Schönbohm debattierten über Terrorbekämpfung

Dass sie aus Nicaragua kommt, das sagt Bianca Jagger gleich zu Beginn. Sie sagt es immer gleich zu Beginn, das kann man in alten Interviews nachlesen. 1945 wurde sie geboren, da war Anastasio Somoza Präsident, ein Militär, der sich an die Macht gemordet hat, das Land als seinen Privatbesitz betrachtete und die Menschen als seine Sklaven. Als er starb, hinterließ er seinen Söhnen Ländereien, Fabriken und 100 Millionen US-Dollar in bar. Mehr als 40 Jahre lang war der Somoza-Clan in Nicaragua an der Macht, eine Zeit, in der die Menschen keine Rechte hatten. Da also kommt Bianca Perez Morena de Maciasda her. So hieß sie, bis sie 1971 in Paris Mick Jagger von den Rolling Stones heiratete.

Und nun war sie in Berlin, als eine, die für Bürgerrechte kämpft. Am Mittwochabend im „Max & Moritz“, einer Kreuzberger Kneipe, eingeladen vom Aspen-Institut. Mit schnellen Schritten ist sie auf dem Podium, an den winzigen Füßen trägt sie viel zu dünne Schühchen, keine Ketten, keine Ringe sieht man. Sie guckt ernst, sie spricht ernst. Sie dankt Amnesty International und sagt, dass sie Berlin liebe. Dann über die Situation: dass der Krieg gegen Terror in USA zur Beschränkung der Freiheit geführt habe, dass die Regierung im Namen der Terrorbekämpfung unkontrollierbar werde, dass dies nicht zu mehr Sicherheit führe.

Mit auf dem Podium sitzen Jörg Schönbohm, der Innenminister von Brandenburg, und Jörg Lau von der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Menschenrechte – Opfer des Kriegs gegen Terror?“ ist die Frage des Abends. Schönbohm, der Konservative, der Ex-General, der Sicherheit vor Freiheit stellt und verdächtige Personen aus dem Land weisen möchte, und Bianca Jagger, die nach der Scheidung 1979 den Namen Jagger behielt, weil er Türen öffnet, die Glamour-Girl war und seit den 90er Jahren Aktivistin für quasi alles ist: für Naturschutz, Menschenrechte, den Regenwald, einen Internationalen Gerichtshof, gegen die Todesstrafe, die US-Invasion in Bagdad und den Überwachungsstaat.

Schönbohm und Jagger – für Jeff Gedmin vom Aspen-Institut sind die beiden Gegensätze, Vertreter der ganz unterschiedlichen Meinungen zum Thema. Aber zu dem wird am Ende gar nicht so viel gesagt. Zwei Mal besteht Schönbohm darauf, dass die Frage sei, was wir höher schätzen: Freiheit oder Sicherheit. „Menschen, die Angst haben, nutzen ihre Freiheiten nicht“, sagt Schönbohm. Und, dass wir in Deutschland Probleme mit Moslems hätten. Er sagt, wir müssten entscheiden, ob wir Terror akzeptieren. Bianca Jagger fragt, ob es keine anderen Antworten gebe. Sie bleibt fast den ganzen Abend ernst.

Die Sprache des Abends ist Englisch. Bianca Jagger spricht englisch, der „Zeit“-Journalist und Jörg Schönbohm. Jeder mit seinem persönlichen Akzent. Und Schönbohm sorgt sogar dafür, dass die „informationelle Selbstbestimmung“ unübersetzt in die Debatte einfließt. Da lacht auch Bianca Jagger ein kleines Lachen, und dabei strahlt ihr Gesicht und man kann sich vorstellen, dass New Yorker Fotografen hinter ihr herrennen und die Klatschreporter über sie berichten.

In New York, da wohnt sie. Sie hat einen nicaraguanischen und einen britischen Pass. Wegen der Ehe mit Mick Jagger. Die gemeinsame Tochter Jade ist heute hoch bezahltes Model und Schmuckdesignerin, ein Jetset-Mädchen, Mick Jagger selbst war lange Jahre mit dem Model Jerry Hall verheiratet, bis er mit 56 Jahren erneut Vater wurde – unfreiwilliges Ergebnis der Affäre mit dem brasilianischen Fotomodel Luciana Morad.

In dieser schillernden Familie nimmt sich Bianca Jagger erstaunlich ernsthaft aus. Bei ihrem kleinen Auftritt in Kreuzberg ist schnell vergessen, mit wem sie verheiratet war. Da sitzt eine Frau, die für ihren Kindheitstraum kämpft: Alle Menschen sollen in der Gewissheit leben können, unverbrüchliche Rechte zu haben. Und wenn sie in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem die Ex von Mick Jagger bleibt, stört sie nur aus einem Grund: dass Männer nie als der Ex einer Frau wahrgenommen werden.

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