zum Hauptinhalt
Schuelerstreik

© Doris Spiekermann-Klaas

Bildung: Berliner Schüler schwänzen fürs Leben

Die Jugend macht ihrem Ärger Luft: 8000 Schüler und Studenten haben am Donnerstag in Berlin-Mitte für bessere Lernbedingungen demonstriert. Die Liste ihrer Forderungen ist lang.

Eigentlich hätte er jetzt Politische Weltkunde, sein Lieblingsfach. Stattdessen steht der Oberstufenschüler vom Sophie-Scholl-Gymnasium auf dem Potsdamer Platz und protestiert. Weil es ihm stinkt, wie viel Unterricht ausfällt und wie wenig die Schule seinen Erwartungen entspricht: „Ich will Vorbereitung aufs Leben, nicht nur Noten und Bewertungen“, sagt er. Dabei habe er es als Gymnasiast „ja noch ganz gut“.

Der 17-Jährige und seine Freunde sind heute auch auf die Straße gegangen, um für die Berliner Schüler zu demonstrieren, die unter schlechteren Bedingungen lernen als er. Zum kollektiven Schuleschwänzen – oder offiziell: dem dritten Berliner Schülerstreik – hatte die Initiative „Bildungsblockaden einreißen“ aufgerufen. Tausende demonstrierten gestern in Mitte gegen Lernfabriken, Bildungsabbau, soziale Ausgrenzung und Ellenbogengesellschaft – und für kostenlose Bildung für alle. 8000 Schüler und Studenten kamen nach Veranstalterangaben. Auch ein Wagen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fuhr mit, vorne im Zug flatterte eine Juso-Flagge. Er startete vormittags am Potsdamer Platz, zog am Alexanderplatz und Rotem Rathaus vorbei zur Senatsverwaltung für Bildung.

Die Forderungsliste, die Jenny, die Sprecherin der Schülerinitiative, am Potsdamer Platz vortrug, war lang: Es dürfe keine Schul- oder Studiengebühren geben und die Lehrmittelfreiheit müsse wieder eingeführt werden. „Schulbücher vom Taschengeld kaufen – das darf nicht sein“, hallte es per Lautsprecher über den Potsdamer Platz. Zur Zeit würden „soziale und ethnische Herkunft über die Bildungschancen eines Kindes entscheiden“, auch wegen der frühen Aufteilung der Schüler in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler. Die Hauptschule dürfe nicht zum sozialen Abstellgleis werden. Um die Lernbedingungen zu verbessern, sollten 3000 Lehrer eingestellt werden. Zukünftig müsse weniger Unterricht ausfallen, die Klassengröße müsste auf höchstens 20 Schüler reduziert werden und bis zum Abitur verlangt der Bildungsnachwuchs 13 Jahre Schulzeit. Bislang gebe es zu viel Leistungsdruck und Konkurrenzdenken. „Schulen verkommen zu Lernfabriken!“, rief Jenny.

Mit Rasseln, Pfeifen, hüpfend und schreiend machten die Schüler ihrem Ärger über die Bildungspolitik Luft. Von wenigen Ausnahmen abgesehen verlief die Demonstration nach Polizeiangaben friedlich. Gegen 14 Uhr flogen ein paar Steine in Richtung Polizisten, verletzt wurde niemand. Drei Demonstranten wurden wegen Verstoß gegen das Vermummungsverbot festgenommen. Etwa 200 Polizisten waren im Einsatz. Für den – recht wahrscheinlichen – Fall, dass die Senatsverwaltung nicht auf die Forderungen eingeht, kündigten die Schüler weitere Streiks und Demos für den Herbst an. Florian Höhne

Florian Höhne

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false