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Berlin: Big Blue

In Schöneberg, könnte man meinen, gibt es nicht mehr viel Neues zu entdecken. Die meisten der besseren Bars sind inzwischen Traditionslokale, wie beispielsweise das Green Door.

Von Frank Jansen

In Schöneberg, könnte man meinen, gibt es nicht mehr viel Neues zu entdecken. Die meisten der besseren Bars sind inzwischen Traditionslokale, wie beispielsweise das Green Door. Zu den wenigen Newcomern zählen das kolossale Goya, das sich am Nollendorfplatz in einer gastronomisch satten Umgebung behaupten muss, und das „Studio“ an der Hauptstraße. Doch dann findet sich plötzlich eine kleine Bar, die nicht mehr so ganz jung ist, aber vom drinking man sträflich übersehen wurde: Das Big Blue. Wie konnte das passieren? Nun mal hurtig hineingeschlüpft.

Allzuweit vordringen kann man allerdings nicht. Das Big Blue ist nicht big, sondern winzig. Zunächst behauptet der Keeper, dass hier „hundert Leute“ reingehen. Nach einer ironischen Kunstpause sagt er dann: „Da hinten ist noch ein Separee“. Der Hauptraum jedenfalls wirkt wie ein abgedunkeltes Aquarium, in dem allenfalls eine Piranha-Clique Platz fände. Auf den nachtblauen Wänden drehen sich die von einer Diskokugel verspritzten Lichtkringel, als sänken Wasserbläschen hinab. Wer länger hinschaut, vernimmt im Kopf bald ein Blubbern.

Als wäre dieses Minibassin nicht schon eng genug, wird es mittig von einem Tresen geteilt. Das Monstrum hat die Form einer Walfischschwanzflosse, der Länge nach ins Lokal gehievt. Darüber baumeln blaue Flitterstreifen. Wo waren drinking man und compañera gelandet? In der Höhle eines freak divers, der seine Gäste mit harten Cocktails betäubt und später an Haie verfüttert? Der Name der Bar ist auch nicht ganz unverdächtig: Er erinnert an den elegischen, aber tragisch endenden Tiefsee-Tauchrausch-Film „The Big Blue“, den Luc Besson Ende der achtziger Jahre gedreht hat. Doch dann kam alles anders.

Der Keeper war grenzenlos freundlich und verließ sogar kurz sein Lokal, um die von drinking man und compañera angefragten Nüsschen zu besorgen. Unglaublich! Und der Mann kam mit einem ganzen Sortiment Knabbereien zurück: Nüsschen, Salzstangen, Chips... In dieser raubauzigen Stadt ein geradezu legendärer Auftritt.

Und die Drinks hielten qualitativ mit. Der Planter’s Punch war durchaus passabel, den üppigen White Russian füllte der Keeper noch mit einer Extraportion Milch auf. Die compañera war entzückt. Dann landete der Barchef einen Touchdown (Wodka, Apricot Brandy, Maracujasaft, Lime Juice, Zitronensaft, Grenadine), wie er schmatziger kaum hätte sein können. Es folgte ein alkoholfreier Caipirinha, den die compañera angesichts seiner Süffigkeit gleich nochmal orderte.

Wer also eine kleine Bar mit großem Namen und einem extra netten und obendrein fähigen Keeper sucht, sollte abtauchen – ins Big Blue. Wo sonst gibt es Blubbern mit Nüsschen?

Big Blue, Winterfeldtstraße 22, Schöneberg, Tel.: 0172 - 302 49 14, Di. - Do. 19 bis 2 Uhr, Fr./Sa. open end, So. bis 4 Uhr

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