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Berlin: Biermann soll auf bessere Zeiten warten

Wowereit lehnt Ehrenbürgerschaft auf Grundlage des Oppositionsantrags ab. SPD denkt an spätere Sammelauszeichnung von Literaten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wolf Biermann hat zurzeit keine Chance, Ehrenbürger von Berlin zu werden. Aber vielleicht später, gemeinsam mit anderen berühmten Literaten, die sich um die Stadt verdient gemacht haben. Zum Beispiel Seite an Seite mit Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky, die zwar schon lange tot sind, aber in Ausnahmefällen kann die höchste Auszeichnung Berlins auch postum verliehen werden – wie es 2002 bei Marlene Dietrich geschah.

Dieser Vorschlag zur Güte wurde jedenfalls im SPD-Fraktionsvorstand intensiv diskutiert, um der Zwickmühle zu entkommen. Denn dem Antrag der Opposition, Biermann jetzt zum Ehrenbürger zu ernennen, wollen der Senat und die Koalitionsfraktionen SPD und Linkspartei nicht zustimmen. In der PDS-Fraktion hält sich die Zahl der Biermann-Fans ohnehin in Grenzen. In der SPD-Fraktion, die heute darüber berät, gibt es zwar eine knappe Mehrheit, die den Künstler ehren will. „Aber nicht so, in dieser konfrontativen Zuspitzung, die von der CDU herbeigeführt wurde“, sagte gestern ein Mitglied der SPD-Fraktionsführung.

Es wäre besser, appellierte der Sozialdemokrat an CDU, Grüne und FDP, „dass sich alle Fraktionen im Interesse der Sache zusammenraufen“. Die Idee mit den Literaten geht auf eine vertiefte Durchsicht der Ehrenbürgerliste zurück. Der letzte seiner Zunft, der die Urkunde überreicht bekam, war 1986 Wieland Herzfelde in Ost-Berlin. Seit 1945 wurden noch Anna Seghers und Nelly Sachs geehrt. Drei von 51 Ehrenbürgern seit Kriegsende. Ein gewisser Nachholbedarf, auch wenn Biermann zugleich Musiker und Schreiber ist, ließe sich laut SPD-Spitze durchaus begründen.

Ob dieser oder andere Kompromissvorschläge auf Zustimmung stoßen, wird erst heute die SPD-Fraktionssitzung zeigen, in der sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erstmals persönlich zu Wort melden wird. Senatssprecher Michael Donnermeyer kündigte gestern schon mal an, „dass der Regierende verhindern will, dass die Institution der Ehrenbürgerwürde Schaden nimmt“. Wowereit sei sich mit dem Amtsvorgänger Klaus Schütz einig, dass diese herausragende Ehrung in Berlin „immer mit besonderem Takt gehandhabt worden ist“ und nicht „ins politische Tagesgeschäft degradiert“ werden dürfe. Schließlich gehe es hier nicht um einen Antrag auf Steuererhöhungen. Vorbildlich diskret sei das Auswahlverfahren beim vorläufig letzten Ehrenbürger Heinz Berggruen gelaufen, sagte Donnermeyer. So etwas eigne sich nicht für Kampagnen.

In der SPD-Bundestagsfraktion haben sich trotzdem die Berliner Abgeordneten Wolfgang Thierse und Ditmar Staffelt öffentlich zur Ehrung Biermanns bekannt. Der SPD-Landesgruppenchef Swen Schulz bezeichnete dies als „persönliche Meinung“. Unter den Berliner Parlamentariern gebe es unterschiedliche Auffassungen, „und das muss auch erlaubt sein“. Ein Teil der SPD-Rechten („Aufbruch Berlin“) hat sich aber schon festgelegt. „Viele von uns setzen sich für eine Ehrenbürgerschaft Biermanns ein“, steht in einem internen Rundbrief. Es sei zwar ein „unwürdiges Schmierenstück“ der CDU, einen parteipolitischen Streit über Biermann anzuzetteln. Doch das unwürdige Verfahren rechtfertige eine Ablehnung nicht. Hart fiel die Kritik des Grünen-Europaabgeordneten Michael Cramer aus: „Mit einer tiefen Verbeugung vor der PDS ist die Berliner SPD im alten Osten angekommen.“ Nur der werde geehrt, der denselben Stallgeruch habe.

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