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Für fairen Handel. "Kein Alkohol für Kinder" - die Bezirke und Landesdrogenbeauftragte wenden sich unter diesem Motte seit einigen Jahren an Geschäftstreibende. CDU und SPD setzen sich jetzt dafür ein, auch Wein und Bier nur noch an Volljährige abzugeben.

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Rechtliche Bedenken: Bierverbot für Jugendliche – für manche eine Schnapsidee

Berlins SPD und CDU wollen den Verkauf von Bier und Wein an Jugendliche verbieten. Verfassungsrechtlich ist das umstritten. Baden-Württemberg hat eine Lösung gefunden, die für die Hauptstadt Modell stehen könnte.

In Baden-Württemberg haben sie schon, was die Gesundheitspolitiker von SPD und CDU in Berlin einführen wollen: ein Alkoholverkaufsverbot, durch das vor allem Jugendliche von exzessiver und gefährlicher Trinkerei abgehalten werden sollen. Diese Problemgruppe haben auch die Unterhändler des rot-schwarzen Koalitionsvertrags mit dem am Mittwoch angekündigten Vorhaben im Blick, den Verkauf von Alkohol an Jugendliche generell zu verbieten.

Anlässe gibt es genug. Die Polizei hat im ersten Halbjahr 2011 in Berlin 709 betrunkene Kinder und Jugendliche aufgegriffen. 382 waren der Polizeistatistik zufolge nicht bloß betrunken, sondern haben auch noch eine Straftat verübt. Trotz geltender Jugendschutzbestimmungen gelangen Kinder und Jugendliche oft immer noch problemlos an hochprozentigen Alkohol – das hat sich bei 90 polizeilichen Einsätzen zur Kontrolle der einschlägigen Bestimmungen in den ersten sechs Monaten des Jahres erwiesen.

Derzeit dürfen Jugendliche ab 16 Jahren Bier, Sekt und Wein kaufen. Spirituosen und sogenannte Alkopops hingegen sind nur an Erwachsene abzugeben. „Komasaufen“ und alkoholbeförderte Kriminalität hatten den Landtag von Baden- Württemberg veranlasst, ein Alkoholverkaufsverbot für die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr morgens zu verhängen. Es gilt für Supermärkte wie für Tankstellen. Im März dieses Jahres bilanzierte Innenminister Heribert Rech „erste Wirkungen“ des Verbots auf die Kriminalitätsentwicklung. So habe es weniger Alkoholvergiftungen bei Heranwachsenden gegeben. Die Zahl der Tankstellen, bei denen die Polizei mindestens einmal im Monat wegen alkoholbedingter Straftaten einschreiten musste, sei im Schnitt von 69 auf 31 zurückgegangen.

Die recht weitgehende Regelung ist schon verfassungsrechtlich überprüft worden. Eine Tankstellenpächterin hatte mit Blick auf ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen das Gesetz eingelegt – die Verfassungerichter nahmen die Beschwerde gar nicht erst an. Sie erklärten dazu – das könnte für vergleichbare Berliner Vorhaben von Bedeutung sein –, die Regelung falle als Maßnahme zur Gefahrenabwehr in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers. Und der verfolge damit „die gewichtigen Gemeinwohlziele, einem vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Alkoholmissbrauch und dadurch bedingten Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen“.

Unter Verfassungsjuristen ist die Argumentation indes umstritten. Noch angreifbarer wäre das, was sich die Berliner Politiker vorstellen, so ein Jurist. Denn der Jugendschutz sei bundesrechtlich so genau geregelt, das der Landesgesetzgeber dazu nichts zu sagen habe.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Mario Czaja sagte dazu, eine Berliner Regelung ziele auf die gleichen Problemgruppen wie in Baden-Württemberg. Deshalb sei auch ein zeitlich begrenztes Alkoholverkaufsverbot prüfenswert. Die Opposition lehnt den Vorschlag ab. Clara Herrmann, zuletzt jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte, auch bei strengeren Regelungen würden sich Jugendliche betrinken – das zeige sich etwa in den Vereinigsten Staaten, wo die Abgabe von Alkohol strenger gehandhabt wird als hier. Wichtiger als Restriktionen seien Aufklärung und Erziehung „zu mündigem Konsum“. „Verbote bringen gar nichts.“

Die Berliner Drogenbeauftragte Christine Köhler-Azara hingegen begrüßt es, dass die Gesundheitspolitiker von SPD und CDU sich des Problems angenommen haben. Alkohol sei unter Jugendlichen wie unter Erwachsenen die „Droge Nummer eins“. Ob ein striktes Verbot bei Jugendlichen helfe, sei fraglich: „Da Alkohol praktisch überall verfügbar ist, könnte es schwierig werden, ein Verbot umzusetzen. Dann würden viele Jugendliche vermutlich einfach ihre älteren Brüder oder Schwestern einkaufen schicken oder die elterliche Bar plündern.“

Auch sei der Umgang mit Alkohol nicht nur unter Jugendlichen schwierig. Sie orientierten sich am Konsumverhalten der Erwachsenen. Deshalb müsse man darüber nachdenken, wie das Thema generell angegangen werden könnte: „Am wirksamsten sind Kombinationen von Steuererhöhungen, Einschränkungen der Verfügbarkeit und möglicher Altersbeschränkung, wie man beim Tabak gesehen hat“, regt die Drogenbeauftragte an.

Dass es möglich ist, ein Alkoholverbot umzusetzen, zeigt sich in Hamburg. Seit Anfang September ist es hier in Bussen sowie U- und S-Bahnen nicht mehr erlaubt, Alkohol zu trinken. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) setzt insbesondere an Wochenenden zusätzliche Sicherheitskräfte ein, um junge Partygänger zu überwachen. „Unser Eindruck ist sehr positiv. Die Fahrgäste zeigen sich in der Regel schnell einsichtig und es gab keine größeren Auseinandersetzungen“, sagt HVV-Sprecher Rainer Vohl. Im Oktober verhängten die Kontrolleure nur 107 Bußgelder über 40 Euro in U-Bahnen und 109 in S-Bahnen. Im Berliner Nahverkehr ist der übermäßige Konsum alkoholischer Getränke verboten. Es kümmert sich aber niemand darum.

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